Zahlungsstörungen als Chance zur Kundenbindung begreifen

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Die aktuelle Studie "Zahlungsstörungen/-ausfälle in der Versicherungswirtschaft: Bewusstsein, Prävention und Strategien im Privatkundengeschäft" des Instituts Ibi Research an der Universität Regensburg, liefert Informationen zu Geschäftsvorfällen an der direkten Schnittstelle zum Kunden.

Laut Befragung priorisieren 97 Prozent der Unternehmen nach wie vor den Brief als Kontaktkanal, wenn Privatkunden in Zahlungsstörungen geraten. SMS oder Messenger-Dienste werden gar nicht genutzt, Online-Portale oder App-Lösungen sind mit 14 Prozent bisher ebenfalls kaum verbreitet.

Eine weitere, überraschende Erkenntnis der Studie: 86 Prozent aller Privatkunden mit einer Zahlungsstörung oder einem Zahlungsausfall werden über einen standardisierten Prozess gleichbehandelt. Nur jeweils sieben Prozent der befragten Versicherer ordnen die betreffenden Privatkunden auf Basis definierter Kennzahlen vorgegebenen Gruppen zu und behandeln diese gemäß den dafür zuvor festgelegten Vorgehensweisen - oder betreuen jeden Privatkunden sogar situationsindividuell.

Kundenerhalt nicht im Fokus

Customer Centricity, also die konsequente Fokussierung auf den Kunden, gilt als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen im digitalen Zeitalter. Die Ibi-Studie zeichnet ein bedenkliches Bild, wenn es um den Bereich In- und Exkasso in der Assekuranz geht: Für 51 Prozent der Befragten steht die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung überhaupt nicht im Fokus der Prozesse bei eingetretenen Zahlungsstörungen. 42 Prozent bestätigen, dass ihre Prozesse nicht darauf ausgerichtet sind, gemeinsam mit Privatkunden Lösungen für die auftretende Zahlungsstörung zu finden, 31 Prozent möchten ihre Privatkunden sogar möglichst schnell in die Mahn- und Inkassovorgänge überführen.

Kundenzentrierte Neuausrichtung im Zahlungsverkehr durch klare Zielsetzung

Was können Versicherer tun, um das Potenzial der Kundenkommunikation im Zahlungsverkehr zu heben? Unser Ansatz ist die Neupositionierung dieses Bereiches durch ein fachliches Zielbild. Denn aus unserer Erfahrung reicht die Auswahl und Implementierung einer neuen Abrechnungssoftware im Bereich In-/Exkasso allein nicht aus, wie zahlreiche Beispiele aus der Praxis zeigen. Der Einsatz moderner Softwaresysteme führt häufig nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Im Gegenteil: Während der Implementierung entsteht eine Übergangsphase, die nicht nur höhere Kosten durch Workarounds verursacht, sondern letztlich auch unzufriedene Kunden und frustrierte Sachbearbeiter hinterlässt.

Ein erfolgversprechender Ansatz liegt stattdessen in der Entwicklung eines klaren fachlichen Zielbildes, das einen umfassenderen Blick in die Zukunft ermöglicht. Das Zielbild Zahlungsverkehr dient dabei als strategische Ausrichtung für das In-/Exkasso eines Versicherungsunternehmens. Es interpretiert die fachlichen Ziele und leitet daraus stra-tegische Leitplanken, Perspektiven und Leitlinien ab. Das fachliche Zielbild richtet den Blick bewusst langfristig in die Zukunft - über einen Zeitraum von fünf bis fünfzehn Jahren. Diese zukunftsorientierte Perspektive skizziert ein Idealbild aus großer Höhe, wobei die Hindernisse des Tagesgeschäfts vorerst ausgeblendet werden. Die konsequente Orientierung am Kunden (Customer First) gewährleistet jedoch jederzeit die Bodenhaftung des Zielbildes.

Die grundlegenden Rahmenbedingungen

Obwohl ein fachliches Zielbild kein fachliches Konzept ist, bietet es durch strategische Leitplanken und Leitlinien einen stabilen Orientierungsrahmen für die spätere konkrete Umsetzung. Um ein Zielbild zu erstellen, müssen drei grundlegende Rahmenbedingungen erfüllt sein: 

  • Strikte Ausrichtung des fachlichen Zielbildes an der Unternehmensstrategie und den definierten Zielen.
  • Abstimmung und Integration des Zielbildes mit angrenzenden Fachbereichen.
  • Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im In-/Exkasso in die Erstellung des Zielbildes, idealerweise in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit dem Fachbereich und der IT.

 

Das fachliche Zielbild schafft einen verbindlichen Rahmen für eine 360-Grad-Sicht auf den versicherungstechnischen Zahlungsverkehr unter Berücksichtigung der Schnittstellen zu angrenzenden Bereichen. Dadurch entsteht ein kundenzentrierter Fokus auf den strategischen Beitrag des Zahlungsverkehrs für Kunden und Versicherungsunternehmen.

 

Die Studie ‚Zahlungsstörungen/-ausfälle in der Versicherungswirtschaft: Bewusstsein, Prävention und Strategien im Privatkundengeschäft‘ wurde vom Institut ibi research an der Universität Regensburg (www.ibi.de) durchgeführt. Studienpartner sind die Unternehmen Krause & Schopp (www.krause-schopp.de), Experten im Zahlungsverkehr für die Versicherungswirtschaft, atriga (www.atriga.com), Experte im kundenfreundlichen und digitalen Forderungsmanagement sowie der White Label BNPL Enabler axytos (www.axytos.com).

Hier geht es zum ersten Teil des Artikels.

Jürgen Balgheim ist Partner bei Krause & Schopp und berät als Unternehmens- und Facharchitekt hin zu einer zukunftsorientierten Anwendungslandschaft. Als systemischer Coach und Organisationsentwickler ist er ein Katalysator für Veränderungen, der Teams dabei unterstützt, neue digitale Ansätze zu integrieren. Sein ganzheitlicher Ansatz ermöglicht es, nicht einfach nur Technologie zu implementieren, sondern auch die Unternehmenskultur zu transformieren.

Autor(en): Jürgen Balgheim, Krause & Schopp

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