Vermittler müssen auf Reserven achten

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Die Stimmungslage in der Branche der privaten Krankenversicherer ist aktuell sehr positiv. Doch sie könnte sich trüben. So ist unsicher, ob es beim Bestand in der Vollversicherung tatsächlich ein nachhaltiges Wachstum gibt. Schon im nächsten Jahr stehen höhere Beitragsanpassungen an. Das dürfte den Wettbewerb verschärfen. Denn Assekuranzen mit gut gefüllten Rücklagen können die Erhöhungen begrenzen.

„Versicherer mit gutgefüllten Rückstellungen für Beitragsrückerstattung haben einen Wettbewerbsvorteil“, sagte Assekurata-Bereichsleiter Abdulkadir Cebi bei der Online-Vorstellung des „Marktausblicks Private Krankenversicherung 2024/2025“. Das könnten Vermittler in der Beratung gut nutzen. Denn die privaten Krankenversicherer (PKV) müssten die Beiträge 2025 noch deutlicher erhöhen als im Vorjahr.

Über 6,5 Prozent Beitragserhöhung

Während die Bestandsbeiträge 2023 im Durchschnitt bei Vollversicherungen im Normalgeschäft um 4,9 Prozent und im Beihilfegeschäft um 4,5 Prozent gestiegen sind, dürften die Anhebungen 2025 deutlich höher ausfallen. Nach einer Prognose der Ratingagentur Assekurata liegen die Beitragserhöhungen im Normalgeschäft im Schnitt bei über 6,5 Prozent. "Ganz genaue Prognosen sind aber nicht möglich", betonte Cebi. Demgegenüber sollen die Anpassungen im Beihilfegeschäft 2025 lediglich bei rund 4,3 Prozent liegen. Die PKV-Unternehmen können diese Erhöhungen aber begrenzen. Dafür nutzen sie die Reserven aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB).

Nach Erkenntnis von Cebi gibt es hier aber sehr große Unterschiede am Markt. Das führe dazu, dass einzelne Versicherer die Beitragserhöhungen nur im geringen Maße limitieren können. Cebi: „Die Assekuranzen können die RfB auch nicht in kurzer Frist auffüllen.“ Daher könnten die Versicherer mit hoher RfB bis zu vier Jahre lang einen Wettbewerbsvorteil haben.

Leider erweisen die schlecht aufgestellten Unternehmen der Branche oft einen Bärendienst, wenn sie die Beitragserhöhungen nicht mehr deckeln können und beispielsweise für bestimmte Tarife zweistellige prozentuale Anpassungen notwendig werden. „Ältere Tarife bluten dann aus und solche Beispiele werden rausgepickt und die Diskussion um die Bürgerversicherung neu entfacht“, warnte Cebi. Dann könnte das positive Stimmungsbild, dass die Kundinnen und Kunden derzeit von der PKV haben wieder verloren gehen.

Vollversicherung: Gibt es ein nachhaltiges Wachstum?

Erstmals fielen 2023 die Neuabschlüsse in der Vollversicherung höher aus als die Abgänge an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und durch Tod der Kundinnen und Kunden. Damit wurde das seit 2012 anhaltende negative Wachstum im "Brot- und Buttergeschäft" der PKV gestoppt. "Es ist aber noch nicht klar, ob dieser Trend anhaltend ist", so Cebi. Der Nettogewinn von 3.000 Kunden ist noch ein sehr „zartes Pflänzchen“, so die Rating-Experten. Die PKV werde von sehr hohen Kostensteigerungen belastet.

Die Leistungsausgaben der PKV wachsen weiterhin und sind seit 2018 um 24,9 Prozent gestiegen. Corona-Nachholeffekte und Inflation führten laut Assekurata 2023 zu einem deutlichen Anstieg von über neun Prozent auf 36,4 Milliarden Euro. Für 2025 prognostiziert Assekurata einen Anstieg der Kosten von 8,5 Prozent auf 39,5 Milliarden Euro. "Die PKV ist zudem von allen Reformen, wie nun im stationären Bereich, betroffen", glaubt Cebi. Trotzdem ist die Stimmung bei den PKV-Unternehmen sehr gut. Das zeigt die Umfrage zur Wachstumseinschätzung. Spitzenreiter ist die betriebliche Krankenversicherung (bKV), für die eine "sehr positive" Geschäftslage und Geschäftserwartung gilt.

Aber auch die Zahnzusatzversicherung, die Vollversicherung und auch der stationäre Krankenhauszusatzschutz werden weitgehend noch "sehr positiv" eingeschätzt. Demgegenüber liegt die Pflegezusatzversicherung, das Krankenhaustagegeld und der Pflege-Bahr im "sehr negativen"-Bereich.

Für die Vollversicherung glauben die Experten, dass die Versicherer durch neue Serviceleistungen mehr Kunden an sich binden können. So würden Hotline und Facharztvermittlung schon zum Standard gehören. Zudem gäbe es vermehrt ärztliche Videoberatung, Gesundheitsprogramme oder einen Zweitmeinungsservice. „Das spielt in der Kundenansprache eine immer größere Rolle“, sagte Alexander Kraus, der Fachkoordinator für den Krankenversicherungsbereich bei Assekurata ist. Zudem möchten die privaten Krankenversicherer beim Familienschutz mit der GKV konkurrieren. Kraus: „Es gibt nun Beitragsbefreiung in der Elternzeit oder Haushaltshilfen bei stationären Aufenthalten.“

bKV: Renner sind Budget-Tarife

Einen Siegeszug haben Budget-Tarife in der bKV angetreten. Mittlerweile werden diese Tarife von 21 Unternehmen angeboten und die Budgets reichen von 300 Euro pro Jahr bis 1.700 Euro. „Budget-Tarife kommen in der Vermittlung und Erklärung gut bei den Kundinnen und Kunden an“, sagte Kraus. Er machte aber auch deutlich, dass damit stationärer Schutz nicht abgedeckt werden kann, denn der Aufwand für Chefarzt und Einbettzimmer sei in der Regel viel höher als die zu Verfügung stehenden Budgets. Vermittler sollten daher darauf achten, dass die Unternehmen zusätzlich auch klassische Tarife anbieten würden. „Das ist natürlich stark von den Bedürfnissen des Arbeitgebers abhängig“, betonte Cebi. Manchem Unternehmen würde es reichen, mit einem Budget-Tarif als Einstieg zu signalisieren, dass es Gutes für die Belegschaft tut.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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