Wann die gesetzliche Witwen- und Witwerrente gekürzt wird

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Rund jedem zweiten Bezieher einer gesetzlichen Witwen- oder Witwerrente wird die Rente ganz oder teilweise gekürzt. Denn überschreitet das Einkommen eines Hinterbliebenen, das er zusätzlich zur gesetzlichen Witwen-, Witwer- oder Erziehungsrente verdient, einen bestimmten Freibetrag, kann es durch eine Einkommensanrechnung zu einer Rentenkürzung kommen. Dieser Freibetrag hat sich zum 1. Juli 2021 für die Rentenbezieher in Ostdeutschland erhöht, während er für westdeutsche Hinterbliebene gleichgeblieben ist.

Die gesetzlichen Witwen-, Witwer- oder Erziehungsrente unterliegt gemäß § 97 SGB VI ab dem vierten Monat nach dem Tod des Ehepartners der so genannten Einkommensanrechnung. Wer neben dieser Hinterbliebenenrente sonstige Einkünfte hat, die über einen bestimmten Freibetrag liegen, muss mit einer Kürzung seiner Rentenbezüge rechnen. Die Höhe des Freibetrages berechnet sich aus dem 26,4-Fachen des aktuellen Rentenwerts. Dieser Freibetrag beträgt für Hinterbliebene in den alten Bundesländern seit dem 1. Juli 2020 902,62 Euro. In den neuen Bundesländern wurde dagegen der Freibetrag zum 1. Juli 2021 von 877,27 Euro auf 883,61 Euro angehoben. Die Ursache dafür ist die Änderung des Rentenwertes zum 1. Juli 2021 in Ost- nicht jedoch in Westdeutschland. Eine Änderung des Rentenwertes und damit des Freibetrages gibt es voraussichtlich wieder zum 1. Juli 2022.

Höherer Rentenwert und damit höherer Freibetrag nur in Ostdeutschland

Wer eine Hinterbliebenenrente hat, erhält zudem für jedes Kind, das eine gesetzliche Waisenrente bezieht, zusätzlich zum genannten Freibetrag 191,46 Euro in West- und 187,43 Euro in Ostdeutschland. Dieser Zuschlag berechnet sich aus dem 5,6-Fachen des aktuellen Rentenwertes. Auch hier ist der Freibetrag je Kind in den alten Bundesländern gegenüber dem Vorjahr gleichgeblieben, während der in den neuen Bundesländern gestiegen ist.

Der Rentenwert, der maßgeblich die Höhe des Freibetrages bestimmt, wird gemäß § 68 SGB VI jeweils zum 1. Juli eines Kalenderjahres angepasst. Die Höhe der Anpassung richtet sich unter anderem nach der Änderung der Arbeitnehmerlöhne des Vorjahres gegenüber dem vor Vorvorjahr.

Wäre es nur nach der Lohnänderung gegangen, hätte der Rentenwert und damit der Freibetrag reduziert werden müssen, denn die Löhne sind in 2020 im Vergleich zu 2019 in den alten Bundesländern um 2,34 Prozent und in den neuen Bundesländern um 0,14 Prozent gesunken. Aufgrund einer Schutzklausel, die in der gesetzlich geregelten Anpassungsformel enthalten ist, wird der Rentenwert auch bei einer negativen Lohnentwicklung nicht reduziert.

Damit bleibt seit dem 1. Juli 2020 bis voraussichtlich zum 1. Juli 2022 in Westdeutschland der bisherige Rentenwert unverändert bei 34,19 Euro. Anders in Ostdeutschland: Aufgrund der gesetzlich festgelegten schrittweisen Angleichung der Renten von Ost- und Westdeutschland stieg hier der Rentenwert trotz einer negativen Lohnänderung am 1. Juli 2021 sogar von 33,23 Euro auf 33,47 Euro.

Ermittlung des anrechenbaren Einkommens

Ob es zu Abzügen bei der Hinterbliebenenrente kommt, hängt nicht nur von der Höhe des zusätzlichen Einkommens zur Rente, sondern auch von der Art der Einkünfte ab. Nachfolgend einige Einkommensarten gemäß § 18a SGB VI, die nicht als Hinzuverdienst angerechnet werden und damit nicht zur Überschreitung des Freibetrages führen können:

  1. Erträge einer staatlich geförderten Altersvorsorge wie einer Riester- oder Rürup-Rente,
  2. weitere Hinterbliebenenrente, zum Beispiel aus der betrieblichen Altersvorsorge des Verstorbenen
  3. Pflegegeld für pflegende Angehörige der gesetzlichen Pflegeversicherung sowie
  4. bedarfsorientierte Leistungen wie Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe, Wohngeld sowie Leistungen nach dem Bundesausbildungs-Förderungsgesetz( kurz BAföG).

