Zukunftspläne und das reale Vorstandskarussell

Bei der Gothaer Versicherungsgruppe gibt es ganz konkrete Pläne, die unternehmerische Zukunft in den Griff zu bekommen. Kaum etwas bleibt so, wie es war. Dazu müssen in der Gegenwart stringente Entscheidungen getroffen werden. Was es damit auf sich hat, stellte Gothaer-Chef jetzt bei einem Branchentreff vor. Dazu gehören auch einschneidende Veränderungen in der Vorstandsetage.

Gothaer Zukunftsprogramm (GZP) ist die Strategie überschrieben, die seit 2001 Schritt für Schritt umgesetzt wird und im Jahr 2007 erfolgreich zum Abschluss gebracht werden soll. Ein Maßnahmenkatalog - bestehend aus verständlichen, aber auch unpopulären Entscheidungen, die im letzten Jahr mit der Auflösung des zweiten Gothaer Hauptverwaltungs-Standortes Göttingen besonders aufhorchen ließen.

Während der fünften Handelsblatt Jahrestagung wurde dem Gothaer Vorstandsvorsitzenden Dr. Werner Görg Gelegenheit gegeben, im Kreise zahlreicher Vorstandskollegen anderer Gesellschaften und über hundert Managfern aus Versicherungs-Führungsetagen die Gothaer Zukunft zu skizzieren. Am selben Tag hatte man bei der Gothaer eine Pressemitteilung versand, mit der die Branche über große Veränderungen in der Aufteilung der Gothaer Vorstandsressorts unterrichtet werden sollte. Danach trennte man sich vom einem Vorstandsmitglied vollends, während fünf weitere wie im Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel neue Aufgaben auf neuem Posten erhielten.

Der Gothaer-Chef erläuterte anschließend auf der Tagung, dass in die großen Restrukturierungsmaßnahmen im Vertriebsressort der Gothaer weitgehend abgeschlossen seien. Dass es im Zuge der Veränderungen seit dem 1. März auch einen neuen Vertriebs-Chef gibt, kam nicht zur Sprache. Görg: Die Gothaer, die sowohl mit vertraglich gebundenen Agenturen als auch mit Maklern und Banken zusammenarbeitet, will in allen Vertriebswegen wachsen.“

Die Wachstumsphase beschleunigen könnte der neue Vertriebs-Chef Ron van het Hof. Bislang war er Vorstandsvorsitzender des zum Konzern gehörenden Direktversicherers Asstel. Jetzt ist verantwortet er das Vertriebs- und Marketingressort für die Unternehmen im Konzern – das sind die Gothaer Allgemeine, Gothaer Leben und Gothaer Kranken. Nachfolger auf dem Asstel-Chefsessel wird Gerd Schulte.

Für den neuen Vertriebs-Chef van het Hof wird der Wechsel von der Asstel als typischem Direktversicherer ohne Außendienst zum den Gothaer-Unternehmen mit Ausschließlichkeits-Organisation im Außendienst und vielen freien Versicherungsmaklern kein leichtes Spiel werden.

Van het Hof löst übrigens Helmut Söhler als Vertriebs-Vorstand ab, der nunmehr das Ressort „Privatkunden“ bei der Gothaer Allgemeine, dem Schaden/Unfall-Versicherer des Konzerns übernimmt. In der Gothaer Pressemitteilung heißt es dazu, dass Söhler die Führung des Vertriebs im Jahr 2002 „in einer ausgesprochen schwierigen Phase“ übernommen habe. Jetzt werde er unter anderem das neue Gothaer Kundenservice-Center weiter aufbauen, das bislang eine der bisherigen Aufgaben des künftigen neuen Asstel-Chefs Gerd Schulte war. Neben der Fortsetzung der vertrieblichen Aktivitäten der Asstel soll Schulte bei der zweiten Konzernmarke insbesondere das weitere Wachstum im Segment Schaden/Unfall sowie in der Krankenversicherung voranbringen, um die Asstel als kompletten System-Anbieter kontinuierlich auszubauen.

