DKM: Streit um klare Versicherungsbedingungen

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Die Auseinandersetzung, was bestimmte Versicherungsklauseln genau bedeuten, wird andauern. Das ist das Fazit einer Diskussion auf der Vermittlermesse DKM. Es geht um Transparenz. Immer wieder sind Versicherungsklauseln unklar formuliert. Dass nutzen Versicherer und leisten im Schadenfall nicht. Zum Ärger der Kunden und Vermittler.

Anders hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main  (Urteil vom 13. Mai 2022 - 7 U 71/21) entschieden. Eine Klausel, die dem Versicherungsnehmer die Obliegenheit auferlegt, zur Vermeidung von Überschwemmungs- oder Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen "funktionsbereit" zu halten, sei zu unbestimmt. Das Gericht meinte, dass wegen der einschneidenden Sanktionen, die an eine Obliegenheitsverletzung geknüpft sind, das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich vereinbart sein muss. Zudem müsse klar und eindeutig sein, was im Einzelnen verlangt wird. Eine solche klare Handlungspflicht liege nicht vor.

Weitgehende Formulierung bei Sicherungspflicht unerlässlich

Nach Meinung des Juristen Professor Dirk-Carsten Günther von der Kanzlei Bach Langheid Dallmayr (BLD) sei das Urteil fehlerhaft. In seinem Statement auf der DKM verwies der Jurist darauf, dass wesentliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht berücksichtigt worden wären. Zudem könnten Versicherer gar nicht anders als in ihren Obliegenheitsklauseln auf die Einhaltung aller gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsregelungen zu verweisen. Ansonsten müssten sie beispielsweise sämtliche unterschiedlichen Bau- und Brandbestimmungen der 16 Bundesländer aufführen.

Die Einschätzung, dass das OLG hier fehlerhaft entschieden habe, teilte am Ende der Diskussion auch der Jurist Dennis Sturm von der STC Versicherungsmakler. Sturm verwies aber darauf, dass es falsch sei anzunehmen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer „mehr in der Materie ist“ als der durchschnittliche Konsument, der etwa Blumen kauft. Der Kunde vertraue dem Produkt. Sturm: „Kein Kunde wird sagen, ich habe die Versicherungsbedingungen verstanden und gelesen.“

Markt heilt unklare Klauseln

Dass es wohl auch in Zukunft Streit um die Klauseln in der Sachversicherung geben wird, zeigt auch der Fall "Duschfuge". In der Urteilsbegründung ging der BGH von dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aus, der die Bedingung so lesen müsste, dass die Duschwanne als fest mit dem Rohrleitungssystem verbunden gilt, die Fuge aber nicht (Urteil vom 20. Oktober 2021 – BGH; IV ZR 236/20).

Nach Einschätzung von Professor Günther würde aber der Luftraum zwischen Duschkopf und Fuge zum versicherten Leitungswassersystem gehören. Bei kleinen Einrichtungen wie der Dusche gelte das, nicht aber bei großen Küchen, wenn hier "rumgespritzt" wird. Mittlerweile stellten das die Versicherer klar. So bestätigt auch der Versicherungsmakler Grafenberg AG, dass verschiedene Versicherer die Folgeschäden durch defekte Fliesen oder undichte Fugen in ihren Bedingungswerken versichert haben - wenn auch oft mit einem Sublimit. Dass der Markt im Nachgang unklare Klauseln klarstellt, nutzt aber meist dem Erstkläger wenig.

Enge Auslegung beim BSV-Corona-Streit

Diskutiert wurde auch noch einmal der Mega-Streit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV). Hier hatte Günther frühzeitig über BLD die Meinung vertreten, dass Schließungen im Rahmen der Corona-Pandemie nur dann versichert sind, wenn die Krankheiten abschließen aufgezählt wurden. Dieser Meinung hatte sich im Wesentlichen auch der BGH angeschlossen und den Klägern keinen Schadenersatz aus der BSV zugebilligt, wenn der Betrieb behördlich wegen Corona geschlossen wurde. (Urteile vom 18. Januar 2023; IV ZR 359/21; 26.01.2022 - IV ZR 144/21). Gab es keine namentliche Aufzählung der Krankheiten in den Bedingungen, wurde den Versicherten hingegen auch vom BGH ein Anspruch zugesprochen (Urteil vom 18. Januar 2023 IV ZR 465/21).

Juristen bewerten die Auslegung des Transparenzgebotes zur BSV als sehr "eng". "Der BGH hat in der Vergangenheit regelmäßig und richtigerweise hohe Anforderungen an die Transparenz von Allgemeinen Geschäfts- oder Versicherungsbedingungen gestellt. Mit der Entscheidung vom 26. Januar 2022 verlassen die Karlsruher Richter diese Linie ein Stück weit", stellt beispielsweise Mark Wilhelm, Partner der Sozietät Wilhelm, fest. Fazit: Auch künftig werden Kunden und Vermittler immer wieder mit dem Ärger um unklare Klauseln konfrontiert sein.

Hilft Elementarschadenpflichtversicherung?

Problematisch ist auch die Situation rund um den Elementarschutz in der Wohngebäudeversicherung. Hier fordern Politiker und Verbraucherschützer die Einführung einer Pflichtversicherung. Diese Meinung vertritt auch Jurist Sturm. Damit könnte vermieden werden, dass große Unwetterschäden, die zeitlich in der Nähe eines Wahlkampfes passieren, vom Staat großzügig entschädigt werden, während andere Betroffene leer ausgehen. Sturm: „Eine Elementarschadenpflichtversicherung würde dieses Problem lösen. Dann hat der Kunde erst einmal einen Anspruch gegen einen Versicherer.“ Sturm verwies darauf, dass es beispielsweise im liberalen Frankreich bereits eine solche Pflichtversicherung gäbe.

Demgegenüber lehnt Jurist Günther eine Elementarschadenpflichtversicherung ab. „Hier müssen individuelle Lösungen gefunden werden“, sagte er. Es gehe lediglich um drei Prozent der Wohnungseigentümer, die in der Hochrisikozone „Zürs 4“ eine Immobilie besitzen und nicht oder nur schwer versicherbar seien. Denn 50 Prozent der Gebäude wären schon freiwillig versichert. Allein 47 Prozent der Hauseigentümer hätten aus unerfindlichen Gründen diesen wichtigen Schutz nicht eingedeckt, obwohl sie es könnten. Günther riet dazu, mit weniger drastischen Stellschrauben die Durchdringung des Unwetterschutzes zu erhöhen. So sei die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vorgeschlagene Widerspruchlösung sinnvoll. Hier müsste der Kunde eigenständig aktiv werden, um den Schutz abzuwählen. „Wer einen Immobilienkredit bei der Bank aufnehmen will, müsste eine Elementarschadenversicherung nachweisen“, schlug Günther als weitere Lösung vor. Nach Einschätzung von Moderatorin Julie Schellack, Vizepräsidentin des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) und Partnerin des Versicherungsmaklers Martens & Prahl, laufe eine bankbezogene Pflichtdeckung für Kredite aber bei Bestandsimmobilien ins Leere. Versicherungsjurist Sturm bietet die Elementarschadenversicherung in seinem Versicherungsmaklerunternehmen immer aktiv mit an. „Es gibt aber eine historische Trägheit bei Wohngebäudebesitzern. Vor allem Erben übernehmen die Versicherung so wie sie ist - wohl auch weil sie die Gefahr nicht wahrnehmen“, ist seine Erfahrung. 

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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