Was auf Vermittler nach der Wahl zukommen kann

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Ende September wird ein neuer Bundestag und damit eine neue Regierung gewählt. Ginge es nach den Versicherungsmaklern, bekäme Deutschland eine Regierung mit einer klaren marktwirtschaftlichen Orientierung. Laut einer Umfrage des AfW Bundesverbands Finanzdienstleistung von Juli 2021 würde die FDP mit 46 Prozent der Maklerstimmen fast die absolute Mehrheit gewinnen. Juniorpartner wäre der Befragung zufolge die CDU/CSU mit 23 Prozent.

In der September-Ausgabe von Versicherungsmagazin präsentieren wir Ihnen in der Titelgeschichte die Positionen der einzelnen Parteien und was sich für die Vermittler bei einer neuen politischen Konstellation ändern könnte.

Hier veröffentlichen wir ab heute und in den kommenden Tagen Interviews mit den Mitgliedern der jeweiligen Finanzausschüsse. Heute mit Peter Weiß, dem rentenpolitischen Sprecher der CDU.

Die gesetzliche Rentenversicherung hat ein Finanzierungsproblem, das sich auch noch massiv ausweiten wird. Dies ist bereits seit längerer Zeit bekannt. Wie sehen Ihre Pläne für die gesetzliche Rente aus?
Die gesetzliche Rentenversicherung hat momentan kein Finanzierungsproblem. Das Rentensystem und die Altersvorsorge haben sich grundsätzlich bewährt und wir haben viele Reformschritte schon in der Vergangenheit unternommen. Derzeitig ist der Rentenbeitrag mit 18,6 Prozent stabil und die Nachhaltigkeitsrücklage gut gefüllt. Akuter Handlungsbedarf besteht noch nicht und wenn dann anders: Wichtiger als eine Regelaltersgrenze und demographische Fragen ist eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung und dass wir rasch aus der Pandemie heraus kommen.

Die Riester-Rente muss reformiert werden. Was planen Sie für diese Vorsorgeform?
Einen Neustart wünschen wir uns für die betriebliche und private Altersvorsorge, weil es hier an einer hinreichenden Verbreitung mangelt. Neben neuen innovativen Produkten braucht es hier auch mehr Verbindlichkeit. Der Koalitionsvertrag hatte vorgesehen: Es ist ein Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anzustoßen mit dem Ziel einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts. Die Riester-Rente steht leider unter keinem guten Stern und der Dialogprozess war insofern nicht erfolgreich.

Der Finanzminister ist leider unserer Bitte nicht nachgekommen, einen Gesetzentwurf für die Reform der Riesterrente vorzulegen. Daran muss also in der kommenden Wahlperiode weitergearbeitet werden. Der Kreis der Förderberechtigten kann zB auf alle unbeschränkt Steuerpflichtigen ausgedehnt werden, es kann ein Standartprodukt ohne Abschlusskosten definiert und das Förderverfahren vereinfacht werden, zum Beispiel in eine reine Zulagenförderung umgewandelt werden.

Auch bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) muss nachgebessert werden, weil das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) die gewünschten Effekte nicht vollständig erbracht hat. Außerdem wird der Höchstrechnungszins zum Jahreswechsel auf 0,25 Prozent gesenkt, was dann Produkte mit einer 100-prozentigen Beitragsgarantie unmöglich macht. Wie sehen Ihre Vorstellungen für die Betriebsrente aus?
Zwar sehen wir auch mit einer gewissen Besorgnis die beschriebene Entwicklung der vergangenen Jahre, gehen aber auch davon aus, dass dies kein Dauerzustand sein wird, zumal die Inflation leicht anzieht. Altersvorsorge und Betriebsrenten sind sehr langfristige Anlagehorizonte von zumeist über 20 Jahren, die verschiedene Epochen der Geldmarktpolitik durchleben. Dh nur zeitweise leiden sie unter den fraglichen Kritikpunkten, wie niedrige Zinsen. Die Rendite hängt am Ende immer von verschiedenen Faktoren ab. Hohe Zinsen bei hoher Inflation bringen nicht notwendigerweise mehr ein. Umgekehrt gibt es aktuell immer noch renditestarke Anlagen auf dem Kapitalmarkt.

