Wenn der Flieger wegen Krankheit umgeleitet werden muss

Der Markt für Reise-Versicherungen ist sehr spezialisiert. Zunächst ist zwischen dem Markt für Reise-Versicherungen insgesamt und dem Markt der Spezialisten für Reiseschutz zu unterscheiden. Am Gesamtmarkt haben sowohl große Komposit-Versicherer Anteil, die zum Beispiel eine Auslandsreise-Krankenversicherung im Portfolio haben, als auch allein auf Reise-Versicherungen spezialisierte Unternehmen. Zu letzterer Gruppe zählen vor allem Elvia, Europäische Reiseversicherung (ERV) und Hanse-Merkur.

Auch immer mehr Geschäftskunden im Blickpunkt
Neben Privatkunden stehen zunehmend auch Geschäftskunden im Blickpunkt. Beispiel: Die Elvia-Mutter Mondial Assistance bietet Fluggesellschaften seit Anfang März 2008 ihr neues Produkt "Inflight Medical Support" (IMS). Dieses spezielle Programm bietet dem Piloten per Telefon oder Funk Hilfestellung, wenn es in der Luft zu einem gravierenden medizinischen Problem kommt (am häufigsten: Kollaps) und das Flugzeug zum nächstgelegenen Flughafen mit der besten medizinischen Ausstattung umgeleitet werden soll. Mondial (gehört zur Allianz) verfügt als einziges Unternehmen über eine so ausgefeilte medizinische Datenbank ("Marco Polo"), die ständig weltweit Krankenhäuser sowie medizinische Einrichtungen an Flughäfen bewertet – durch 28 eigene Ärzte vor Ort. Bislang sind 1.150 Kliniken in 120 Ländern in Augenschein genommen worden. Den Nutzen haben primär die Fluggesellschaften, die im akuten Krankheitsfall mit Klagen von betroffenen Passagieren bzw. deren Angehörigen rechnen müssen, falls sie unangemessen reagieren und einfach nach Plan weiterfliegen.

"Es gibt schon jetzt zwölf gravierende medizinische Zwischenfälle pro Tag an Bord, Tendenz steigend", sagt Dr. Gerhard Müller, medizinischer Leiter der Mondial Assistance Deutschland. Ein Flugzeug "nur" umzuleiten koste in Europa bei einem Großraumflugzeug wie dem Airbus A 321 rund 40.000 Euro. Hinzu kämen Störungen im Flugplan und Folgekosten wie Umbuchungen für bis zu 180 Passagiere. Nur in ein bis drei Notfällen sei ein Arzt an Bord. Der Pilot trage daher eine riesige Verantwortung, die IMS ihm besser und schneller (innerhalb einer Flugminute schafft der Flieger zehn bis 15 Kilometer) wahrzunehmen helfe. Die Airlines könnten damit Kosten senken und die Betroffenen werden professioneller betreut. IMS soll den Airlines im Paket mit Flugversicherungen und weiteren Services wie Tsunami-Warnsysteme schmackhaft gemacht werden. "Als Bestandteil einer Police für Passagiere lohnt das nicht", sagt Elvia-Sprecherin Monika Reitsam-Rieger. Passagiere hätten die Umleitungskosten auch nicht zu tragen. Nur die eigentliche medizinische Versorgung am Boden sei dann wieder Privatsache und möglichst gut privat zu versichern.

Hier bietet Elvia neuerdings auch eine reine Krankenrücktransport-Versicherung (kostet fünf Euro), die nicht nur im medizinisch notwendigen Fall den Reisenden nach Deutschland bringt (zumeist bei Auslandsreise-Krankenversicherungen üblich), sondern auch im medizinisch sinnvollen Fall, also wenn er auch im Urlaubsland weiter versorgt werden könnte, aber lieber nach Hause will. Diesen Schutz schließen einige Auslandsreise-Krankenversicherer auch ein, darunter laut FINANZtest Barmenia, HUK-Coburg und LVM. Und da ist dann für maximal elf Euro Jahresbeitrag vor allem die medizinische Behandlung mitversichert, für die bei Elvia zusätzlich bis zu 35 Euro fällig sind (bei 31 Tagen Reisedauer)

