Wenig Licht und viel Schatten

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Mitte Juli war es soweit: Der Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ liegt vor. Doch in der Versicherungsbranche macht sich zunehmend Enttäuschung breit.

Derzeit sorgen mehrere Krisen, vor allem die hohe Inflation, für Probleme bei den privaten Haushalten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. So gaben in einer aktuellen Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung bereits 39,3 Prozent der Befragten an, dass sie 2022 auf Ersparnisse und Vermögen zurückgegriffen haben, um angesichts der hohen Inflationsraten tägliche Ausgaben decken zu können. Dabei wurden auch Finanzanlagen wie Fonds, Aktien und sogar bestehende Altersvorsorgeverträge wie Lebensversicherungen und Riester-Renten aufgelöst. Die private Altersvorsorge ist also direkt von der Sparfähigkeit der Menschen abhängig. Umso wichtiger ist für Bezieher von Niedrigeinkommen eine staatliche Förderung bei der privaten Altersvorsorge.

Staatsfonds ist wohl vom Tisch

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Bundesregierung an den Vorschlägen der Expertenkommission orientieren wird, wenn es um die Reform der Altersvorsorge geht. Positiv vorweg: Es soll keinen öffentlich verantworteten Vorsorgefonds oder ein Standardprodukt für die private Altersvorsorge geben. Wie erklärte es Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Investment, so schön: In der sozialen Marktwirtschaft setzt der Staat die Regeln und ist Schiedsrichter. Sobald der Schiedsrichter selbst mitspielt, ist der Wettbewerb verzerrt und nicht marktwirtschaftlich.

Riester-Rente wäre reformierbar gewesen

Ziel der Fokusgruppe war, eine Förderung der privaten Altersvorsorge über ergänzende Zulagen, die untere Einkommensgruppen, junge Menschen und Personen mit Kindern gezielt adressiert. Ein guter Ansatz, aber hatten wir das nicht schon bei der Riester-Rente? Zur Erinnerung: Die im Rahmen der Riester-Förderung eingeführte Zulagensystematik stellt die einzige vom Steuersatz unabhängige staatliche Förderung dar, also für Niedrigverdiener essenziell.

Doch weiter im Text des Abschlussberichtes: Die Reform der privaten Altersvorsorge sollte möglichst einfach, transparent, flexibel, und dennoch renditestark gestaltet und gut erklärbar sein. Zentral dafür sei ein leicht verständliches Produktdesign. Das wäre auch bei der Riester-Rente schön gewesen. Aber war es nicht der Gesetzgeber selbst, der sie mit vielen komplexen Vorgaben und Zulagebestimmungen belastete? Und ist es nicht die vom Gesetzgeber selbst seinerzeit vorgeschriebene 100-prozentigen Beitragsgarantie gewesen, die diese Form der geförderten Altersvorsorge zum Niedergang führte? Das hätte man locker heilen können. So wurde aber ein eingespieltes System durch Nichtstun des Gesetzgebers zerstört.

Wenigstens soll es einen Bestandsschutz für Altverträge geben. Die bisherige Riester-Rente soll nun durch eine neue geförderte Form der Altersvorsorge ersetzt werden. Positiv ist: Die Riester-Zulagenförderung soll nach den Ergebnissen der Fokusgruppe insgesamt beibehalten und auf Selbständige ausgeweitet werden.

Von 100 Prozent Garantie auf Null

Besonders stört die Versicherungsbranche, dass bisherige Garantie- und Verrentungsverpflichtungen nicht mehr obligatorisch sein sollen, so dass Kunden die Möglichkeit haben, ihre Präferenzen hinsichtlich Sicherheit oder Kapitalmarktchancen frei zu wählen. Heißt: Von einer 100-prozentigen Beitragsgarantie soll es zu einer Nullgarantie kommen. Heftige Kritik kommt dazu von den Aktuaren, sonst nicht gerade für deftige Wortwahl bekannt. Sie bezeichnen die Vorschläge der Fokusgruppe Altersvorsorge als Pläne zur „staatlich geförderten Altersarmut“. Die vorgeschlagene Gleichstellung der Rente mit zeitlich befristeten Auszahlungsplänen würden bedeuten, den zentralen Kerngedanken von Altersvorsorge aufzugeben.

Private Altersvorsorge ohne Lebensversicherer?

In den sozialen Medien stellt man sich die Frage, ob die Zukunft der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge ohne die Lebensversicherungsbranche stattfinden wird. Vor allem, weil der Bericht zum Ergebnis kommt, dass „auf eine verpflichtende, in der Höhe konstante oder steigende Absicherung des Langlebigkeitsrisikos“ verzichtet werden kann. Das ist nicht nachvollziehbar! Auszahlpläne, bei denen die Länge der Auszahlungsphase so bemessen ist, „dass sie in der Regel einen hohen Anteil der erwarteten Rentenzeit abdeckt“, auf Deutsch nicht bis ans Lebensende reichen, werden als gleichwertig zu einer lebenslangen Rente angesehen. Nicht sachgerecht, denn was machen Menschen, wenn am Ende des Geldes noch Leben übrig ist?

Autor(en): Bernhard Rudolf

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