Variable Annuities – Deutsche Versicherungsbranche setzt zunehmend auf komplexe Rentenpolicen made in USA

Die Versicherungsbranche hat eine neue Form der Altersvorsorge für sich entdeckt und setzt große Hoffnungen auf deren Zukunft: Variable Annuities (VA). Welche neuen Chancen diese Vorsorgeform der Branche bieten und welchen komplexen Anforderungen sich die Versicherer stellen müssen, verdeutlichte die Euroforum-Konferenz "Variable Annuities in der Lebensversicherungswirtschaft" in Köln.

Bei Variable Annuities nach amerikanischem Muster handelt es sich um aufgeschobene Rentenversicherungen mit fondsgebundener Ansparphase und Garantien. Das heißt auch: Variable Annuitäten stellen eine Verbindung zwischen Versicherungsgeschäft und Investmentbanking her.

Der Kunde zahlt einen Einmalbeitrag ein, der in einen oder mehrere Aktienfonds investiert wird. Der Kunde hat somit die Möglichkeit, an positiven Entwicklungen am Aktienmarkt zu partizipieren. Gleichzeitig werden "Variable Annuities" aber auch dadurch charakterisiert, dass dem Kunden eine Rentenzahlung in bestimmter Höhe unabhängig von der Entwicklung des Finanzmarkts garantiert wird - ein wesentlicher Unterschied zu normalen fondsgebundenen Rentenversicherungen.

Bereits in den USA und Japan erfolgreich
Variable Annuities sind relativ neue Produktformen, die bereits seit vielen Jahren in USA und in Japan verkauft werden. Der Bundestag hat die Zulassung in Deutschland vorerst gekippt. Eine Begründung: Diese neuen Rentenpolicen sind erheblich riskanter als bisherige Garantieprodukte. Und die Verbraucherzentralen raten, vor Einführung dieser Produkte die negativen Erfahrungen (schwere Verluste) aus den USA genau zu recherchieren. VA werden in Deutschland bereits vertrieben, aber zum Beispiel über Konzerntöchter in Luxemburg, Lichtenstein oder Irland.

Die Branche hofft aber, dass sich dies durch entsprechende Modifikationen im Versicherungsaufsichtsrecht ändern wird. Die Versicherungsexperten glauben an die Transparenz der VA, gestehen jedoch ein, dass sie relativ komplex in der Umsetzung sind und riskant für den Versicherer sein können. Komplex unter anderem, weil die Verzahnung von Kapitalmarktoptionen und Biometrie eine relativ komplizierte ist.

Die Versicherungsbranche setzt auf die Produktkategorie, vor allem weil der FDL-Markt zwar wächst, aber die Versicherer immer stärker Marktanteile verlieren und zwar vor allem an die Fondsgesellschaften.
Als einen ersten großen Stresstext für die Variable Annuities sieht Fabian Rupprecht, Mitglied der Geschäftsleitung der Axa Winterthur in der Schweiz, die augenblickliche Finanzkrise. Aus diesem Grund geht er davon aus, dass im nächsten Jahr nicht viele neue Anbieter mit neuen VA-Konzepten herauskommen werden. Doch wer sich mit diesen Herausforderungen auseinandersetze und Schritt für Schritt an diese neue Vorsorgeform herangehe, könne auch in Zukunft reüssieren.

Variable Annuities fordern von Versicherern äußerst viel
Bislang bieten Versicherungsunternehmen wie die Axa, Allianz, R+V, Swiss Life und Ergo VA-Produkte an. Axa war vor rund zwei Jahren mit "TwinStar" der Marktbereiter auf dem deutschen Markt. Der amerikanische Versicherer The Hartford, der mit VA-Angeboten schon viel Erfahrung in USA und Japan sammeln konnte, bereitet augenblicklich seinen Markteintritt in Deutschland vor und wird auch von den deutschen Anbietern als ernstzunehmende Konkurrenz gesehen.

Unternehmen, die sich mit dem Gedanken tragen, VA einzuführen, müssen diverse Aufgaben beherrschen und Fähigkeiten besitzen: So u. a. die enge Einbindung der Zielländer, des Vertriebs, der Produktentwicklung und der IT. Zudem müssen sie über eine internationale Bilanzexpertise und über erfahrene Hedging-Experten und ein gutes Risikomanagement verfügen, einen eigenen Risikoträger gründen und eine stimmige Fondsauwahl treffen. "Besonders wichtig ist aber eine effektive Vermarktung und Kommunikation und dass eine zentrale Projektsteuerung alle relevanten Projektelemente kompetent lenkt", weiß Alf Neumann von der Allianz SE.

Hoffen auf Änderungen im Versicherungsaufsichtsrecht
Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften, ist sich sicher, dass "in naher Zukunft weitere Anbieter folgen werden", weil sie auf diesem Gebiet enorme Marktchancen sehen, wie Erfahrungen in den USA und Asien bewiesen. Wichtig sei aber auch, dass die dortigen Strukturen nicht 1:1 auf den deutschen Markt übertragen würden.

Diese Notwendigkeit unterstrich auch Frank Wittholt, Generalbevollmächtigter der Vorsorge Lebensversicherung AG, der aber gleichzeitig davon ausgeht, dass VA in Deutschland zunehmend an Attraktivität gewinnen und besonders auch Direktversicherer in diesen Markt einsteigen werden.Als eine klare Wettbewerbsverzerrung erachtet er den Umstand, dass deutsche Versicherer in Deutschland keine VA vertreiben dürfen. Sehr enttäuscht zeigte sich Wittholt, dass Anfang 2009 keine Änderung des Versicherungsaufsichtsrechts zu Gunsten von VA kommen wird, geht aber davon aus, dass sich dies im Laufe von 2009 noch ändern wird.

Einen detaillierten Beitrag zum Thema Variable Annuities finden Sie in der Februar-Ausgabe von Versicherungsmagazin.

Autor(en): Meris Neininger

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