Versicherer fordern Alkohol-Wegfahrsperre in jedem Neuwagen

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Auf Alkohol am Steuer gehen in Deutschland jährlich rund 300 Tote und über 13.000 Verletzte. Alkoholunfälle sind im Vergleich zu anderen Unfällen besonders schwer, wie das Statistische Bundesamt feststellt. Während 2017 bei allen Unfällen mit Personenschaden elf Getötete und 220 Schwerverletzte auf 1.000 Unfälle kamen, waren es bei Alkoholunfällen 17 Getötete und 340 Schwerverletzte je 1.000 Unfälle.

Radikal wollen nun die deutschen Versicherer mit Alkohol am Steuer Schluss machen. "Wir müssen über eine Einbauverpflichtung für alle Neuwagen nachdenken und zwar für die gesamte Europäische Union", sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar. Nur eine solche Maßnahme für alle würde Alkoholfahrten weitgehend verhindern. "Die Alkolocks könnten so eingestellt werden, dass ab 0,5 Promille ein Losfahren nicht mehr möglich ist", erläuterte Brockmann.

Juristen - Wegfahrsperre für alle ist unverhältnismäßig

Die Alkohol-Wegfahrsperre für alle Neuwagen in Europa geht Christian Funk von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) deutlich zu weit. "Für Privatfahrten ist das vollkommen unverhältnismäßig", stellt er fest. Anders sieht es für Berufskraftfahrer aus. Hier könnte sich der Verkehrsrechtler einen serienmäßigen Einbau vorstellen. Bus- und Lkw-Fahrer hätten eine hohe Verantwortung und könnten betrunken sehr schwere Unfälle verursachen.

Die Einführung der Wegfahrsperre nur für Autofahrer, die schon mit Alkohol am Steuer erwischt wurden, ist nach Meinung des UDV wenig effektiv. Juristen und Verkehrspsychologen haben in Goslar vorgeschlagen, Autofahrern nach Trunkenheitsfahrten eine Chance auf eine Resozialisierung am Steuer zu geben. Wer den Führerschein wegen Alkohol verliert, sollt trotz Sperrfrist weiterfahren dürfen, wenn er ein Fahrzeug mit Alkolock nutzt. "Die Sperrzeit nach einer Trunkenheitsfahrt dient rechtlich der Sicherung und Besserung", erläuterte Don DeVol Verkehrspsychologe beim TÜV Thüringen. "Es reicht aber nicht, den Tätern technisch den Hahn für einige Zeit abzudrehen", warnt der Fachmann. Denn Studien aus dem Ausland hätten gezeigt, dass die Fahrer nach dem Ausbau der Alkohol-Wegfahrsperre sich in fast gleichem Umfang wieder beduselt ans Steuer setzen würden. Daher müsse die Technik mit regelmäßigen psychologischen Gesprächen begleitet werden. 90 Prozent würden dann nicht mehr rückfällig.

Einführung für Alkoholtäter bringt nichts

Nach Einschätzung des UDV würden solche Programme, die immer nur freiwillig sein könnten, nur ganz wenige Betroffene nutzen. Ein Grund seien die hohen Kosten für die Geräte, die später wieder ausgebaut werden müssen. Neben dem DAV plädiert auch der Auto Club Europa (ACE) für einen Pilotversuch in Deutschland, der zeigen soll, wie sicher und wirksam ein Alkolock ist. Moderne Geräte sollen aber kaum zu überlisten sein. Denn sie "merken", ob sie per Luftballon oder Luftpumpe ausgetrickst werden sollen. Gemessen wird nicht nur die Temperatur der Luft, sondern auch das Atemvolumen, damit beispielsweise keine Kinder zum Pusten "einspringen".

Bleibt das Risiko des Beifahrers. "Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit eines Betruges als gering ein", so Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). "Wer an einer Maßnahme mitmacht, möchte ja etwas an seinem Verhalten ändern", glaubt der Experte. Zudem können die Geräte speziell für "Trunkenheitsfahrer-Programme" so eingestellt werden, dass sie während der Fahrt Wiederholungstests anfordern. Dann müsste ein nüchterner Beifahrer während der ganzen Fahrt neben dem alkoholisierten Fahrer sitzen bleiben. Das sei sehr unrealistisch.

So funktioniert die Alkohol-Wegfahrsperre

Sobald der Fahrer die Zündung einschaltet, fordert ihn das Gerät zur Abgabe eines Atemtests auf. „Gepustet“ wird in das flexible Handteil. Nur wenn die Atemluft frei von Alkohol ist, wird der Anlasser freigegeben. Im anderen Fall registriert das Gerät einen „Fehlversuch“ und hält Promille und Uhrzeit fest. Auch eine Verweigerung der Atemprobe wird gespeichert.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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