Versicherer sind "glimpflich durch Krise gekommen"

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Trotz Corona-Krise konnten die Versicherer das vergangene Geschäftsjahr über alle drei Sparten hinweg mit einem Beitragszuwachs von 1,2 Prozent auf 220,1 Milliarden Euro abschließen. Im Vergleich zu anderen Branchen sei man "glimpflich" durch die Krise gekommen, erläuterte Wolfgang Weiler, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bei der Jahresmedienkonferenz 2021, die in diesem Jahr ausschließlich digital stattfand.

"Corona ist allgegenwärtig – immer noch und ein Ende der Pandemie trotz einer zunehmenden Zahl von Impfstoffen nicht abzusehen. Für weite Teile von Wirtschaft und Gesellschaft sind die Folgen erdrückend und Ihnen allen bekannt", so begann der GDV-Präsident seine Ausführungen zur Lage der Versicherungswirtschaft. Wenn er das schwierige Jahr 2020 anschaue und das starke Vorjahr berücksichtige, dann sei er mit dem Beitragsverlauf sehr zufrieden, sagte Weiler. Denn im Jahr 2019 waren die Beitragseinnahmen mit einem Plus von 7,1 Prozent außergewöhnlich stark gestiegen.

Lebensversicherung von Corona ausgebremst

Im Geschäft der Lebensversicherer habe die Corona-Krise deutliche Spuren hinterlassen, etwa durch verschobene Beratungstermine. Die Zahl neu abgeschlossener Verträge sei 2020 entsprechend um gut zwölf Prozent gesunken. Im Vorjahr verzeichneten Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds ein Minus von 0,4 Prozent auf knapp 103 Milliarden Euro. Die laufenden Beiträge gingen dabei um 1,0 Prozent auf 64,4 Milliarden Euro zurück, während die Einmalbeiträge um 0,4 Prozent auf 38,3 Milliarden Euro zulegten. Im Einzelnen rechnet der Verband in der Lebensversicherung für 2021 jedoch mit einem Beitragsanstieg um zwei Prozent. Als einen Grund nannte Weiler mögliche Nachholeffekte, wovon ein Teil in die private Altersvorsorge fließen könnte.

Geringes Wachstum in Schaden- und Unfall

Die Schaden- und Unfallversicherer verbuchten im Vorjahr ein Wachstum der Beitragseinnahmen von 2,1 Prozent auf 74,8 Milliarden Euro. 2019 waren es noch ein Plus von 3,5 Prozent (73,2 Milliarden Euro). Die Gründe seien, so der GDV-Chef, in fast allen Teilsparten verortet und vielfältig. So hätten zahlreiche Autoversicherer ihren Kunden etwa ermöglicht, in der Corona-Pandemie ihre Beiträge zu senken – zum Beispiel, weil sie weniger Kilometer fahren oder Gewerbekunden Teile ihres Fuhrparks vorübergehend stillgelegt haben. Die Sachversicherung zeige sich insgesamt als stabil, da das Geschäft in wesentlichen Sparten wie Hausrat- oder Gebäudeversicherungen nicht abhängig von der Pandemie sei.

Pflegeversicherung: Einnahmen steigen um über 30 Prozent

Die Beitragseinnahmen der privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) haben sich 2020 um 3,8 Prozent auf 42,6 Milliarden Euro erhöht. 38,4 Milliarden Euro entfallen davon auf die Krankenversicherung, das ist ein Plus von 1,5 Prozent. In der Pflegeversicherung lagen die Einnahmen bei 4,2 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 31,2 Prozent entspricht. Im Wesentlichen wurde dies laut Verband durch Mehrleistungen im Zuge der gesetzlichen Pflegereformen verursacht. Auch der Vorsitzende des PKV-Verbandes, Ralf Kantak, erklärte, dass die Beiträge erst steigen dürften, wenn auslösende Faktoren vorlägen. Auch dem PKV-Verband seien geglättete Beitragserhöhungen wie in der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung lieber. Zur Erläuterung: Eine Beitragsanpassung darf in der Privaten Kranken- oder Pflegeversicherung nur erfolgen, wenn die Versicherungsleistungen in einem Tarif nachweislich um einen bestimmten Prozentsatz höher liegen als ursprünglich kalkuliert. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Prozentsatz von maximal zehn Prozent. In manchen Tarifen ist vertraglich ein niedrigerer Schwellenwert vereinbart. Ob eine entsprechende Abweichung vorliegt, kontrolliert ein unabhängiger Treuhänder. Im Beitragsvergleich mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schneide die PKV insgesamt aber nach wie vor sehr gut ab, so Kantak.

