Versicherungsvertrieb: Totgesagte leben länger

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Der 22. Fachkongress zum "Versicherungsvertrieb der Zukunft" des MCC – Management Center of Competence in Köln bot informationsreiche Vorträge und teilweise launige Diskussionsrunden. Im Mittelpunkt des längeren Kongresstages standen neue regulatorische Rahmenbedingungen, mögliche Lösungen für den Personalnotstand der Branche und der Innovationsdruck durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI).

Nachdem AfW-Vorstand Norman Wirth den aktuellen Stand bei der EU-Kleinanlegerstrategie skizziert hatte, stellte Gunbritt Kammerer-Galahn, Fachanwältin für Versicherungsrecht bei Taylor Wessing, die KI-Verordnung der EU (AI Act) ausführlich vor und gab Einschätzungen dazu, wie sie sich auf den Vertrieb auswirken könnte. Ihre Anmerkung, dass es neben der BaFin auch noch weitere Aufsichtsbehörden bei KI in der Finanzwirtschaft geben könnte, sorgte im Publikum für hörbaren Unmut.

Politikverdruss und Nachwuchsprobleme

BVK-Präsident Michael H. Heinz kündigte schon zu Beginn seines Vortrags an, dass er wenig Gutes zu berichten habe. Um Nachwuchs für die Versicherungsbranche zu gewinnen, funktioniere ein "weiter wie bisher" nicht mehr, so seine Aussage. Auch sei der Beruf des Versicherungsvermittlers durch die Politik in Verruf geraten. Dass die Zahl der Vertriebler in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist, und dies nicht nur in Deutschland, sondern europaweit, ist kein Geheimnis. Ein gewichtiger Grund dafür sei auch das steigende Bevölkerungsalter, so Heinz.

Thomas Bittner, Geschäftsführer von Organomics, stellte die Auswertung einer Befragung mehrerer junger Zielgruppen zur Attraktivität des Versicherungsvertriebs als Arbeitsplatz vor. Dabei zeigte sich, dass sich unter Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden noch häufig die Meinung hält, Versicherungsmakler sei ein langweiliger Beruf. Viele Versicherer würden dabei in Stellenanzeigen nicht hinreichend die positiv bewerteten Seiten des Berufs – vor allem gute Bezahlung und große Jobsicherheit – hervorheben.

Moderator Hans-Wilhelm Zeidler konfrontierte die Redner teilweise mit fordernden Fragen. Ralf Berndt, Vorstand der Stuttgarter Versicherung, entgegnete auf Zeidlers Aussage, dass die Versicherungsbranche als ganzes „viel zu altmodisch“ sowie langsam in der Transformation sei und Projekte wie BiPRO nur "ein Feigenblatt" darstellten damit, dass "der Druck bisher noch nicht hoch genug" war. Inzwischen habe die Branche es aber verstanden und mache gute Fortschritte.

Digitalisierung und KI weiter allgegenwärtig

Das momentan omnipräsente Thema KI wurde ebenso in vielen Vorträgen erwähnt. Besonders Allianz-Vorstand Rolf Wiswesser zeigte sich für die Zukunft des personengebundenen Vertriebs zuversichtlich. Dieser sei schon beim Aufkommen des Internets zu Unrecht abgeschrieben worden. Das geschehe gerade auch beim KI-Boom. Wiswessers Antwort auf die Abgesänge: "Das werden wir ja sehen." Zu Prognosen, dass KI-Chatbots und -Sprachprogramme bald bis zu 80 Prozent des Vertriebs übernehmen könnten, sagt er, das sei "völlig unrealistisch".

Wichtig für die Zukunft des Vertriebs sei vor allem die digitale Kundenschnittstelle. Hier wäre die Versicherungsbranche noch nicht auf der Höhe der Zeit. Als Vorbild könnten sich die Versicherer einen der Tech-Giganten nehmen. "Der Standard für eine digitale Schnittstelle ist das, was Amazon macht", so Wiswesser. In diesem Punkt stimmte er mit seinem Vorredner Berndt überein.

Marcus Rex, CSO/CMO der JDC-Gruppe, sprach über den Wandel der Vertriebskanäle hin zur Digitalität und betonte die "krasse Komplexität", mit der Vermittler heute arbeiten müssten. Auch aufgrund dieser Komplexität gehe er davon aus, dass sich die kleinen Vermittlerbüros künftig nach und nach zu größeren Organisationen zusammenschließen müssten.

Szenenapplaus zum Schluss

Im letzten Vortrag des Tages erläuterte Frank Kettnaker, Vorstandsmitglied der ALH-Gruppe, wie der Versicherer den demographisch bedingten Veränderungen im Vermittlermarkt begegnet. Das hohe Durchschnittsalter der Ausschließlichkeitsvermittler habe zu einem beständigen Bestandsverlust geführt. Das Motto diesbezüglich laute: "Was du nicht verhindern kannst, musst du beschleunigen."

Deshalb habe die Alte Leipziger zusammen mit der Vfm-Gruppe ein Kooperationsmodell erstellt, bei der aus Ausschließlichkeitsvermittlern Mehrfachagenten wurden, die je nach Bedarf nun immer mehrere Ansprechpartner hätten. Dadurch konnte laut Kettnaker weiterer Bestandsverlust effektiv unterbunden werden.

Launiger Höhepunkt des Tages war die abschließende Diskussionsrunde zu der Frage, ob die Versicherungsbranche den Innovationszug verschlafen habe. Bei dieser nahm Kettnaker, von Zeidler getriezt, energisch das Heft in die Hand und erntete Szenenapplaus. Das eigentliche Thema geriet dabei kurzzeitig in den Hintergrund.

Letztlich machte sich am Ende des Kongresstages das Gefühl breit, dass die aktuellen Herausforderungen für die Branche noch lange nicht überwunden sind. Trotz allem bestand aber eine gewisse Zuversicht, dass der personengebundene Vertrieb auch in Zukunft Bestand hat.

Autor(en): Frederik Schmidt

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