Wie zukunftsfest sind die europäischen Sozialstaaten?

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Alle europäischen Staaten altern. Durch den demografischen Wandel werden die Sozialausgaben für Ältere in vielen Ländern der Europäischen Union in den kommenden Jahren enorm ansteigen, sofern keine rechtzeitigen Anpassungen an diese Entwicklung erfolgen.

Das Ausmaß der Alterung in den einzelnen EU-Staaten und der Umfang der Sozialausgaben fällt allerdings unterschiedlich aus, die Länder sind verschieden stark betroffen. So zählt Italien im Jahr 2060 zu den ältesten Ländern in Europa und zahlt heute bereits die höchsten Leistungen an die ältere Bevölkerung. Deutschland, Spanien, Griechenland und Portugal werden zwar 2060 ebenfalls zu den ältesten europäischen Staaten gehören, weisen aber im EU-Vergleich nur Ausgaben im Mittelfeld aus. Zu diesen Einschätzungen gelangt die Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge „Zur Zukunftsfestigkeit der europäischen Sozialstaaten“, die vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) erstellt worden ist.

Die Staatsausgabenquoten liegen in Europa im Durchschnitt mit einem Anteil von fast 50 Prozent am Bruttoinlandsprodukt deutlich höher als beispielsweise in den USA oder in Japan. Innerhalb Europas gibt es aber große Unterschiede. Der mit Abstand größte Teil der Staatsausgaben entfällt auf die Sozialausgaben. Dafür wird im Durchschnitt etwa ein Fünftel des BIP ausgegeben. Zugleich sind die Sozialausgaben der Teil der Staatsausgaben, der am stärksten zwischen den verschiedenen Ländern variiert. So reicht der Ausgabenanteil für die soziale Sicherung von etwa 25 Prozent in den skandinavischen Ländern und Frankreich bis zu halb so hohen Werten in einigen osteuropäischen Staaten. Insgesamt sind die Ausgaben für Ältere in der Vergangenheit deutlich angestiegen. Das kann zu einem großen Teil aus dem steigenden Gewicht der älteren Generation erklärt werden.

Erhebliche Belastungen für aktive Generation
Sollen die staatlichen Leistungen zur sozialen Sicherung der Älteren auch in Zukunft in ihrem heutigen Umfang erhalten bleiben, wird es in vielen europäischen Ländern zu erheblichen zusätzlichen Belastungen für die aktive Generation kommen, die diese Leistungen zu einem Großteil finanziert. Einige der europäischen Länder, wie beispielsweise Deutschland, aber auch Italien, haben daher in den vergangenen Jahren bereits weitreichende Reformen ihrer Alterssicherungssysteme durchgeführt.

Von entscheidender Bedeutung für die Belastung der Beitragszahler zur Rentenversicherung ist das Verhältnis von Erwerbstätigen und Rentnern. Eine zentrale Stellschraube sind dabei die Erwerbsquoten. Ihre Erhöhung kann dazu beitragen, die demografisch bedingten Belastungen abzumildern. In Deutschland ist das Erwerbsverhalten von Frauen maßgeblich durch die Anwesenheit von Kindern geprägt. So ist die Erwerbsbeteiligung kinderloser Frauen im internationalen Vergleich hoch. Erst wenn Mütter mit Kindern betrachtet werden, fällt Deutschland im Ranking zurück.

Renteneintrittsalter spielt eine zentrale Rolle
Die Studienautoren listen eine Reihe von Maßnahmen in der Rentenpolitik auf, die beitragen können, dass die Sozialsysteme in den europäischen Staaten zukunftsfester werden. Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Renteneintrittsalter ein. Das effektive Renteneintrittsalter ist in den meisten Ländern deutlich geringer als die vorgeschriebenen gesetzlichen Regelaltersgrenzen. Einzig Irland (64,1), die skandinavischen Länder Schweden (63,8) und Dänemark (63,1), sowie Zypern (63,5) und die Niederlande (63,2) erreichen hier einen Wert über 63 Jahren.

Auch die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung wird in Betracht gezogen. Damit würde die Erwerbsphase automatisch mit der steigenden Lebenserwartung verlängert, die Ruhestandsphase hingegen bliebe gleich. Die schrittweise Anhebung des Regelrenteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre komme dieser Forderung schon recht nahe, zumindest in den nächsten 20 Jahren.
Um die Belastungen der Erwerbstätigen bei Eintritt der Baby-Boomer in den Ruhestand abzumildern, ist zudem eine stärkere individuelle Vorsorge bei einer gleichzeitigen graduellen Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus notwendig. „Die Förderung der privaten Altersvorsorge, insbesondere durch die Riester-Rente, hat in Deutschland die richtigen Impulse gesetzt“, so Forschungsdirektor Michael Bräuninger.

Fazit
Insgesamt muss in Deutschland, wie auch in vielen anderen europäischen Ländern, dringend ein Perspektivenwechsel stattfinden. Dafür sehen die Autoren gute Chancen. Zukünftig werden Unternehmen immer stärker einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften beobachten. Diese werden andererseits höhere Abschläge bei der Rente erfahren, sofern sie vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Folglich sollte sowohl bei Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern das Interesse an einem längeren Arbeitsleben bestehen. Damit dies erreicht wird, müssen ältere Arbeitnehmer allerdings auch besser gefördert und in das Arbeitsleben integriert werden.

Textquelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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