Versicherungsvertreter vor dem Arbeitsgericht?

Für selbständig tätige Handels- und Versicherungsvertreter gilt nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) grundsätzlich, dass Rechtsstreitigkeiten mit dem vertretenen Unternehmen vor den so genannten ordentlichen Gerichten, das sind in erster Instanz das Amts- oder Landgericht, verhandelt werden. Von diesem Grundsatz macht das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in § 5 allerdings eine Ausnahme.


Obwohl der Vertreter einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht, ist das Arbeitsgericht zuständig, wenn
  • der Vertreter vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden darf bzw. ihm dies nach Art und Umfang der Tätigkeit nicht möglich ist (so genannter Einfirmenvertreter) und
  • der Vertreter aus dieser Tätigkeit im Durchschnitt der letzten sechs Monate – bei kürzerer Laufzeit im Durchschnitt dieser Laufzeit – monatlich nicht mehr als 1.000 Euro Vergütung bezogen hat.
Wann ist die Verdienstgrenze unter- oder überschritten
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in einem aktuellen Beschluss vom Februar 2008 klar gestellt, wann diese Verdienstgrenze unter- oder überschritten wird. Im zu entscheidenden Fall hatte der beklagte Vertreter zwei Argumente vorgebracht. Von seinen - unstreitigen - Provisionsansprüchen in Höhe von durchschnittlich 1.078,65 Euro während der letzten sechs Monate sei zum einen die vom Unternehmen sogleich verrechnete Monatsmiete inklusive dem Versicherungsbeitrag für ein Notebook abzuziehen. Das wären 163,61 Euro.

Zum anderen habe das Unternehmen in den letzten Monaten nicht verdiente Provisionsvorschüsse mit den abgerechneten Provisionen verrechnet, so dass es gar nicht mehr zu einer Auszahlung von Provisionen gekommen sei. Insgesamt habe der Vertreter deshalb weniger als 1.000 Euro pro Monat ausgezahlt erhalten. Nicht das vom Unternehmen angerufene Landgericht sei daher für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, sondern das Arbeitsgericht.

Auf Aufwendungen und Kosten kommt es nicht an
Beide Einwände ließ der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch nicht gelten. Dass der Vertreter mit den Provisionen eigene laufende Aufwendungen für seine Tätigkeit wie etwa für seine Arbeitsmittel bezahlt, sei nach dem Gesetz der Regelfall. Daher sei es ohne Bedeutung, welche Mittel dem Handelsvertreter nach Abzug von Aufwendungen und Kosten verbleiben. Als unbedeutend betrachteten die Richter auch, von wem sich der Handelsvertreter seine Arbeitsmittel beschafft – also vom Unternehmer oder einem Dritten. Entscheidend für die Verdienstgrenze sei allein der Bruttoverdienst des Handelsvertreters ohne Abzug solcher Aufwendungen.

Entstandene Ansprüche sind entscheidend
Damit war auch die Linie für den zweiten Einwand des Vertreters vorgezeichnet. Nach Auffassung des BGH genügt es, wenn Provisionsansprüche in Höhe von durchschnittlich mehr als 1.000 Euro im Monat entstanden sind. Dass diese dann mit Gegenansprüchen – wie hier auf Rückzahlung unverdienter Provisionsvorschüsse – wieder verrechnet werden, sei irrelevant. Dies begründet der BGH ausdrücklich auch damit, dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht von den verrechenbaren Schulden des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer abhängen könne. Die einem Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit, die § 5 ArbGG als Gesetzeszweck zugrunde liege, dürfe nicht davon abhängen, ob es sich bei dem Handelsvertreter „um einen säumigen Schuldner“ handele oder nicht.

Fazit
Nach Auffassung des BGH kommt es für die Bestimmung der Verdienstgrenze also nicht auf den tatsächlichen Auszahlungsbetrag, sondern auf den (abgerechneten) Bruttomonatsverdienst an.

Den Beschluss des BGH vom 12. Februar 2008 (Az: VIII ZB 51/06) finden Sie im Volltext unter .

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Autor(en): Dr. Michael Wurdack

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