Allianz und Huk-Coburg sollten sich warm anziehen

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„Telematik ist auf dem Weg zum Kfz-Standardprodukt.“ Eine recht gewagte These. Aufgestellt von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK), einer Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH aus Köln. Onnen Siems, einer ihrer Geschäftsführer, lieferte in einem Pressefrühstück die Begründung hierfür.

Die Aktuare aus Köln sind nicht nur davon überzeugt, dass Telematik die Kfz-Versicherung der Zukunft prägen wird, sondern sie wollen auch noch den Platzhirschen auf diesem Gebiet, Allianz und Huk-Coburg, die Stirn bieten und mit einem Partner, Neodigital, den Markt aufmischen und eigene Tarife anbieten.

Der Telematik-Markt heute und wie er 2025 aussehen könnte

MSK schätzt, dass es circa 750.000 Telematik-Verträge im deutschen Markt gibt. 90 Prozent dieser Verträge liegen im Bestand von Allianz und Huk-Coburg.  Der letztgenannte Versicherer hat nach Recherchen der Aktuare seinen Telematik-Pool zuletzt mehr als verdoppeln können und zwar auf knapp 400.000 Verträge. Die MSK-Chefs sind sich aber sicher, dass die Anzahl der Telematik-Verträge bis 2022 sogar die Millionengrenze überschreiten wird. Und bis 2025 rechnet die Beratungsgesellschaft mit mehr als zehn Millionen Telematik-Verträgen und dies bei einer Verdoppelung der Anbieter. Und genau zu diesen neuen Mitbewerbern will MSK demnächst auch gehören.

Dafür hat die aktuarielle Gesellschaft im Oktober 2020 eine Testphase mit elf Erstversicherern und ihrer eigenen „MSK-Telematik-App“ gestartet. Hierzu gab es diverse Workshops, die auch in der Corona-Pandemie reibungslos ablaufen konnten. Unter anderem auch, weil MSK 2020 schnell neue digitale Prozesse implementiert hat und unter anderem ein eigenes TV-Studio in Köln eingerichtet hat. Mit den bislang elf Versicherern, die in der Testphase involviert waren, sind die Aktuare weiterhin im Gespräch. Diese hätten aber signalisiert, dass sie erst ab 2022 oder auch 2023 einen derartigen Telematik-Tarif einführen möchten. Die Testphase wird noch bis September fortgesetzt und „ist offen für alle interessierten K-Versicherer“, ermuntern die MSK-Macher potenzielle Interessenten.

Wollen ab nächster Wechselsaison als Mitbewerber am Start sein

Um ein derartig engagiertes Projekt erfolgreich stemmen zu können, braucht man aber Unterstützung, einen schlagkräftigen Partner. Dies soll wie gesagt Neodigital werden und dieser soll als Risikoträger agieren. Der digitale Versicherer will ab der diesjährigen Wechselsaison mit MSK Telematik-Tarife anbieten und zwar unter der Kategorie „Telematics as a service-Lösung“. Damit dies möglich ist, wird Neodigital wohl demnächst die Zulassung für die Kfz-Sparte seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhalten. Um den Markteintritt professionell zu gestalten, gründen die Akteure eine Service GmbH, der aktuelle Arbeitstitel von dieser lautet: „We enable“. Geschäftsführer dieser neuen GmbH soll Alexander Fechner werden.

Die Partner streben eine so genannte Technologie- und Kostenführerschaft an. Bei den Kosten soll dies bedeuten, dass diese sich pro Monat auf maximal einen Euro belaufen sollen, also ein Kostenaufwand von maximal zwölf Euro im Jahr für den Kunden.

Schwerpunkt soll der Ausbau des B-to-B-Geschäftsmodells sein

Was bei dem Projekt nicht sein soll: Dass Neodigital Zugriff auf die Telematik- Daten erhält. MSK wird als unabhängiger Treuhänder für aktuarielle Analysen (also Scoring- und Tarifmodell) eingesetzt. Geplant sind bei dieser Partnerschaft Geschäftsmodelle für die Bereiche B-toB-to-C und B-to-B. In naher Zukunft soll der Schwerpunkt der Businessaktivitäten aber auf dem Ausbau des B-to-B-Geschäftsmodells liegen.

„Telematik wird sukzessive die klassische Tarifierung ablösen und eine höhere Tarifgerechtigkeit ermöglichen,“ zeigt sich Onnen Siems überzeugt und für die Zukunft optimistisch. Seinen Optimismus begründet er damit, dass die individuelle Historie der Telematik-Fahrer aussagekräftiger als die klassische Schadenfreiheitshistorie sei.

Diese stärkere Aussagekraft der Telematik liege darin begründet, dass nicht nur – gemeldete – Schäden, sondern auch „Beinah-Unfälle“ sowie riskantes beziehungsweise vorsichtiges Fahren erfasst würden. Die Zukunftsvision der Aktuare sieht dabei so aus: Anfragen von Vorversicherern werden auf das Telematik-System erweitert und Fahranfänger zahlen bei gutem Telematik- Profil deutlich weniger. Und Autofahrer könnten zum Beispiel auch eine gute Telematik-Historie aufbauen, indem sie vom Car-Sharing Gebrauch machen würden.

Vorsichtiges Fahren belohnen, riskantes Fahren mittelfristig bestrafen

Onnen Siems sieht in der Telematik einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit, denn sie belohne vorsichtiges Fahren und werde mittelfristig riskantes Fahren bestrafen. Damit leiste die Telematik einen wichtigen Beitrag zur „Vision Zero“, also dem Ziel, die Zahl der Verkehrstoten auf 0 zu bringen. Zudem sei zu bedenken, dass das bisherige Bonus-Malus-System, bei dem der Autofahrer 45 schadensfreie Jahre vorweisen müsse, um in die niedrigste Schadensklasse eingestuft zu werden, nicht wirklich kundenfreundlich sei. Die Telematik-Versicherung greife dieses System zwar auf, erweitere aber den Mess- und Betrachtungsbereich.

Viel Arbeit und Gehirnschmalz wird wohl noch in dieses ehrgeizige Telematik-Projekt fließen. Aber sicherlich nötig, denn die neuen Partner MSK und Neodigital wollen „einen großen Telematik-Pool aufbauen wie Allianz und Huk-Coburg“. Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die nächste Wechselsaison gestaltet und für wen sich die Kunden entscheiden.

Autor(en): Meris Neininger

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