Arbeits- und Wegeunfälle: Häufig Rechtsstreit um Rente

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Die Arbeitssicherheit hat anscheinend in der Corona-Krise gelitten. Zudem gibt es mehr Unfälle auf der Fahrt von und zur Arbeit. Die meisten Wegeunfälle passieren mit dem Pkw. Arbeitnehmer und Unternehmen sollten die Sicherheit rund um die Arbeit wieder großschreiben. Extra-Vorsorge über die Firma oder privat kann sinnvoll sein, um im Ernstfall zumindest finanzielle Schäden auszugleichen. Denn die Berufsgenossenschaften gelten weiterhin als besonders streitbar, wenn es um eine gesetzliche Unfallrente geht.

Mit dem Abflauen der Corona-Krise hat die Arbeitswelt wieder neuen Schwung aufgenommen. Leider sind damit - erstmals seit langem - die Zahl der Arbeits- und Wegeunfälle deutlich gestiegen. Die Zahl der Arbeitsunfälle erhöhte sich um 44.282 oder 5,8 Prozent, die der Wegeunfälle um 17.370, was sogar einer Steigerung um 11,4 Prozent entspricht. Das geht aus vorläufigen Zahlen hervor, die die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bereits für 2021 veröffentlicht hat.

Auf Pkw entfallen die meisten Wegeunfälle

Die tödlichen Arbeitsunfälle sind sogar um über 28 Prozent gestiegen, während die tödlichen Wegeunfälle leicht um 2,9 Prozent abnahmen. Die Ursache dürfte weiterhin die immer stärkere aktive Sicherheit moderner Fahrzeuge sein, die heute mit mannigfaltigen Assistance-Systemen schwere Unfälle oft vermeiden. Bei Wegeunfällen verunfallen die meisten Arbeitnehmer aber mit dem Auto. Das zeigt eine neue Langzeitstudie der DGUV. So ereigneten sich im Straßen- und Schienenverkehr insgesamt rund 565.000 meldepflichtige Wegeunfälle in den Jahren 2016 bis 2020. Etwa die Hälfte davon (267.442) waren Pkw-Unfälle. Auf das Fahrrad entfielen 128.029 Unfälle, auf motorisierte Zweiräder 36.421. Exakt 31.007 Versicherte waren zu Fuß unterwegs, als sie einen Unfall hatten. Bus, Bahn, Zug, Straßenbahn und U-Bahn sind hingegen relativ sicher. Auf diese Verkehrsmittel entfielen im gesamten Untersuchungszeitraum lediglich 5.745 Unfälle.

Neu im Blick: Pedelecs und E-Scooter

"Beim Pendeln mit Zug und Straßenbahn kommt es nur selten zu meldepflichtigen Wegeunfällen", stellt die DGUV fest. Daran änderten auch Unglücke wie zuletzt bei Garmisch-Partenkirchen, bei dem vier Menschen starben und fast 70 verletzt wurden, nur wenig. Die Unterschiede zwischen den Verkehrsmitteln betreffen nicht nur die meldepflichtigen Wegeunfälle, sondern auch die tödlichen Unglücke. Danach waren sieben von zehn tödlichen Wegeunfällen im Straßenverkehr in den Jahren von 2016 bis 2020 Unfälle mit dem Pkw oder dem motorisierten Zweirad. Jeweils weniger als ein von hundert tödlichen Wegeunfällen entfiel auf die Verkehrsmittel Bahn oder Bus.

Ein neues Verkehrsmittel könnte aber künftig negativ in die Schlagzeilen geraten. Erstmals hat die DGUV nun Daten für elektrisch betriebene Kleinfahrzeuge vorgelegt. 2020 ereigneten sich 847 Wegeunfälle mit dem Pedelec und 504 Wegeunfälle mit dem E-Scooter. Angesichts einer Verkehrswende, die auch über mehr Diensträder forciert wird, gelte es den Umstieg auf das Fahrrad mit Investitionen in die Verkehrssicherheit zu flankieren, fordert die DGUV.

Wegeunfälle

 

Im Ernstfall ist Streit mit der gesetzlichen Unfallversicherung schnell vorprogrammiert. Für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist die Berufsgenossenschaft zuständig und nutzt dafür Gutachter. Doch selbst wenn ein eine MdE von 50 Prozent festgestellt wird, heißt das noch nicht, dass der Versicherte dann in dieser Höhe eine Rente erhält. "An die Entscheidung des Gutachters ist die Verwaltung nicht gebunden", erklärt Thomas Lucks, Pressesprecher der Berufsgenossenschaft Bau.

Job-Rad-Unfall von Werkstatt versichert

Vielfach müssen Versicherte, vor allem wenn es um eine hohe Rente geht, vor dem Verwaltungsgericht um ihre Ansprüche streiten. So erlitt im März 2018 eine Arbeitnehmerin nach der Abholung ihres "Job-Rades" von der Werkstatt einen schweren Unfall. Eine Leistung lehnte die zuständige Berufsgenossenschaft ab. Begründung: Die Abholung des Rades sei eine privatnützige Tätigkeit gewesen. Erst in zweiter Instanz, beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, bekam die Arbeitnehmerin Recht. Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitnehmer mit der jährlichen Wartung eine zusätzliche Pflicht von seinem Arbeitgeber übernommen habe. Damit erhielt die Fahrt von der Werkstatt, die außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfand, den Stempel "direkter Heimweg von der Arbeit" (Urteil vom 21. Oktober 2021 - L 1 U 779/21).

Weniger gut sieht es hingegen für diejenigen aus, die ihren unmittelbaren Weg zur oder von der Arbeit unterbrechen, um sich bei einem Bäcker oder Metzger etwas zu essen zu kaufen und vor der Fahrtfortsetzung zu Schaden kommen (BSG, Az.: B 2 U 1/16 R und B 2 U 11/16 R). Ärger gibt es zudem immer wieder bei Unfällen auf oder nach Betriebsfreiern. Staatlichen Schutz gibt es nämlich nur, wenn das Event von der Unternehmensleitung organisiert, gebilligt oder gefördert wird und der Chef oder zumindest ein Vertreter an der Veranstaltung teilnimmt. Fehlt eines der Kriterien, gibt es keine Unfallrente, wie das Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in einem Urteil bestätigte (Az.: L 10 U 31/08).

Doppelschutz ist sinnvoll

Daher ist Doppelschutz sinnvoll. Die Firmenunfallversicherung schützt die gesamte Belegschaft. Sie kann höchst flexibel vereinbart werden. So ist der unterschiedliche Schutz verschiedener Gruppen im Betrieb in einem Vertrag möglich. Die Firmenunfallpolice setzt schon ab einem Invaliditätsgrad von einem Prozent ein und gilt weltweit, rund um die Uhr. Sie erlaubt mit relativ wenig Aufwand, das Firmenimage aufzupolieren und stärkt die Mitarbeiterbindung.

Tipp: Extra-Unfallschutz benötigt der Unternehmer selbst und alle "unternehmerähnliche Person“, wie Ehefrau oder Ehemann sowie eigetragene Partnerin oder Partner, die aus persönlichen Gründen familienhaft nur nebenbei im Betrieb arbeiten. Sind sie nicht gesetzlich versichert.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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