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Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens

1. Begriff: Befreiung des Versicherungsunternehmens von der grundsätzlich gegebenen Verpflichtung zur Leistung anlässlich eines Versicherungsfalls. Das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gebraucht fast ausschließlich die Wendung: „Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet…“ (§§ 26 I S. 1, II S. 1, 37 II S. 1, 38 II, 81 I, 82 II S. 1, 87 II S. 2, 97 I S. 2, 103 VVG; Ausnahme: § 117 I VVG). Dass es sich um synonyme Begriffe handelt, folgt aus § 28 II S. 1 VVG: „Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei …“. Aus Sicht des Versicherungsnehmers handelt es sich um den Wegfall, d.h. den Verlust des sonst bestehenden Versicherungsanspruchs.

2. Anwendungsbereiche: a) Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers (§§ 26, 28 II–IV, 82 III und IV, 97 I VVG). Bei vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung übernimmt der Rücktritt bereits die sonst angeordnete Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens.
b) Prämienverzug (§§ 37 II, 38 II VVG).
c) Herbeiführung des Versicherungsfalls (§§ 81 I, 103 VVG).

3. Abgrenzungen: Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens ist die Folge von schuldhaften, i.d.R. kausalen (nicht z.B. bei Arglist und Prämienverzug) Fehlverhaltensweisen des Versicherungsnehmers. Nicht dazu gehören objektive Risikoausschlüsse oder -begrenzungen, Entschädigungsgrenzen, Begrenzungen des Versicherungsschutzes durch Versicherungssummen bzw. Deckungssummen, Selbstbeteiligungen (Franchise): Eine Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens kommt bei deren Eingreifen überhaupt nicht in Betracht. Die Gegensätzlichkeit lässt § 117 VVG für den Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung deutlich werden. Bei Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens gegenüber dem Versicherungsnehmer bleibt die Verpflichtung des Versicherungsunternehmens in Ansehung des Dritten bestehen (Abs. 1). Dagegen kann das Versicherungsunternehmen Begrenzungen der von ihm übernommenen Gefahr auch gegenüber dem Dritten einwenden (Abs. 3). Diese Abgrenzung entspricht auch § 114 II VVG. Danach darf der Versicherungsvertrag Inhalt und Umfang der Pflichtversicherung näher bestimmen, wenn es sich jedoch um derartige objektive Begrenzungen handelt, nur soweit die Erreichung des jeweiligen Zwecks der Pflichtversicherung nicht gefährdet wird.

4. Geltendmachung: Die Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens tritt nicht automatisch kraft Gesetzes ein. Das Versicherungsunternehmen muss sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen.

5. Umfang: Die Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens kann den Versicherungsanspruch des Versicherungsnehmers vollständig oder nur teilweise erfassen. Eine teilweise geltende Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens beruht auf (nur) teilweiser Kausalität und/oder der Quotenregelung bei grober Fahrlässigkeit. Bei Prämienverzug kommt nur die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens in Betracht.

Autor(en): Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, Professor Dr. Helmut Schirmer

 

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