Wie neue Vertriebskanäle möglich sind

740px 535px

Spätestens seit der Umfrage der EIOPA (europäische Finanzdienstleistungsaufsicht) zu Open Insurance Anfang 2021 nimmt das Thema Open Insurance eine immer höhere Aufmerksamkeit im Versicherungsmarkt ein.

Der Transfer und die Nutzung von kundenbezogenen Versicherungsdaten sowie von Versicherungsprodukten und -dienstleistungen in digitalen Ökosystemen eröffnet neue Vertriebskanäle und auch neue Geschäftsmodelle. Doch was genau verbirgt sich unter Open Insurance und was hat der BiPRO e.V. damit zu tun? Welche Chancen und Risiken bestehen hier möglicherweise?

Was bedeutet eigentlich Open Insurance?

Unter Open Insurance wird der Zugang und die gemeinsame Nutzung versicherungsbezogener persönlicher und nicht-persönlicher Daten über sogenannte standardisierte Schnittstellen (API = Application Programming Interface) verstanden. Open Insurance bezieht sich im Wesentlichen auf die Bereitstellung von Versicherungsdaten für Partner, Communities und Startups, um neue Dienste, Anwendungen und innovative Geschäftsmodelle zu schaffen und personenbezogene Angebote für Verbraucher zu ermöglichen.

Begriff Embedded Insurance zu Open Insurance abgrenzen

Embedded Insurance kann als ein Anwendungsfall von Open Insurance gesehen werden. Embedded Insurance beschreibt eher die vertriebliche Komponente von Open Insurance und die technische Einbindung in die Systeme der Beteiligten (von der Angebotsberechnung bis hin zu After-Sales-Aktivitäten und Schaden-/Leistungsfällen). Bei Open Insurance geht es um mehr. Der Austausch von (personenbezogenen) Versicherungsdaten über standardisierte Schnittstellen mit Dritten steht hier im Fokus.

Eine Standardschnittstelle (API) kann als Baustein für die Entwicklung neuer Interaktionen mit Personen oder anderen Unternehmen verwendet werden. Dies bedeutet, dass auch Akteure, die bisher noch keinen direkten Bezug zum Versicherungsmarkt hatten, Zugang zu Daten und eine Kommunikation mit Akteuren aus dem Versicherungsmarkt standardisiert nutzen können.

Zusammenhang mit Open Data Strategy

Daten, die von jedem zu jedem Zweck frei verwendet, weiterverwendet und weitergegeben werden dürfen – sogenannte Open Data – wurden zuletzt durch die Open-Data-Strategie von der Bundesregierung im Jahre 2021 revolutioniert. Während des Prozesses wurden sechs Leitlinien und 68 Umsetzungsmaßnahmen beschlossen, welche in erster Linie zur Steigerung von Datenqualität und Datenquantität dienen sollen. Mithilfe von offenen Daten soll die nationale Wirtschaft angetrieben werden. Beispielsweise können Verkehrs-/Mobilitäts- und Wetterdaten für die Berechnung von Risiken bei Versicherungen verwendet werden.

BiPRO und Open Insurance

BiPRO hat mit einer eigenen Arbeitsgruppe die Umfrage der EIOPA im letzten Jahr im Sinne seiner Mitglieder beantwortet und aufgrund von möglichen regulatorischen Aktivitäten seine Mitarbeit bei der Erarbeitung eines potentiellen Standards angeboten. Aktuell werden Anwendungsfälle unter Einbeziehung existierender BiPRO-Normen erarbeitet. Mit den bereits existierenden Normen und Prozessen können eine Vielzahl von Open bzw. Embedded Insurance Anwendungsfällen abgedeckt werden. Der Verein hat beschlossen, seine Mitglieder bei der Umsetzung eines potentiellen europäischen Standards zu unterstützen. So kann über eine entsprechende Interoperabilität die Investitionssicherheit bezüglich bestehender BiPRO-Normen gewährleistet werden. Aufgrund dessen sind neue Formate und Standards nicht notwendig. Mögliche zukünftige Anpassungen von bereits implementierten Normen und Prozessen können im Rahmen von bewährten Prozessen des BiPRO  relativ unkompliziert vorgenommen werden.

Neue Geschäftsmodelle können einfach etabliert werden

Der Verbraucherschutz genießt bei Open Insurance die höchste Priorität. Die Datenhoheit liegt beim Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person. Unterstützt wird der Verbraucherschutz durch bestehende Datenschutzregeln. Verwender von BiPRO-Normen haben bei Anwendung bereits bestehender BiPRO-Standards eine Investitionssicherheit. Eine Einbindung neuer Partner aus der „Nichtversicherungswelt“ können über BiPRO-Schnittstellen vorgenommen werden. Eines der größten Vorteile von Open Insurance ist die Etablierung von neuen Geschäftsmodellen.

Die Herausgabe von personengebundenen und nichtpersonengebundenen Versicherungsdaten stellt eine Herausforderung für alle Teilnehmer dar. Der bereits bestehende Branchenstandard BiPRO kann hierbei jedoch sehr hilfreich sein oder stellt sogar eine wichtige Voraussetzung für die effiziente Umsetzung dar.

Die BiPRO-Community ist gerüstet

Zusammengefasst bietet Open Insurance grundsätzlich viele neue und effektive Möglichkeiten sowohl für neue, aber selbstverständlich auch für bereits am Markt etablierte Akteure. Auch neue Partnerschaften sind hierbei denkbar. In diesem Kontext können bereits existierende BiPRO-Normen als Branchenstandard weiterverwendet werden. Zum Schutz von Kundendaten ist auch die Einhaltung von geltenden Datenschutzrichtlinien zu beachten. Alles in Allem bietet Open Insurance eine Chancengleichheit bei der Datennutzung, vorausgesetzt auch neue Partner geben die Daten an Akteure des Versicherungsmarkt weiter, was von führenden Versicherer- und Vermittlerverbänden gefordert wird. Festzuhalten bleibt, dass beim Entstehen eines möglichen europäischen Standards die BiPRO-Community für eine entsprechende Anforderung gerüstet ist.

Autor(en): Christian Visser, BiPRO

Alle Branche News