Gefangen im Dickicht der Ideologie

740px 535px

Ein Finanzanalytiker verrät, wie man der Altersarmut entgeht - jedenfalls wenn man kein "disziplinloser Geselle" ist. Welche Argumente stichhaltig sind und welche nicht.

Seit Jahren belehrt der Finanzanalytiker Volker Looman die klugen Köpfe, die laut Eigenwerbung hinter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) als Leser und Leserinnen stecken sollen, dass sie auf keinen Fall Versicherungsgesellschaften ihr Geld anvertrauen sollen. Vergangen Dienstag folgte ein Beitrag, der sich kritisch mit der Basis- oder Rürup-Rente auseinandersetzt.

Attraktive Rente

Dazu zeigt Looman zunächst ein Rechenbeispiel, das auf den ersten Blick von den Vorteilen einer Basisrente überzeugt. In seinem Musterbeispiel investiert ein 50-Jähriger bis Alter 67 jährlich 24.000 Euro in eine solche Rente und erhält bis Alter 90 jährlich 26.578 Euro Rente. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Wirkung bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 35 Prozent in der Ansparphase und 20 Prozent in der Rentenphase ist das Ganze ein einträgliches Geschäft. Denn der Rentner hat jedenfalls bis Alter 90 insgesamt -jeweils brutto - 611.294 Euro ausgezahlt bekommen und dafür nur 408.000 Euro eingezahlt. Das entspricht einer durchaus attraktiven Verzinsung, wie man sie sonst im Markt vergeblich sucht.

Netto hat dieser Beispielsparer sogar nur 347.353 Euro bis zum Rentenbeginn investiert und nach 16,2 Jahren diesen Betrag netto wieder zurückerhalten - sprich mit Alter 83. Das widerspricht allen üblichen Verbraucherschutzbehauptungen, dass Versicherte uralt werden müssten, um jemals ihr Geld aus der Rentenversicherung zurückzuerhalten.

Das bisschen Steuerersparnis

Das Ganze wird noch besser, "sollte der Mann fünf Jahre länger leben", sinniert Looman, wobei es auch durchaus gar nicht so wenige Menschen geben soll, die zehn und noch mehr Jahre länger leben als bis Alter 90. Doch statt dieses Modell als sinnvolle Altersvorsorge zu empfehlen, kommt nun eine gewundene Argumentation zum Tragen, warum es ein großer Fehler sei, einer Versicherungsgesellschaft sein Geld anzuvertrauen.

Erster Schritt ist, die Steuerersparnis als "ein paar Abgaben" kleinzureden. Sie betrage nur "525 Euro jährlich", was in Zusammenhang mit der zuvor genannten Gesamtsummen von 140.000 Euro Steuerersparnis in der Ansparphase und Steuerlasten von 119.000 Euro in der Rentenphase irgendwie nach fast nichts klingt. Insgesamt 21.000 Euro Steuerersparnis hätte sich dagegen wohl nach zu viel angehört. Der Steuerhebel ist allerdings tatsächlich überschaubar, wie Looman korrekt darstellt und von einer "Basisrendite" von 2,06 Prozent sowie einer Rendite nach Steuer von 3,14 Prozent spricht. Immerhin.

Transparenzvorbild Börse?

Zweiter Schritt ist, dass den Versicherern etwas zusammenhanglos plötzlich vorgeworfen wird, sie würden "sich bei der Kalkulation ihrer Policen" nicht "in die Karten schauen" lassen. Deshalb könne man nicht beurteilen, "wie gut die Verzinsung letztlich ist". Das hört sich nach verschwörerischen Machenschaften an und nicht nach einem hoch regulierten Produkt, dessen Erfolg letztlich vor allem von den Finanzmärkten abhängt - wie jedes andere Finanzprodukt auch, und dazu noch eine garantierte Absicherung bieten kann. Vielmehr könne der "Vermögensverwalter der Versicherung" quasi mit dem Geld der Anleger machen was er wolle, und bei "Gebühren und Kosten" sei der Anleger zudem "dem Unternehmen total ausgeliefert". Eine besonders tiefe Kenntnis der Rechtsvorschriften zur Lebensversicherungen offenbaren solche Behauptungen nicht.