Maklervertrieb auf dem Vormarsch
Immer mehr Bedeutung gewinne wegen des steigenden Geschäfts mit Firmenkunden, die ihre Mitarbeiter versichern, der Maklervertrieb, sagt ERV-Vorstandschef Wolfgang Diels. Die Europäische Reiseversicherung war in der Vergangenheit mit dem Vertriebsweg Makler zurückhaltend umgegangen, "um den Vertriebs-Partnern im Tourismus keine Umsätze und Provisionen wegnehmen". Platz für Versicherungsmakler sieht Diels vor allem bei Jahres-Versicherungen, die heute auf konkreten Bedarf zugeschnitten werden können. Noch attraktiver seien Geschäftsreise-Produkte. Vergütungssätze von 15 bis 20 Prozent würden den derzeit rund 500 Maklern bezahlt, da die Abschlusskosten vergleichsweise gering sind. Hinzu kommen immer neue Vertriebskooperationen, darunter neuerdings mit der ebenfalls zur Münchener Rückversicherung zählenden Victoria-Versicherung, mit praktika.de, der größten unabhängigen Plattform für Praktikumssuche und Austauschprogramme (Studenten, Au-Pair) oder MLP (Rücktritts- und Reisegepäck-Schutz für Kreditkartenkunden).

Zum Konzern gehört auch der Spezialmakler TAS, der Spezial-Policen für Reisebüros und -veranstalter anbietet, darunter die Vermögensschaden-Haftpflicht- oder die Betriebshaftpflicht-Versicherung. Neuestes ERV-Produkt ist "Ticketsafe": Für sieben Euro kann der Online-Bucher, der keine Pauschalreise will, Versicherungsschutz für Zusatzkosten einkaufen, die durch Storno wegen unerwarteter Erkrankung, Umbuchung, verpasstem Anschlussflug (Übernachtung, Verpflegung, neues Ticket) oder Pleite der Airline entstehen (unter ). "Dies lohnt vor allem für reine Flugbucher im Internet", sagt Pressesprecherin Claudia Hoffmann.

Hanse-Merkur richtet sich mit Produkt-Neuheiten vor allem an Expedienten. Der drittgrößte Reiseversicherer (Marktanteil: 20 Prozent, gemessen am Jahresumsatz) hat ein Produkthandbuch 2008 mit allen Verbesserungen aufgelegt. Die Geschäftstätigkeit ist zu 70 Prozent auf den Mittelstand der Touristik und zu 30 Prozent auf den Business-Bereich konzentriert. Im Tourismus-Bereich werden seit Anfang März 2008 bundesweit zahlreiche Reisebüros als potenzielle Partner angesprochen, insbesondere mit leistungsstarken Reiserücktritts- und -abbruch-Policen, bei denen es keine Zuzahlungen der Urlauber gibt (kostet 39 Euro bei 1.000 Euro Reisepreis). Selbst für Last-Minute-Reisen (ab 14 Tage vor Reisebeginn bis zum Reisetag) kann Stornoschutz abgeschlossen werden (kostet 33 Euro bei 1.000 Euro Reisepreis).

Zum Business-Bereich werden vor allem passende private Krankenversicherungen für Studenten im Ausland, Au Pair, Sprachschüler, Saisonarbeiter, Geschäftsreisende und ausländische Gäste gerechnet. Dabei wurden die Preise zum Teil deutlich gesenkt, berichtete Marc Fritzen, Bereichsdirektor Vertrieb, auf der ITB. Zudem seien Altersgrenzen bei vielen Produkten aufgehoben worden und der medizinisch sinnvolle Rücktransport zum Standard in der Auslandsreise-Krankenversicherung erhoben worden (Jahrespreis: 9,50 Euro). Im Produkthandbuch ist ab 65 Jahren jedoch ein höherer Beitrag ausgewiesen (28 Euro).

Bildquelle: Pixelio

Autor(en): Detlef Pohl

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