Strenges Verkaufsmanagement

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Mindestens bis 2035 wollen der Versicherer Zurich und die Warenhauskette Mediamarkt Saturn exklusiv miteinander kooperieren. Wie streng das Verkaufsmanagement in den stationären Märkten ist, zeigt ein Praxisbeispiel.

So ganz einfach kommen Kundinnen und Kunden in den rund 1.000 bundesweiten Saturn-Media-Märkten nicht an ihr Produkt. Nach meist freundlicher Beratung im Laden, gilt es die Hürde „Kasse“ zu überwinden. Das funktioniert in der Praxis so: Der Kunde kommt mit einem Kopfhörer zur Kasse bei Saturn. Der Kopfhörer ist im Sonderangebot. Die unverbindliche Preisempfehlung lautet 419 Euro. Das Gerät wird für 199 Euro verkauft.

Kassiererin: „Sie können die Garantie von einem auf drei Jahre verlängern. Das ist ja eigentlich ein teures Gerät.“ Doch der Kunde lehnt diese Offerte ab. Das hilft ihm aber noch nicht. Denn nun erhöht die Angestellte ihren Druck. „Das würde ich mir gut überlegen. Der Akku ist in der verlängerten Garantie geschützt. Wenn er um 50 Prozent ausfällt, haben Sie schon Schutz.“

Beim Kunden macht sich eine gewisse Hilflosigkeit breit. Daher erkundigt er sich, was denn die verlängerte Garantie kosten würde und erfährt, dass er „lediglich“ 24 Euro mehr zahlen müsste. Viele Kunden dürften tagtäglich diesem deutlichen Verkaufsdruck erliegen und dann die Garantieverlängerungspolice der Zurich erwerben.

Zusätzlich „Plus Schutz“ ist möglich

Oder auch mehr. Denn neben der „PlusGarantie“, gibt es auch den „PlusSchutz“. Die Hürde „Kasse“ kann also lange und sehr teuer werden. Die Garantieverlängerung ist fast risikolos für die Zurich. Immerhin beträgt die gesetzliche Gewährleistung zwei Jahre. Übrig bleiben somit ein Jahr erweiterte Herstellergewährleistung und ein grundsätzlicher Ersatz, falls die Akku-Leistung unter 50 Prozent fällt. Demgegenüber ist der PlusSchutz deutlich teurer und wird monatlich gezahlt. Hier gibt es eine zusätzliche Absicherung bei Unfall-, Stoß-, Wasser- und Sandschäden. Und Diebstahlschutz - gemeint ist Raub, Plünderung und Einbruch - lässt sich teilweise optional zubuchen.

Je nach Wahl der Police, kann die Prämie bei zwölf bis über 30 Prozent des Warenwertes liegen. „Die Prämie der Garantieversicherung ergibt sich aus Gerätewert und -art sowie Garantiedauer“, erläutert Zurich auf Anfrage. Sie werde automatisch durch das System ermittelt, wenn ein Artikel eingescannt wurde. Als Basis dafür gelte immer der Verkaufspreis, den der Kunde zahlt, dieser entspricht anschließend dem abgesicherten Wert, also der Versicherungssumme.

Für Nebentätigkeit kein Outing notwendig

Die Kassiererin oder der Kassierer wären Angestellte eines Annex-Vermittlers nach §34d Abs. 8 Gewerbeordnung (GewO). Eine Erlaubnis für die Versicherungsvermittlung sei so nicht notwendig. Das bestätigt auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Es werde keine Erlaubnis benötigt, da nur als Nebentätigkeit vermittelt wird. Laut BVK müsse die Versicherungsvermittlung nicht einmal dargelegt werden. Die Zurich sieht dies sogar strenger und erläutert: „Beim Verkauf müssen die Mitarbeitenden grundsätzlich darauf hinweisen, dass es sich um eine Versicherung handelt.“ Ob das wirklich passiert, bleibt fraglich.

Immerhin können die Kunden – irgendwann – nachlesen, dass sie eine Versicherung abgeschlossen haben. „So erhält jeder Kunde bei einem Abschluss die vorgeschriebenen Dokumente (AVB/IPID) ausgehändigt, zudem steht auf dem Beleg beziehungsweise dem Kassenbon die Versicherungsnummer sowie die Daten der Zurich Insurance Europe NfD“, erläutert die Assekuranz aus Köln. Der BVK möchte zum Verhalten der Angestellten keine Stellung nehmen. „Das Geschäftsgebaren von Handelsketten kommentieren wir – wenn es sich nicht um Versicherungsvertrieb handelt – grundsätzlich nicht“, erläutert ein Sprecher.

Der Erfolg soll wohl geheim bleiben

Über die rund 1.000 stationären Märkte und die Online-Vertriebsplattformen erzielte die Mediamarkt Saturn Retail Group im Geschäftsjahr 2022/23 mit rund 50.000 Mitarbeitenden einen Nettoumsatz von rund 22,2 Milliarden Euro. In der Eigendarstellung schreibt der Handelskonzern: „Wir kombinieren Produkte und Services zu Lösungen. Wir verstehen uns als Partner, täglicher Begleiter und Navigator unserer Kunden.“

Auf der anderen Seite schreibt Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland in einer Image-Broschüre: „Wir denken technologieoffen und nutzen die Chancen und passen unser Geschäftsmodell entsprechend an.“ Und in einer Pressemitteilung zur Kooperation wird das Potenzial von „Embedded Insurance“ unterstrichen.

Die Kooperation mit Mediamarkt Saturn gibt es bereits seit 2019. Ende 2023 wurde sie „bis mindestens 2035“ verlängert. Es soll weitere Versicherungsangebote geben. Die Warenhauskunden sollen durch „hohe Kundenorientierung und digitaler Kompetenz überzeugt werden“. Gleichzeitig würde der Versicherer vom hohen Volumen an Neukunden sowie vom langfristigen Cross-Sell-Potenzial profitieren.

Vielleicht ist die Partnerschaft – und der Druck auf die Kunden - tatsächlich so erfolgreich, dass dies besser geheim bleibt. Eine Anfrage, wie viele Policen mit welcher Bruttoprämie in den Saturn- und Media-Märkten 2023 verkauft wurden, ließ die Zurich unbeantwortet.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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