Die Empfehlung des Finanzanalytikers lautet, das Geld lieber selbst in Aktien zu investieren. Dabei wird suggeriert, damit ließen sich lebenslänglich sechs Prozent Rendite vor Steuern oder 4,42 Prozent netto erzielen, weit mehr als mit der steuergeförderten Basisrente. Inwieweit sich allerdings die Börsen beziehungsweise die Unternehmen hinter den dort gehandelten Werten "in die Karten schauen" lassen, wie verlässlich diese beispielhafte Renditeannahme ist, sprich welches Risiko der Anleger eingeht, wird nicht erörtert.

Dann ist man halt plötzlich arm

Dritter Schritt ist, das Thema Langlebigkeit kleinzureden. Looman weicht nicht wie andere Experten vor ihm in der FAZ komplett der Frage aus, wenn am Ende der statistischen Lebenserwartung noch individuelles Leben übrig ist. Allerdings wird der Finanzanalytiker, der vorher seinen Aussagen mit vielen Zahlen zu Prägnanz verholfen hat, seltsam unscharf. Man könne die lebenslange Rente" als eine "Größe, die jeder Anleger durch entsprechende Reserven selbst steuern kann" behandeln. Er solle bei "der Eigenanlage mit einer längeren Lebensdauer rechnen, so dass die Rente entsprechend sinken wird". Aus seinem eigenen, tabellarisch dargestellten Rechenbeispiel könnte man seine Aussage viel prägnanter ableiten: Dieser Muster-Anleger muss seine Rente ab Alter 91 auf null senken.

Weiterer Vorschlag: "Oder er kürzt die Auszahlungsdauer, weil er weitere Vermögen besitzt". Damit räumt Looman ein, dass sein Rechenbeispiel für jeden Anleger eine Milchmädchenrechnung ist, der länger als der Durchschnitt lebt. Er braucht zusätzliches Vermögen. Das könnte man auch rechnerisch ohne weiteres darstellen, nur dann würde die plakative Aussage zunichte gemacht, dass man "gefangen im Dickicht der Versicherungen" sei.

Und damit sich Menschen endgültig gewertschätzt wissen, die trotzdem einer Versicherung einen Teil ihrer Altersvorsorge anvertrauen, werden sie noch als "disziplinlose Gesellen" charakterisiert, die ihr Geld nicht selbst managen können.

Kosten der Eigenanlage?

Vollkommen übersehen hat der Finanzanalytiker schließlich, dass auch die Eigenanlage mit Kosten verbunden ist. Hier berücksichtigt er nur Steuern, aber keineswegs Depot-, Kauf- und Anlageberatungskosten. Und wer sein Depot selbst managt, wendet dafür Geld für geeignete Informationsmedien und eine nicht unerhebliche Zeit auf.

Zeitaufwand entspricht aber betriebswirtschaftlichen Kosten. Da mit der Basisrente vor allem Selbstständige und Freiberufler angesprochen werden, lohnt sich folgendes Rechenexperiment: Aufgewendete Zeit für die jedes Jahr anfallende Informationsbeschaffung, Kontrolle des Depots und Anlageentscheidungen mal dem Stundensatz, den dieser Anleger alternativ mit seiner Tätigkeit als Selbstständiger oder Freiberufler in seinem Beruf oder Geschäft arbeiten und dies Kunden in Rechnung stellen könnte (Opportunitätskosten). Einem Finanzanalytiker sollte es eigentlich nicht schwer fallen, auch solche Musterberechnungen anzustellen. Aber vielleicht gibt es tatsächlich kluge Köpfe hinter der FAZ, die die schiefen Argumente durchschauen.

 

Autor(en): Matthias Beenken

Alle Branche News