Gericht kippt Allianz Werbung zur Index-Police

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Seit 2007 bietet die Allianz Lebensversicherung mit "Index Select" eine neuartige Rentenversicherung an. Längst sind mehr als ein Dutzend Versicherer dem Marktführer gefolgt, wenn auch in sehr unterschiedlicher Produktgestaltung. Jetzt hat die Verbraucherzentrale Hamburg vor Gericht eine Unterlassungsklage gegen die Allianz und das Produkt Index Select durchgesetzt. Danach darf der Lebensversicherer bestimmte werbende Formulierungen im Internet nicht mehr verwenden.

Nach Meinung des Versicherers ist die Online-Produktinformation aber für Verbraucher "verständlich und übersichtlich." Daher prüft die Allianz anhand der Begründung des Landgerichts München derzeit, ob sie gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil in Berufung gehen will (Urteil vom 23. März 2018, Az. 37 O 12326/17). Seit langem kritisieren Verbraucherschützer die hohe Komplexität von Index-Policen. Das Landgericht hat ihnen nun in gewissen Umfang Recht gegeben. So dürfe die Allianz nicht den Eindruck erwecken, dass es sich um eine direkte Anlage in ein Finanzprodukt handelt. Nach Meinung des Gerichts, gebe es nur eine beschränkte "Korrelation des Renditeversprechens mit der Wertentwicklung des Aktienindexes".

Höchst komplexes Produkt
Tatsächlich ist das Produkt technisch höchst kompliziert. So erläutert die Rating-Agentur Assekurata in ihrer Marktstudie 2018: "Für die Indexbeteiligung verwendet der Versicherer die Überschussbeteiligung zum Erwerb von Finanzderivaten (Optionen), über die die produktimmanente Indexbeteiligung abgebildet wird. Hierfür werden in der Regel so genannte Cliquet- oder Call-Optionen eingesetzt, vereinzelt auch Rückversicherungslösungen. Allgemein können Indexpolicen als strukturiertes Kapitalanlagekonzept eingeordnet werden, das in den Mantel einer Rentenversicherung eingebettet ist."

Solche Erläuterungen zeigen, dass ein einfacher Zugang zum Produkt für Durchschnittverbraucher schwer sein dürfte. Immerhin erklärt die Verbraucherzentrale Hamburg das Produkt selbst. Sie schreibt: "Die beworbene Indexbeteiligung erfolgt nach dem Verständnis der Hamburger Verbraucherschützer nicht über die eingezahlten Beiträge, sondern ausschließlich über die von der Allianz erwirtschaftete und jährlich zu ermittelnde Überschussbeteiligung. Die Rendite des Finanzprodukts wäre damit nicht primär von der tatsächlichen Wertentwicklung des Aktienindex abhängig, sondern vielmehr von den Überschusserträgen des Lebensversicherungsunternehmens." Das sieht auch die Ratingagentur Assekurata so: "Für den Kunden lohnt sich gerade bei Indexpolicen ein intensiver Blick auf die Finanz- und Deklarationsstärke der einzelnen Anbieter, weil sie sich mittelbar auf die Vertragsrendite des Kunden auswirkt." Anders gesagt: Bei einem schwachen Lebensversicherer wird es auch keine starke Index-Police geben. Zudem erhält der Kunde niemals die volle Wertentwicklung der über Optionsgeschäfte bezogenen Aktienindizes. Sie wird gekappt oder nur anteilig berücksichtigt, um das Nichtverlust-Risiko des Kunden zu finanzieren.

Hohe Kosten
Nach Einschätzung der Allianz haben die Hamburger Verbraucherschützer das Produkt, "trotz vieler Gesprächsangebote" nicht verstanden. Wenn dem so wäre, dürften wohl auch viele Kunden das Produkt nicht verstehen. Daher sollten alle Anbieter die Urteilsbegründung des Landgerichts genau studieren. Problematisch sind zudem die Kosten, die aufgrund der Policen-Konstruktion sehr hoch ausfallen. Laut der Assekurata-Studie liegen die Effektivkosten im Markt bei durchschnittlich 1,15 Prozent, was einen hohen Performance-Verlust bedeutet. In der Vergangenheit hätten einzelne Indexpolicen aber durchaus ansehnliche Renditegutschriften zwischen fünf und über zehn Prozent pro Jahr hervorgebracht. Gleichzeitig müssten Kunden in schwachen oder volatilen Kapitalmarktphasen auch mit Null-Renditen leben.

In einer Musterrechnung hat Assekurata für Indexpolicen marktweit auf Basis der sicheren Verzinsung, die der Kunde ebenfalls wählen kann, für 2018 eine Beitragsrendite von 1,74 Prozent errechnet. Ohne Risiko, also ohne die indirekte Indexbeteiligung, sind die Policen aufgrund der Inflation ein Minusgeschäft. Daher rechnet die Allianz beispielsweise positiv vor, dass ein Kunde, der im April 2008 einen Index Select Vertrag gegen Einmalbeitrag abgeschlossen hat, "nach neun Jahren durchgängiger Indexpartizipation (Stichtag April 2008 - April 2017) einen Wertzuwachs von rund 50 Prozent erreicht. Dies entspricht nach allen Kosten einer jährlichen Wertentwicklung von circa 4,6 Prozent".

Versicherer steuert Ergebnis
Bei anderen Stichtagen, kann es aber zu deutlich abweichenden Ergebnissen kommen. Die Rendite von Indexpolicen ist "im Vorhinein ungewiss", stellt Assekurata fest. Demgegenüber sind die neuen Produkte für Versicherer sehr vorteilhaft, denn im Vergleich zur klassischen Lebensversicherung muss wegen deutlich reduzierten Garantien weniger Risikokapital abgefordert werden. Gleichzeitig können die Versicherer den Überschusszins und die Beteiligung am Optionsgeschäft regelmäßig neu justieren - beispielsweise zuungunsten des Verbrauchers, wenn es die Risikotragfähigkeit des Versicherers verlangt.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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