Wir diskutieren hierzu auch Anlagemöglichkeiten in der Altersvorsorge ohne oder mit geringeren Garantien, die auch in der Niedrigzinsphase etwa auf den Aktienmärkten geringeren Garantien, die auch in der Niedrigzinsphase etwa auf den Aktienmärkten ertragreich sein können. Auch die Entwicklung neuer Standardprodukte wird diskutiert. Da die Deutschen aber Garantien lieben, sollte man sie nicht abschaffen, sondern neben solchen mit Garantien auch solche ohne diese anbieten können, also Wahlfreiheit für den Versicherten.

Befürworten Sie eine Bürgerversicherung und warum (nicht)?
Laut dem Konzept der Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung sollen die bestehenden Ungerechtigkeiten beendet werden und alle Bürgerinnen und Bürger sollen unter der Berücksichtigung aller Einkunftsarten in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Die Berücksichtigung aller Einkünfte ist jedoch nicht zielführend. Zu berücksichtigen ist die gewachsene Struktur der Altersvorsorge in den verschiedenen Systemen. Bei dem Vorschlag ist auch unklar, ob die Einkünfte aller Steuerpflichtigen, also auch die der Rentner herangezogen werden und wie es um gegen zurechnende Verluste steht. Unklar bleibt, wie sich dies auf das Gesamtgefüge der Wirtschaft auswirkt. So kann es sein, dass zum Beispiel am Ende Mieter draufzahlen müssen, wenn Mieteinnahmen beitragspflichtig werden und dies zu Mieterhöhungen führt.

Auch bei der Einbeziehung von Beamten ist vieles nicht so einfach wie gedacht, angefangen von verfassungsrechtlichen Fragen, über Finanzierungsprobleme in der Übergangsfrage bis hin zur Sinnhaftigkeit. Einzig sinnvoll erscheint die Einbeziehung ungesicherter Selbstständiger. Ein Opt-Out ist nur möglich, wenn eine ausreichende Altersvorsorge gemäß Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vorliegt. Die Höhe der Altersvorsorge muss mindestens dem Arbeitnehmer- sowie Arbeitgeberanteil in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen und mindestens vergleichbare Leistungen bieten. Die Beitragsbemessungsgrundlage ist der steuerliche Gewinn. Ferner sollten die Altersvorsorgeprodukte gemäß Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz schwankende Einkünfte abdecken. Für Gründer soll es außerdem Übergangsfristen und Ausnahmetatbestände geben.

Sind Sie für die Einführung eines Provisionsdeckels beziehungsweise Provisionsverbots im Versicherungsvertrieb und warum (nicht)?
Wir haben in der Koalition lange um die Frage eines Provisionsdeckels gerungen. Wir in der Union haben diesen kritisch gesehen, das dürfte bekannt sein. Grundsätzlich stehen wir für einen Erhalt der provisionsbasierten Beratung. Ein Verbot wollen wir nicht. Wir dürfen allerdings nicht übersehen, dass es generell bezogen auf Kapitalmarktprodukte eine vielfältige Rechtsprechung zu Vertriebs- und Abschlusskosten wie auch Diskussionen um die Angemessenheit von Provisionen gegeben hat. Je nach dem wer mit wem demnächst regieren wird, dürfte die Diskussion noch nicht zu Ende sein.

Wie schätzen Sie die Stimmen von Kritikern an der Bürgerversicherung und am Provisionsdeckel beziehungsweise Provisionsverbot ein, dass dadurch Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche verloren gehen und weniger Kunden eine Beratung zum Thema Versicherung in Anspruch nehmen, wie das Beispiel Großbritannien gezeigt hat?
Die Verhältnisse in anderen Ländern lassen sich nicht unbesehen auf unsere Verhältnisse übertragen, aber wir verstehen die Sorgen durchaus. Eine Bürgerversicherung ist von uns nicht gewollt. . Den Vorteil in der unabhängigen, wenn auch provisionsbezogenen Vermittlung und Beratung sehe ich, dass hier im Interesse der Kunden das optimale Produkt gefunden werden kann. Das sollte stärker herausgestellt werden. Denn damit verbunden ist auch eine Wertschätzung des Versicherungs- und Vermittlerberufes, wenn er ordentlich und verantwortungsvoll ausgeübt wird.

Das Interview führte Jan F. Wagner, freier Finanzjournalist aus Frankfurt.

Hinweis: Zum Zeitpunkt der Drucklegung der Septemberausgabe des Versicherungsmagazins, für die dieses Interview geführt wurde, lagen CDU/CSU noch in den Umfragen vorn. Das hat sich mittlerweile geändert, nun führt die SPD vor der Union.

 

Autor(en): Jan F. Wagner

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