Die Einkommensarten, die zur Überschreitung des Freibetrages führen können, unterliegen laut § 18b SGB IV zudem nur anteilig der Einkommensanrechnung. Das heißt, je nach Einkommensart wird vom Bruttoeinkommen ein gesetzlich festgelegter pauschaler Anteil abgezogen, um das anrechenbare Nettoeinkommen zu ermitteln. Beispiele für Einkommensarten, für die pauschal ein Anteil vom Bruttoeinkommen abgezogen wird, um das Nettoeinkommen für eine Einkommensanrechnung zu ermitteln:

  1. Gehalt oder Kurzarbeitergeld eines Arbeitnehmers abzüglich 40,0 Prozent (bei Alterseinkünfte als Altersrentenbezieher abzüglich 30,5 Prozent),
  2. Gewinn eines Selbstständigen abzüglich 39,8 Prozent,
  3. Renten aus der berufsständischen Versorgung abzüglich 29,6 Prozent,
  4. Beamtenbezüge abzüglich 27,5 Prozent,
  5. Einnahmen aus Kapitalvermögen, aus Vermietungen und Verpachtungen abzüglich jeweils 25 Prozent,
  6. gesetzliche Alters- und Erwerbsminderungsrenten abzüglich14,0 Prozent,
  7. Betriebsrenten abzüglich 14,5 Prozent oder 23,0 Prozent sowie
  8. Renten aus privaten Lebens-, Renten- und Unfallversicherungen abzüglich 12,7 Prozent.

Sind die so ermittelten Nettoeinkünfte insgesamt höher als der Freibetrag für den Hinzuverdienst, kommt es zu einer Rentenkürzung. Konkret werden dann 40 Prozent der Nettoeinkünfte, die den Freibetrag überschreiten, von der Hinterbliebenenrente abgezogen.

Beispielrechnung: Eine kinderlose Witwe mit Wohnsitz in den alten Bundesländern hat eine gesetzliche Witwenrente in Höhe von 800 Euro und ein Bruttoarbeitseinkommen von 3.000 Euro. Der anrechenbare Nettohinzuverdienst beträgt somit 1.800 Euro (3.000 Euro minus 40 Prozent). Ihr anrechenbares Einkommen überschreitet damit ihren Freibetrag von 902,62 Euro um 897,38 Euro. Die Witwenrente wird dementsprechend um 40 Prozent dieses darüber liegenden Betrages, und damit um 358,95 Euro reduziert. Die Rentenhöhe nach der Einkommensanrechnung beträgt damit 441,05 Euro.

Über 2,5 Millionen Hinterbliebenen wurde 2020 die Rente gekürzt

Änderungen der Einkommenshöhe werden bei einer Einkommensanrechnung zum nächsten 1. Juli berücksichtigt. Reduziert sich der Hinzuverdienst oder fällt komplett weg, entfällt auch der Rentenabzug anteilig oder komplett. Die Rentenhöhe kann jedoch auch vor dem nächsten 1. Juli angepasst werden, sofern sich das Einkommen um zehn Prozent verringert hat und der Bezieher der Hinterbliebenenrente dem Rentenversicherungs-Träger zeitnah einen entsprechenden Nachweis einreicht.

Statistiken der Deutschen Rentenversicherung belegen, wie sich die Einkommensanrechnung auswirkt: Insgesamt erhielten von den knapp 5,83 Millionen Personen, denen letztes Jahr eine gesetzliche Witwer- oder Witwenrente zugestanden hätte, fast 564.500 Hinterbliebene keine Rente ausbezahlt, da ihr Einkommen zu einer kompletten Rentenkürzung geführt hat. Über 1,94 Millionen Hinterbliebene wurde zudem die Witwer- oder Witwenrente teilweise gekürzt, da ihr anrechenbares Einkommen über dem Freibetrag lag.

Bezieher von Waisenrenten dürfen unbegrenzt hinzuverdienen

Da es bei der Einkommensanrechnung diverse Vorgaben und Ausnahmeregelungen gibt, inwieweit die verschiedenen Einkunftsarten tatsächlich zu Rentenabzügen führen können, ist es für Bezieher einer Hinterbliebenenrente, die dazuverdienen wollen oder müssen, sinnvoll, sich bei der zuständigen Beratungsstelle der gesetzlichen Rentenversicherung zu informieren. Einen Überblick zu den Regelungen bietet die kostenlos downloadbare Broschüre "Hinterbliebenenrente: So viel können Sie hinzuverdienen" der Deutschen Rentenversicherung.

Übrigens für Bezieher einer gesetzlichen Waisenrente gibt es seit 2015 keine Einkommensanrechnung mehr. Sie können ohne Rentenkürzung unbegrenzt hinzuverdienen.

Autor(en): Marion Zwick

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