"Welche Krise?"

"Krise – welche Krise?" lautete das Thema eines Fachgesprächs des Versicherungsnetzwerks in Berlin. Das Ergebnis: Die eher konservative Anlagepolitik der Versicherer hat schlimmeres für die Branche verhindert.

Zwar haben die Versicherer weder ursächlich etwas mit der Finanzkrise zu tun noch haben sie sie beschleunigt – vollständig entziehen können sie sich ihr jedoch auch nicht, schätzt der Leiter der Abteilung Kapitalanlage beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Dirk Schlotermeyer, die Lage ein. Insgesamt erwartet er, dass die Krise vor allem die Banken noch bis weit in das Jahr 2009 hinein beschäftigen und belasten wird. Vor allem, weil aufgrund der kurzen Zinsbindungsfristen bei USA-Immobilienkrediten weitere Kredite zinsmäßig angepasst werden müssten, habe der Markt nach wie vor keinen Boden gefunden. Dabei würden sich die Werteverluste in den USA und in Europa bis jetzt in etwa die Waage halten.

Versicherer haben kaum ABS im Portfolio
Die durchschnittliche Asset Allocation, also die Aufteilung des angelegten Vermögens, der deutschen Versicherer umfasste Ende vergangenen Jahres 11,3 Prozent Aktien, 70,0 Prozent Renten und 18,7 Prozent andere Anlagen. Inzwischen, so Schlotermeyer, sei der Aktienanteil wahrscheinlich noch weiter gesunken. Positiv mache sich zudem bemerkbar, dass Aktieninvestments vorwiegend in Europa getätigt werden, Renten überwiegend in Euro.

Betrachte man die Anlagen deutscher Versicherer in alternative Investments, so sei im Bereich der verbrieften Kredite (Asset Backed Securities, ABS) deutliche Zurückhaltung zu spüren. Seit Jahren relativ konstant sei ein Anteil von 1,5 Prozent an dieser Assetklasse. Hiervon stammten, so Schlotermeyer, nur rund zehn bis 20 Prozent aus dem Bereich Subprime. "Deutschland liegt damit in Europa ganz am Ende der Stange."

Geringer Abschreibungsbedarf
Eine noch geringere Rolle spielen Hedge Fonds (0,2 Prozent), Private Equity (0,9 Prozent) und High Yields (0,4 Prozent). Ingesamt ergab sich somit für deutsche Versicherer ein relativ geringer Abschreibungsbedarf in "niedriger dreistelliger Millionenhöhe". Bei der Allianz beruhte dieser mehrheitlich auf Geschäfte der Tochter Dresdner Bank.

Indirekte Folgen spürbar
Dennoch gibt es indirekte Auswirkungen vor allem durch die Zinsentwicklung. So seien die stillen Reserven der Unternehmen weitgehend abgeschmolzen, dafür aber stille Lasten aufgebaut worden. Ingesamt seien die Bewertungsreserven gering.

Die Reaktion der Notenbanken in der Folge der Krise gab nach Meinung Schlotermeyers einerseits Stabilität und sandte "gute Signale an den Markt". Sie verspreche aber andererseits auch eine gefährliche Sicherheit. Er kritisierte die Informationspolitik der Banken gegenüber Aufsicht und Aktionären als unzureichend.
Zudem sei die Aufteilung der in Deutschland tätigen Aufsichtsbehörden mit unterschiedlichen Kompetenzen in BaFin (Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht), Bundesbank und Finanzministerium hinderlich.

Aufsicht und Reporting müssen sich ändern
Vom Memorandum der EU-Finanzminister, grenzüberschreitende Kooperationen zwischen den Aufsichtsbehörden zu starten, verspricht sich Schlotermeyer zumindest "graduelle" Verbesserungen. Außerdem werde auf europäischer Ebene an neuen Standards für Banken und Versicherungen gearbeitet, was das Reporting an Aufsichtsbehörden betrifft. Hier gebe es Definitionsbedarf.

Zudem werde darüber diskutiert, welche Kapitalanforderungen es künftig bei Verbriefungen geben sollte. Die Europäische Kommission habe vorgeschlagen, dass künftig nur solche ABS gekauft werden dürfen, bei denen der Originator, also der Verkäufer der Forderungen, mindestens zehn Prozent des Bestandes bei sich behält, um nicht das Interesse daran zu verlieren.

Autor(en): Elke Pohl

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