Wie die Flutkatastrophe 2021 jetzt bewertet wird

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Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands sind nach Einschätzung der politischen Verantwortlichen viele Aufgaben noch nicht erledigt. Die R+V sieht ihre Rolle bei der Unterstützung der Flutopfer weitaus positiver und verkündet selbstbewusst, bereits 420 Millionen Euro an Flutopfer ausgezahlt zu haben.

"Das Geld kommt nicht an, weil die Antragsverfahren zu aufwendig, zu kompliziert sind", sagte die CDU-Abgeordnete Mechthild Heil mit Blick auf die staatlichen Hilfen für Menschen im besonders betroffenen Ahrtal kürzlich im Bundestag. Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kommentierte die Lage so: „Für mich ist klar, wir brauchen einen Neustart im Bevölkerungsschutz“.  

Nach Starkregen waren am 14. Juli 2021 zahlreiche Landstriche und Ortschaften überflutet worden. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen starben durch das Jahrhunderthochwasser insgesamt 184 Menschen, wohl auch, weil sie teilweise nicht ausreichend und frühzeitig gewarnt wurden.

Allein bei den R+V-Versicherten 600 Großschäden gezählt

Bei R+V-Kundinnen und -Kunden hat die Flutkatastrophe etwa 15.000 Schäden verursacht und zwar in Höhe von 730 Millionen Euro. 420 Millionen Euro konnten bislang ausgezahlt werden, rund 60 Prozent aller Schäden sind reguliert. Nach Einschätzung des Versicherers wird der Wiederaufbau der zerstörten Häuser wird noch Jahre dauern.

„Die außergewöhnliche Wucht der Flut hat zahlreiche Gebäude komplett zerstört, es gab mehr Großschäden als je zuvor bei einer Naturkatastrophe in Deutschland“, sagt Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung. „Allein bei unseren Versicherten zählen wir 600 Großschäden mit Kosten zwischen 250.000 und mehreren Millionen Euro. Diese Schäden belaufen sich in Summe auf 450 Millionen Euro.“ Die durchschnittliche Schadenhöhe ist bei Tief Bernd mit rund 50.000 Euro etwa um ein zehnfaches höher als bei anderen Unwettern.

Drei von vier R+V-Kundinnen und -Kunden in den Flutgebieten waren im Sommer 2021 gegen Naturgefahren abgesichert, nach Ansicht des Wiesbadener Versicherers eine überdurchschnittliche hohe Quote. Branchenweit haben im gesamten Bundesgebiet etwa 50 Prozent aller Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer eine Elementarschadenversicherung.

Angst der Menschen vor einer erneuten Flut ist groß

Die Großschäden werden die R+V allerdings noch Jahre beschäftigen. Für den Neubau von Häusern benötigen die unterschiedlichen Gewerke schon unter normalen Umständen bis zu drei Jahre. Jetzt verzögern Handwerkermangel und Lieferengpässe die Wiederherstellung zusätzlich: Die meisten Handwerker sind über Monate ausgebucht, dringend benötigtes Material wie Holz oder Dämmstoffe sind Mangelware, Heizungsanlagen derzeit nur schwer zu bekommen.

Nicht jeder möchte am alten Standort bleiben, denn die Angst der Menschen vor einer erneuten Flut ist groß. Wer an einem anderen Ort bauen oder sich ein Haus kaufen will, bekommt bei der R+V den Neuwert dennoch erstattet. Üblicherweise erhalten die Versicherten die Leistung nur, wenn sie ihr Haus an gleicher Stelle errichten.

„Der Neubau außerhalb der besonders hochwassergefährdeten Gebiete ist für uns eine Herzenssache“, betont Rollinger. „Der Klimawandel zwingt uns alle umzudenken, wir müssen daraus Konsequenzen ziehen. Eine Flutkatastrophe wie nach dem Unwetter Bernd kann sich jederzeit wiederholen.“

Der Schlüssel liegt im Katastrophenmanagement und der Frühwarnung

Was hat sich ein Jahr nach der Flut getan? Was sind die wichtigsten Fortschritte im Umgang mit Sturzfluten, die eingeleitet wurden? In welchen Bereichen wurde kein oder zu wenig Fortschritt erzielt?

Dies Fragen beschäftigt auch die Helmholtz-Klima-Initiative und liefert anlässlich dieses Jahrestages ihre persönliche Einschätzung und der einiger Experten.

"Die Katastrophe hat gezeigt, dass wir sehr viel vulnerabler gegenüber Starkregenereignissen sind als bisher angenommen. Wir haben teilweise verlernt, Naturgefahren ernst zu nehmen, und uns vermehrt in Risikozonen niedergelassen“, sagt Georg Teutsch, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).

Auch wenn schwere Katastrophenereignisse wie das Ahr-Hochwasser selten auftreten, „weil die relevanten meteorologischen, hydrologischen und geomorphologischen Prozesse und Mechanismen, die auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen wirken, ‚optimal‘ ineinandergreifen müssen, sind solche seltenen Ereignisse jedoch für die meisten wirtschaftlichen Schäden und leider oft auch für die meisten Todesopfer verantwortlich“, erläutert Susanna Mohr, Geschäftsführerin des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Heiko Apel, Leiter der Sektion Hydrologie am Deutschen Geo-Forschungszentrum (GFZ) betont: „Das Hochwasser verursachte enorme Zerstörungen und Schäden an Gebäuden und ziviler Infrastruktur. Die größte Katastrophe aber war die hohe Zahl der Menschen, die in dem Hochwasser ihr Leben verloren. Dies hätte nicht passieren dürfen, und hätte im Gegensatz zu den anderen Schäden auch verhindert werden können. Der Schlüssel liegt hierbei im Katastrophenmanagement und der Frühwarnung.“

Quelle: dpa, Helmholtz-Klima-Initiative, R+V

 

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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