Versicherer haben riskante Wertpapiere verkauft

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Bankensektor, Politik und Aufsicht sollten sich auf steigende Unternehmensinsolvenzen einstellen. Das rät der Ausschuss für Finanzstabilität in seinem jüngsten Bericht zur Finanzstabilität in Deutschland.

Nach Ansicht des Ausschusses sei im weiteren Verlauf der Pandemie nicht auszuschließen, dass Insolvenzen im Unternehmenssektor und damit einhergehende Verluste im Bankensektor steigen. Simulationen ließen einen Anstieg der Zahl der Unternehmensinsolvenzen erwarten.

Der Ausschuss schreibt, die Kapitalreserven im deutschen Bankensystem dürften ausreichen, um erwartete Verluste zu verkraften. Das Bankensystem sei widerstandsfähiger als vor der globalen Finanzkrise der Jahre 2007/2008. Die Insolvenzen könnten jedoch deutlich stärker als erwartet steigen und gleichzeitig die Preise von Vermögenswerten einbrechen.

18 Prozent der Wertpapiere im Versicherungsbestand heruntergestuft

Das Risiko steigender Unternehmensinsolvenzen schlägt sich auch in den Wertpapierportfolios deutscher Versicherer nieder. Im Jahr 2020 wurde im Zuge der Corona-Pandemie das Rating von 18 Prozent der Wertpapiere im Bestand der Versicherer heruntergestuft. In den beiden Vorjahren waren dagegen durchschnittlich nur 13 Prozent der Wertpapiere von Herabstufungen betroffen.

Ende Dezember 2020 wiesen zudem weitere 29 Prozent der Wertpapiere einen negativen Rating-Ausblick auf. Zusätzlich hat sich das Niedrigzinsumfeld weiter verfestigt und belastet insbesondere Lebensversicherer. Die regulatorischen Solvenzquoten der Lebensversicherer sind zwar weiterhin ausreichend, sie legen die ökonomische Risikotragfähigkeit jedoch noch nicht vollständig offen.

Hätten Eigenmittelanforderungen nicht erfüllen können

Ende 2020 lagen die regulatorischen Solvenzquoten im Median bei knapp über 350 Prozent. Bei der Berechnung der Solvenzquoten wenden viele Versicherer Übergangsmaßnahmen an. Durch diese Maßnahmen wird die marktnahe Bewertung der langfristigen Verbindlichkeiten schrittweise bis zum Jahr 2032 eingeführt. Ohne diese Übergangsmaßnahmen hätte Ende 2020 gut ein Dutzend der Lebensversicherer die Eigenmittelanforderungen nicht erfüllen können.

Diese Lebensversicherer haben jedoch bis zum Jahr 2032 Zeit, um die erforderlichen Eigenmittel aufzubauen oder ihr Risikoprofil an das Aufsichtsregime Solvency II anzupassen. Die in Solvency II enthaltene Volatilitätsanpassung stabilisierte die regulatorischen Solvenzquoten im ersten Halbjahr 2020. Bei einem vorübergehenden Anstieg der Risikoprämien an den Finanzmärkten soll die Volatilitätsanpassung vermeiden, dass die Versicherer in Stressphasen prozyklisch auf einen Rückgang ihrer Solvenzquoten reagieren, indem sie riskantere Anlagen verkaufen. Bei einigen Versicherern wurden die negativen Auswirkungen steigender Risikoprämien auf ihre Solvenzquote im ersten Quartal 2020 durch die Volatilitätsanpassung sogar überkompensiert.

Haben im ersten Quartal 2020 antizyklisch gehandelt

Der Ausschuss für Finanzstabilität befasste sich mit der stabilisierenden Rolle der deutschen Lebensversicherer an den Finanzmärkten infolge des Corona-Schocks. Lebensversicherer, die die Eigenmittelanforderungen auch ohne Übergangsmaßnahmen erfüllen, haben im ersten Quartal 2020 antizyklisch gehandelt, indem sie in Anleihen mit geringerer Bonität investierten. Bei diesen riskanteren Anleihen waren die Risikoprämien gestiegen und die Preise gefallen. Die anderen Lebensversicherer haben sich hingegen prozyklisch verhalten, indem sie riskante Wertpapiere verkauften.

Liquiditätslage blieb weitgehend stabil

Die Liquiditätslage der Versicherer blieb im Berichtszeitraum weitgehend stabil. Zwar brach das Neugeschäft, gemessen an der Anzahl an Lebensversicherungsverträgen, im zweiten Quartal 2020 um rund ein Viertel ein. Die Versicherer profitierten jedoch von regelmäßigen Prämieneinnahmen bei bereits bestehenden Versicherungsverträgen. Zudem erholte sich das Neugeschäft im dritten Quartal 2020 wieder. Der Einfluss von Beitragsfreistellungen und Kündigungen von Lebensversicherungsverträgen blieb im Berichtszeitraum begrenzt. Anhaltend niedrige Zinsen könnten künftig die Fähigkeit der Lebensversicherer verringern, Schocks zu absorbieren.

Verhalten wirkte stabilisierend auf Finanzmärkte

Lebensversicherer mit ausreichenden Eigenmitteln investierten im ersten Quartal 2020 in Wertpapiere, deren Risikoprämien nach Ausbruch der Pandemie gestiegen und deren Preise gefallen waren. Mit diesem antizyklischen Verhalten wirkten sie stabilisierend auf die Finanzmärkte. Anhaltend niedrige Zinsen senken jedoch die Eigenmittel vieler Lebensversicherer aufgrund der von ihnen gegebenen Zinsgarantien. In der Folge könnten künftig weniger Lebensversicherer in der Lage sein, in Stressphasen antizyklisch zu agieren.

Quelle: Deutscher Bundestag

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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