Zahl der Vollversicherten sinkt leicht

Die ausgezahlten Versicherungsleistungen der PKV haben im Vorjahr eine Höhe von 30,1 Milliarden Euro erreicht (+ 0,2 Prozent). Auf die Krankenversicherung entfallen davon 28,4 Milliarden Euro, auf die Pflegeversicherung 1,7 Milliarden Euro. Der Bestand aus Voll- und Zusatzversicherungen hat 2020 um mehr als 600.000 Versicherungen auf eine Gesamtzahl von 36 Millionen zugenommen. Das ist ein Plus von 1,8 Prozent. Im Einzelnen stieg die Zahl der Zusatzversicherungen um 2,4 Prozent auf 27,3 Millionen Menschen; die Zahl der Vollversicherungen nahm leicht ab um 0,1 Prozent auf 8,7 Millionen Menschen.

"Altersvorsorge braucht einen Neustart"

Weiler machte klar, dass die Altersvorsorge in Deutschland einen Neustart brauche. Die Politik habe bisher vor allem die erste Säule der Alterssicherung gestärkt, mit neuen Leistungen und damit zusätzlichen Lasten für die junge Generation. Im Sinne der Gerechtigkeit fehle ein Angebot für die jüngere Generation – die Stärkung der Eigenvorsorge. Die geförderte private Altersvorsorge müsse deutlich einfacher werden – bei der Zulagenförderung und bei den Produkten. Das Ziel: weniger Bürokratie und ein digital zu vermarktendes Standardprodukt mit abgesenkten Garantien, besseren Ertragschancen und weniger Kosten. Denn jeder dritte Deutsche würde gerne mehr vorsorgen, könne es sich aber nicht leisten und habe selten den vollen Durchblick. Deshalb forderte der GDV-Präsident wörtlich: "Packen wir die geförderte Altersvorsorge endlich genauso an wie die digitale Renteninformation, für die die Politik erfreulicherweise gerade die Grundlagen beschlossen hat. Die Verbände der Versicherer, der Fondsgesellschaften und der Bausparkassen haben deshalb gemeinsam den Fünf-Punkte-Plan vorgelegt."

Pandemie "nicht versicherbar"

Norbert Rollinger, Vorsitzender des Präsidialausschusses Risikoschutz für Gesellschaft und Wirtschaft, machte klar, dass die relativ kleine Sparte Betriebsschließungsversicherung (BSV) keine Pandemie-Versicherung sein könne. Eine Pandemie lasse sich privatwirtschaftlich nicht versichern. In einem GDV-Papier heißt es dazu: "Durch die Pandemie und ihre Eindämmung stehen signifikante Teile des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft still. Ein Risikoausgleich im Kollektiv und über  die  Zeit ist nicht möglich. Die Höhe einer risikogerechten Pandemie-Versicherungsprämie wäre prohibitiv hoch." Der GDV schlägt dazu zwei Modelle vor. Im ersten Fall soll eine Kapitalsammelstelle, die über die Zeit mit pauschalierten Abgaben einen Kapitalstock aufbauen und bei einer Infektionswelle  (weitgehend  pauschalierte) Leistungen auszahlen. Im zweiten Modell soll es ein stärker risikoorientiertes, von der Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts geprägtes System geben,  in  dem Betriebe auf einen festgelegten Zielschaden einzahlen, den sie ersetzt  bekommen wollen.

Die BSV nehme gesamt etwa 25 Millionen Euro Beiträge ein und versichere 20 Milliarden Euro an Risiken, erläuterte Rollinger. Sie habe bisher 900 Millionen Euro geleistet, entweder weil die Versicherungsbedingungen es hergeben oder als freiwillige Leistung nach dem bayerischen Modell (15 Prozent des Schadens). In fast allen gerichtlichen Auseinandersetzungen (Rollinger: "80 bis 90 Prozent") hätten im Übrigen die Versicherer obsiegt.

Autor(en): Bernhard Rudolf

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