Am Schluss der Unternehmensmitteilung wurde dann noch eine Trennung bekannt gegeben. Dr. Martin Wagener, seit nicht ganz fünfzehn Jahren Vorstandsmitglied der Gothaer Lebensversicherung verlässt „aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen zur strategischen Ausrichtung des Konzern in beiderseitigem Einvernehmen und mit dem ausdrücklichen Dank des Aufsichtsrates für Wageners Leistungen“ die Unternehmensgruppe. Dr. Waqener hat – so heißt es in der Pressemitteilung - in den letzten Jahren die erfolgreiche Positionierung der Gothaer auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung (bAV) vorangetrieben. Wo Wagener künftig arbeiten wird, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Insider wissen aber, dass es zahlreiche Perspektiven gebe.

Die Bereiche von Wagener „bAV“, „Pensus“ (Pensionsmanagement für Unternehmen), „GBG“ (Consulting für bAV) und „Vertriebsunterstützung“ übernimmt nun Vorstand Dr. Helmut Hofmeier. Konzern-Chef Görg selbst wird das Ressort „Komposit / Industrie“ übernehmen. Das Ressort „Leben / Betrieb“ verantwortet künftig Michael Kurtenbach. Die zum vergangenen Wochenende verkündeten Veränderungen traten gleich am 1. März 2005 in Kraft. Der Gothaer Chef zeigte beim Branchentreff schließlich die „Ziele des Gothaer Zukunftsprogramms“ auf. Beginn und Basis lagen in den Jahren 2001 bis 2004. Zunächst ging es darum, vier Schwerpunkte zu initiieren:
- Optimierung der Versicherungs-Technik;
- Positionierung der Zwei-Marken-Strategie „Gothaer“ und „Asstel“ und eine damit verbundene Marken-Kampagne;
- Straffung des Produkt-Portfolios und Durchsetzen von Kostensenkungs-Programmen (Görg: „Wir haben über 50 Produkte komplett eingestellt.“);
- Schaffung finanzieller Rahmen für weitere Maßnahmen.

Nach der Sanierung startete im letzten Jahr folgte die Seit letztem Jahr die Anpassungsphase, die noch das ganze Jahr 2005 andauern werde. Die Kernpunkte im Gothaer Zukunftsprogramm (GZP) sind hier:
- Konzentration auf Erstversicherung (Die Gothaer hat ihr Rückversicherungsgeschäft komplett eingestellt);
- Neuausrichtung der Kapitalanlage-Strategie;
- Risiko-Reduzierung und Ausrichtung auf Solvency II (Beim Gothaer-Konzern-Abschluss werden die Bilanzen seit drei Jahren auf IAS und US GAP ausgerichtet);
- Verschlankung der Strukturen (einheitliche Leitung, übergreifendes Risiko-Management, ein einziger Hauptverwaltungs-Standort, straffe Vertriebsstruktur. – Hier hatte die Gothaer in letzter Zeit vor allem in Mitarbeiterkreisen unpopuläre Maßnahmen durchgesetzt. Der Traditions-Hauptverwaltungs-Standort der Gothaer Leben Göttingen wurde aufgelöst und in eine Betriebsstätte mit deutlich weniger Arbeitsplätzen umgewandelt. Rund 350 Stellen wurden in die nunmehr einzige Hauptverwaltung Köln verlegt. Einige Regionaldirektionen wurden geschlossen.);
- Berücksichtigung neuer gesetzlicher Rahmen-Daten (AltEinkG, GMG, VVG) – beispielsweise für die Produktwelt durch das Alters-Einkünfte-Gesetz (AltEinkG). Im Rahmen des GZP beginnt nun die dritte Phase. Dieses und nächstes Jahr fokussiere sich alles auf eine ertragsorientierte Wachstums-Strategie;
- weg von der produkt- und hin zur mitgliederorientierten Ausrichtung;
- Rückbesinnung auf die Kunden-Zielgruppe des gehobenen Mittelstands;
- Intensivierung einer gezielten Vertriebs-/Qualitäts-Offensive. Die Phase vier wird mit „Perspektive 2006 bis 2007“ überschrieben. Dabei gehe es darum den kontinuierlichen Verbesserungs-Prozess weiter durchzustehen;
- attraktiv für strategische Partnerschaften zu werden (Görg: „Wir glauben, dass es Risikoträger geben wird, die sich beispielsweise künftig nicht mehr selbst mit dem Industrie-Geschäft beschäftigen wollen. Hier könnten wir attraktiver und kompetenter Partner und Risikoträger werden.“);
- die differenzierende Marken-Positionierung zu etablieren und die unternehmerische Eigenständigkeit zu bewahren.

Autor(en): Ellen Bocquel

Alle Branche News