Versicherungsspinnerei oder Kundenbindungsmittel?

Es klingt ziemlich phantastisch, ist aber Realität: Mit der Benzinpreisgarantie-Versicherung kann man sich gegen die derzeit eklatant steigenden Spritpreise versichern. Wieder eine von den Versicherungen, die kein Mensch braucht? Oder was sonst steckt dahinter? The Hullberry Insurance Company mit Sitz in Amsterdam und Zulassung für den deutschen Markt ist der Anbieter der Benzinpreis-Police, zu verkraftbaren Prämien den Super-Gau an der Super-Tanksäule finanziell einigermaßen im Griff zu behalten. Denn für einmalig 17,20 Euro (zzgl. 2,75 Euro Versicherungssteuer) ist man für ein Jahr lang „dagegen versichert“ (finanziell abgesichert), wenn der Preis einer vom Versicherungsnehmer benannten Benzinsorte eine zuvor festgelegte Marge übersteigt.

Nachhaltiger als ein Blumenstrauß
Was einige für Spinnerei abtun, macht für Versicherungs-Vermittler Werner F. Schneider aus Hannover Sinn. „Ich schenke meinen Kunden eine Benzinpreisgarantie-Versicherung, wenn ich jetzt im Jahresendgeschäft ihre Verträge in meinem Bestand verlängere, erneuere oder neu abschließe.“ Schneider sieht darin ein probates Mittel zur Kundenbindung, – nachhaltiger als ein Blumenstrauß und witziger als viele andere Werbemittel. Andere Marktteilnehmer finden es toll, dass jemand, der im Normalfall Versicherungen verkauft, auch einmal Versicherungen verschenkt.

Auch Autoverkäufer und Kfz-Ersatzteil-Lieferanten sind bereits auf den Zug aufgesprungen und setzen diese außergewöhnliche Versicherungspolice als Kundenbindungs-Mittel begeistert ein.

Was ist für 19,95 Euro Jahresprämie abgesichert?
Real ist das Preis-Limit für 1 Liter Normalbenzin derzeit festgelegt auf 1,339 Euro, für Superbenzin auf 1,369 Euro, SuperPlus 1,409 Euro und PKW-Diesel auf 1,219 Euro. Klettert der Spritpreis über diese Marken, erhält der Versicherungsnehmer den Differenzbetrag von The Hullberry Insurance Company (Deutsche Registriernummer bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: 7691) erstattet.

„Maßgeblich für unsere Versicherungsleistung ist ausschließlich der tatsächlich bezahlte Literpreis an der deutschen Tankstelle, an der Sie getankt haben. Selbst, wenn die gleiche Benzinsorte in anderen Regionen Deutschlands billiger zu erhalten wäre“, erklärt Knut K. Eicke – zusammen mit Antje Mühle Chef der Hullberry Insurance – das Konzept. Der Versicherer zahlt und versichert – per Jahresvertrag – ein Maximum von 2.000 Litern bei maximal einer Tankfüllung (Quittung) pro Tag.

Knut Eicke kommt aus dem Börsengeschäft. Vor zwanzig Jahren sattelte er um und packt – seit er 1985 von der niederländischen sowie deutschen Aufsichtsbehörde die Zulassung zum Versicherungsbetrieb erhielt – immer wieder sein Ideen-Potenzial in handwerklich saubere Versicherungspolicen für bestimmte Ausnahme-Risiken des alltäglichen Lebens. „Es handelt sich nicht um eine Strohfeuer-Idee. Wir, die verrückteste Versicherungsgesellschaft der Welt, haben für jeden Anlass die richtige Police“, sagt er mit einem Augenzwinkern und verweist auf die „Im-Kreißsaal-in-Ohnmacht-Fallen“-Police, den „Alien-Kidnapping“-Tarif, die „Lotto-Pech-Police“ oder die „Fußball-Bundesliga-Abstiegs-Enttäuschungs“-Versicherung.

Keine Investoren – keine Publikations-Pflicht
Sein Konzept sei aufgegangen, erklärt Eicke. Ohne externe Investoren, ohne Teilname am Kapitalmarkt hat sich die Hullberry Company zu einer kleinen soliden Versicherungs-Gesellschaft entwickelt, die nicht publikationspflichtig ist, aber doch mit Umsatz- und Provisionszahlen im sieben- bis achtstelligen Bereich erfolgreich am Markt agiert. Eicke versteht sein Unternehmen als Kontrapunkt zum häufig schwerfälligen und todernsten Geschäft anderer Assekuranz-Unternehmen. „Wir machen keine Knebelverträge, weil wir nur einmalige Jahresverträge abschließen. Alle Risiken, die wir versicherungstechnisch managen, sind nicht manipulierbar“, erklärt der gebürtige Berliner.

Für seine Policen, auf der Homepage im Internet (http://www.hullberry.com/) sind an die dreißig Tarife aus unterschiedlichen Bereichen aufgelistet, setzt Eicke Jahresprämien zwischen 12 und 45 Euro an. Die Bandbreite reicht vom Frust im Alltag (Versicherung dagegen, dass man/frau innerhalb eines Monats mehr als fünf Parktickets von der Polizei bekommt) bis hin zum finanziellen Ausgleich, wenn man/frau im Lift stecken bleibt.

Wie Lloyd’s Versicherungen für den kleinen Mann
Sicherlich ein Gag – aber ein liebenswerter, der im bezahlbaren Rahmen bleibt und dem Image der Branche keinen Schaden zufügt, lautet das Urteil Vieler, die auf den ersten Blick spöttisch die Nase über die Aktivitäten des „Lloyd’s Versicherers für den kleinen Mann“ rümpften.

Es ist Knut Eicke anzumerken, dass er gern das angenehme mit dem Nützlichen verbindet. Seine Freunde sehen in seiner Versicherungsgesellschaft für ungenormte Risiken ein bemerkenswertes Unternehmen, das auf ganz andere Art mit seinen fröhlichen Sir Huckleberry Verschenk-Policen „als buntes Gänseblümchen auf dem ansonsten grauen Felde des Versicherungswesens“ agiert.

Für Lotto-Pech bis zu 4.500 Euro ausbezahlt
Dass die Gesellschaft nicht nur eine Geldeinnahme-Quelle darstelle, sondern sich auch der Verantwortung stellt, verstehe sich von selbst, ergänzt Eicke. Und natürlich musste die Versicherung auch schon ordentlich leisten. Für so manchen bei ihm versicherten Lottospieler musste die Hullberry Insurance nach einem Jahr zwischen 2.500 und 4.500 Euro (Jahresprämie ab 12 Euro) berappen, weil innerhalb von 52 aufeinanderfolgenden Wochen nicht einmal zwei Richtige auf der feststehenden Tipp-Reihe zu finden waren.

Ganz dick kam es in den Jahren, als Olympioniken wie Ben Johnson und Co. durch ihr Doping so manche Gold-Medaille und olympische Rekorde zum Schmelzen brachten. Diese Manipulation waren für Knut Eicke und Antje Mühle zuvor nicht absehbar. Deshalb hatten sie Versicherungs-Policen angeboten, die den sportlichen Erfolg und/oder Misserfolg einer Nation gegenüber Sportbegeisterten sicher machten. Eicke: „Da haben große Summen – bis 100.000 Dollar – an unsere Versicherungsnehmer auszahlen müssen.“ Das war aber auch gleichzeitig ausschlaggebend dafür, dass nie mehr manipulierbare Situationen bei Hullberry versichert werden können.

Autor(en): Marianne Storck

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