Alle lieben den Versicherungsvertreter

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Ehrlich gesagt dachte ich zuerst an einen Witz, als ich die Schlagzeile Ende September bei den Kolleginnen und Kollegen von Versicherungswirtschaft online gelesen habe. Doch weit gefehlt.

In der Meldung heißt es weiter: „Der klassische Vertreterkontakt beeinflusst noch immer im hohen Maße die Kundenbegeisterung mit einer Versicherungsgesellschaft. Dabei leisten Vertreter in den Augen der Kunden einen hervorragenden Job, zeigt das Servicebarometer Assekuranz von Sirius Campus. Versicherungsvertreter bleiben ein Garant für Kundenbegeisterung”.

Niemand mag Versicherungsvertreter

Meine Skepsis, ob ich hier nicht einer Fake-Meldung aufgesessen bin, fußte auf den Meldungen, die kurz zuvor in den Medien zu lesen war: Demnach ist im Imageranking der Versicherungsvertreter zum wiederholten Male nur Schlusslicht, so das Ergebnis der „Bürgerbefragung öffentlicher Dienst 2021“ des Deutschen Beamtenbundes. Nur acht Prozent der Befragten bringt dem Vertreter ein „(sehr) hohes“ Ansehen entgegen. Alle Jahre wieder, denn an den Ergebnissen dieser Umfrage ändert sich von Jahr zu Jahr nicht viel. Am besten schneiden aktuell Feuerwehrmänner ab. Sogar Politiker bringen es bei diesem Wert immerhin auf 22 Prozent. Auch hier wenig Änderung im Vergleich zu den Vorjahren.

Wie das zusammenpasst

Wir konstatieren: Kunden lieben ihre Vermittler, trotzdem ist der Beruf einer der unbeliebtesten im Land. In der Studie von Sirius Campus heißt es, dass die stärksten Begeisterungsstifter im Vertreterkontakt eine individuelle Beratung unter Berücksichtigung der persönlichen Kundensituation und die Empfehlung passender Produktvarianten seien. Im Marktdurchschnitt erleben fast alle Vertreterkunden (91 Prozent) diese Beratungsqualität in ihrer meist langjährigen Beziehung zu einer Versicherungsagentur.

Negativgeschichten schuld

Studienleiter Oliver Gaedeke erklärt, dass das pauschal negative Image von Versicherungsvermittlern besonders durch auffällige Negativgeschichten häufig mit kostspieligen Fehlberatungen geprägt sei. Erst wenn Kunden einen Menschen direkt kennenlernen und der Vertreter im wiederholten Beratungs- und Servicekontakt seine Stärken offenbart, baue sich das von uns gemessene große Vertrauen auf – unabhängig vom Image des Berufsstandes.

Online und persönlich ist die Zukunft

Vergleichsportale und Online-Dienste könnten die persönliche Beratung nicht ersetzen, aber ergänzen, da selbst junge Leute mit der fehlenden Beratung bei rein digitalen Kontaktorten nicht zurechtkommen und lieber einen Vertreter aufsuchen, erklärt Gaedeke. Bestätigt wird dies durch die Studie „Vorsorge 2025: Wie sich junge Leute digital absichern“ der Senacor Technologies AG. Demnach legten auch Digital Natives beim Abschluss einer Versicherung Wert auf eine persönliche Beratung. Die Kombination aus beiden Welten scheint das erfolgreiche Zukunftsmodell zu sein. Vertreter mit modernen Online-Service- und Beratungsangeboten können ihre Kunden begeistern und binden.

 

Imageprobleme bei Politikern

Ein großes Problem des Berufsstandes Vermittler ist, dass er bei Politikern wenig Ansehen genießt. So sieht der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), Michael Heinz, den Berufsstand der Versicherungsvermittler von der Politik systematisch schlecht geredet. Die Politik müsse endlich umfassend die sozialpolitische Bedeutung des Berufsstands anerkennen, fordert er.

Provisionen müssen bleiben

Das Provisionsmodell steht bei einigen Parteien, gerade bei denen, die wahrscheinlich die künftige Regierung bilden, stark in der Kritik. Die provisionsbasierte Beratung muss aber erhalten bleiben. Denn es gibt kaum Beschwerden über Vermittler beim Versicherungsombudsmann. Den Politikern muss klargemacht werden, warum ein Provisionsverbot ein Irrweg ist. Die provisionsbasierte Beratung ist sozial gerechter als eine Honorarberatung, denn bei dieser zahlt ein Millionär genauso viel wie ein Normalverdiener. Die Beispiele Skandinavien und Großbritannien zeigen darüber hinaus, dass ein Provisionsverbot zu weniger Beratung gerade bei den einkommensschwachen Schichten führt. Altersarmut wäre für diese Menschen die logische Konsequenz.

Auch Versicherer müssen sich positionieren

Stocksauer sind die Vermittlerverbände auch auf den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dabei steht Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in der Kritik, der ein Standard-Altersvorsorgeprodukt vorgeschlagen hat, das ohne jede Beratung online auf den Markt gebracht werden könne. Der BVK wehrt sich entschieden gegen ein solches Produkt, dass ohne Vermittler angeboten werden soll. Damit würde einhergehen, dass die Kunden nicht nach ihren Bedürfnissen beraten werden. Das würde gegen geltendes Recht verstoßen. Denn die Kunden müssten eine Beratung aktiv abwählen. Es wird Zeit, dass sich der GDV in der Politik für den Vertrieb einsetzt!

Autor(en): Bernhard Rudolf

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