Zerrbild Kostenausweis Leben

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Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik hat die Kostenausweise von Lebensversicherungen untersucht und erhebliche Kritik an den Produktinformationsblättern geübt. Die dort genannten Zahlen geben danach ein überzogenes Bild wieder, wie viel Rendite durch Kosten aufgezehrt wird.

Das Institut unter Leitung von Professor Ralf Korn, der auch Mitautor der von MLP beauftragten Studie „Reale Effektivkosten für ausgewählte Basisrentenprodukte“ ist, warnt öffentlich davor, die Kostenangaben in Produktinformationsblättern (PiB) misszuverstehen und daraus Rückschlüsse auf die Produktrenditen zu ziehen. „Die Ergebnisse solcher Studien auf Basis von Muster-PIB entsprechen nicht der Realität.“ Tatsächlich werde kein „realistisches Bild vom `Preis´“ des Produktes gezeichnet.

Fonds-Basisrente mit und ohne Garantie

Untersucht wurden verschiedene fondsgebundene Basisrentenversicherungen, die entweder ohne oder mit einer 80-prozentigen Beitragsgarantie versehen sind. Bei solchen Angeboten müssen die Kunden aufgrund der Produktinformationsblatt-Verordnung (AltvPIBV) einerseits erfahren, welcher „Chancen-Risiko-Klasse“ die angebotene Versicherung zugeordnet wird. Zum anderen sind die Effektivkosten („Reduction in Yield“) zu nennen. Und genau dieser Kostenausweis steht in der Kritik.

Tatsächlich würden „nicht direkt zu zahlende Kosten“ gezeigt, sondern „die Minderung der Wertentwicklung des Vertrags bis zum Beginn der Auszahlungsphase durch Kosten in Prozentpunkten“. Für die Effektivkostenberechnung – ein nach Ansicht der Autoren verwirrende Bezeichnung – gelten verschiedene „Maximalprinzipien“.

Höchste Kosten, schlechteste Behandlung der Kunden

Erstens sind immer die „die potenziell höchsten Kosten ausgewiesen“, wenn ein Kunde Wahlmöglichkeiten hat. Wenn er beispielsweise frei zwischen gemanagten und ungemanagten Fonds (ETF) wählen kann, müssen dennoch die höheren Kosten des gemanagten Fonds zugrunde gelegt werden.

Zweitens, so das Institut, seien die „Effektivkosten bei regelbasierter Vorgehensweise“ zu berechnen. Beispielsweise geht man davon aus, dass die Aktionäre eines Lebensversicherers stets die höchstmöglichen Gewinnentnahmen vornehmen. Außerdem werden danach keine Kickbacks berücksichtigt, also Rückerstattungen von zu hohen Kosten durch die Fondsgesellschaften. Beide Annahmen entsprechen keineswegs immer der Realität.

Im Ergebnis „erhält der Kunde hierdurch keine realistische Einschätzung“ der Kosten, „sondern lediglich eine Obergrenze für die Entnahmen des Anbieters aus den Erträgen“.

Studie Korn Effektivkosten

Mit ETF sieht es plötzlich ganz anders aus

Dafür haben die Mathematiker Vergleichsrechnungen durchgeführt, wofür ihnen Zahlen von den Versicherern Allianz, Alte Leipziger, Nürnberger, Stuttgarter und Volkswohl Bund zur Verfügung standen. Dabei wurden jeweils Tarife mit und ohne Bruttobeitragsgarantie (von 80 Prozent) sowie mit wahlweise 30 und 40 Jahren Aufschubzeit herangezogen.

Gezeigt werden zum einen die für die Chancen-Risiko-Klasse 4 (Fonds-Basisrente ohne Garantie) beziehungsweise 3 (mit Garantie) in den Produktinformationsblättern ausgewiesenen Effektivkostenquoten. Auf der anderen Seite wurden die tatsächlichen Effektivkosten ermittelt, die dann entstehen, wenn man den ETF iShares Core MSCI World (ISIN IE00B4L5Y983) unterlegt, der mit 0,2 Prozent jährlich niedrige Fondskosten aufweist. Dieser Fonds wurde gewählt, weil er jedenfalls nach den Angaben des Auftraggebers MLP dort in drei Viertel der Fälle im Neugeschäft gewählt werde.

Laut PiB bleibt fast nichts übrig – real aber doch

Die Unterschiede in den Effektivkosten sind erheblich. Ein Beispiel: Bei der Basis- Rente Invest Flex der Allianz werden bei 30 Jahren Aufschubzeit 4,06 Prozent Kosten im PiB ausgewiesen. Da bleiben von den annahmegemäß 5,0 Prozent fester Rendite, die in der Chance-Risiko-Klasse 4 unterstellt werden, nicht viel übrig.

Realistisch sind allerdings in diesem Fall nur 1,33 Prozent Kosten – tatsächlich bleibt erheblich mehr von der angenommenen Rendite übrig. Die Autoren dazu: „Die Unterschiede bei den Basisrentenprodukten ohne Beitragsgarantie zwischen den Effektivkosten unter Maximalkostenprinzipien und den Effektivkosten unter realen Kostenparametern sind alle erheblich.“ Hinzu komme, dass die Effektivkosten mit steigender Laufzeit fallen.

Erhebliche Differenzen zum Ende der Aufschubzeit

Auch bei den Hybrid-Produkten mit einer 80-prozentigen Beitragsgarantie ergeben sich deutliche Unterschiede. Beispielsweise werden im PiB des Tarifs BGR (80%-Beitragsgarantie) des Volkswohl Bunds (Chancen-Risiko-Klasse 3) bei 30 Jahren Aufschubzeit 3,53 Prozent Kosten ausgewiesen. Auch hier bleiben von den annahmegemäß 4,0 Prozent Rendite eines solchen Vertrags kaum etwas übrig. Die realistische Kostenbelastung liegt allerdings bei nur 1,23 Prozent.

Durch den Zinseszinseffekt können sich diese Differenzen zu ganz erheblichen, absoluten Beträgen summieren. So rechnen die Studienautoren vor, dass bei einem solchen Basisrentenvertrag mit 200 Euro Monatsbeitrag bis zu über 125.000 Euro mehr nach 40 Jahren Aufschubzeit erreicht werden, als im Muster-PiB anzugeben ist.

Noch mehr Kostenausweise – aber realistische

Die obige Grafik zu diesem Beitrag zeigt eine fiktive Wertentwicklung für einen Tarif der Nürnberger ohne Garantie. Unter der Annahme eines jährlichen Beitrags von 2.400 Euro und 40 Jahren Laufzeit wäre nach dem PiB-Kostenausweis nur mit einem Zugewinn von rund 13.000 Euro gegenüber den gezahlten Beiträgen zu rechnen. Realistisch wäre es dagegen nach den Zahlen der Studie, mit zusätzlichen rund 126.000 Euro zu rechnen.

Als Lösung für das aufgezeigte Dilemma schlagen die Autoren vor, dass in den PiB zusätzlich zu den Maximalkosten auch die realistischen Effektivkosten angegeben werden sollten, also „Effektivkosten, die bei den gegenwärtigen Kostenparametern zu erwarten sind“. Alternativ könnte man auch zwei verschiedene Maximalkosten nennen, einmal solche für die Anlage in gemanagten Fonds und zum anderen in ETFs.

Autor(en): Matthias Beenken

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