Insurtechs immer erfolgreicher?

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Über den Erfolg neuer digitaler Versicherer gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. So konnten die neuen Anbieter bisher keine bahnbrechenden Neuerungen auf den Markt bringen. Sie sind aber deutlich flexibler aufgestellt und zwingen die etablierten Anbieter, vor allem den Antragsprozess zu verändern. Standard wird immer mehr, dass die Kunden mit ganz wenigen "Klicks" zur Police kommen.

Insurtechs, wie Getsafe, Lemonade, Element, Coya oder Nexible, sind angetreten den Versicherungsmarkt aufzumischen. Bisher sind die Aktivitäten aber noch nicht von sichtbarem Erfolg gekrönt. Nun behauptet ein Anbieter das Gegenteil. "Insgesamt greifen die neuen Insurtechs bereits ein Drittel der Neuverträge ab", sagte Alexander Grimm, anlässlich des 13. Bf21-Schadenkongress "Aktives Schadenmanagement". Grimm ist bei Getsafe als Chief Operations Officer tätig. Die App des Anbieters, der als Versicherungsvertreter aktiv ist, käme vor allem bei jungen Leuten extrem gut ankommen. So liege das Durchschnittsalter der Kunden bei 26 Jahren.

Insurtechs sind schlanker aufgestellt

Grundsätzlich haben es neue Versicherer hinsichtlich der Datenverarbeitung deutlich einfacher als etablierte Häuser. So haben Start-ups in der Regel nur ein IT-System, zwei Sparten und eine Tarifgenration, während klassische Kompositversicherer oft zehn Tarifgenerationen und bis zu vier IT-Systeme bedienen müssen. Dafür bieten sie aber im Schnitt auch rund fünf Sparten an und verfügen über Millionen von Bestandskunden.

Insurtechs haben es aber auch hinsichtlich der Schadenregulierung einfacher. So kommen etwa bei Getsafe 100 Prozent aller Schäden über das Smartphone. Nur darüber kann man nämlich einen Schaden melden. "Wir werden daher künftig nach Schäden den Kunden immer individueller behandeln", erläuterte Getsafe-COO-Grimm. Das Insurtech hat ein internes Ampelsystem für die Schadenabwicklung eingeführt.

"Gute" Kunden bekommen schneller Geld

Für "gute" Kunden und einfache Fälle könne die Schadenregulierung vollkommen dunkel in drei Minuten abgewickelt werden. Bei mittlerer Komplexität würde die Abwicklung derzeit drei Tage dauern. Demgegenüber würde die Regulierung bei komplexen Fällen oder wenn Kunden betrugsverdächtig sind, noch rund zwei Wochen dauern. "Für solche Kunden gestalten wir den Prozess automatisch anders und verlangen beispielsweise auch einmal eine Polizeimeldung", so Grimm.

Von anderen Kunden werde eine Ehrlichkeitserklärung verlangt. Alle Schäden würden zu 100 Prozent über die Getsafe-App per Smartphone angelegt und abgewickelt. So könne man auch feststellen, ob ein Foto tatsächlich mit dem genutzten Smartphone gemacht worden sei. Anfänglich habe die durchschnittliche Schadenbearbeitungszeit bei Getsafe 50 Tage betragen.

Mit Schadenregulierung Fans gewinnen

Doch die Geschwindigkeit sei immer stärker erhöht worden, weil man aus dem rund 8.000 gemeldeten Schäden gelernt habe. Per Chatbot könnten längst viele Kundenfragen automatisch beantwortet werden. Grimm: "Der Schadenfall ist der Moment, in dem man die Kunden happy machen kann und Fans gewinnt". So liege die Weiterempfehlungsbereitschaft im Schnitt bei 42 Prozent. Nach einem regulierten Schaden steige sie auf 61 Prozent. Bei Ablehnungen würde das Unternehmen jedoch seinen „Mann oder seine Frau stehen“ und den Kunden anrufen und die Gründe für die Nichtleistung erläutern.

Insgesamt hat Getsafe nun 80.000 Verträge und wächst laut Grimm monatlich um rund 5.000 Policen. Die Kontaktfrequenz des Start-ups sei deutlich besser als bei anderen Unternehmen, weil die App im Mittelpunkt stehe. Im Schnitt würde jeder Kunde alle drei Monate einmal auf seine App "kommen". 2020 will der Anbieter sein Portfolio um ein Lebensversicherungsprodukt erweitern.

Mit Vertrauen punkten

Demgegenüber hat sich das Insurtech Joonko vorgenommen, über ein Vergleichsportal ein hohes Kundenvertrauen aufzubauen. Verglichen werden derzeit Kfz-Versicherungen. "Sie bekommen bei uns nicht die günstigste, sondern die passendste Versicherung angezeigt", sagte Andreas Schroeter, der Mitglied des Vorstandes der Joonko AG ist. Gleichzeitig sei der gesamte Vergleichsprozess radikal einfach. "Das ist so gestaltet, als würden Sie einen Dialog mit ihrem Versicherungsmakler oder mit Freunden führen", so Schroeter.

Derzeit arbeitet das Unternehmen, das zur Finleap GmbH gehört, daran neben dem Kfz-Versicherungswechsel auch Neukunden ein Angebot zu unterbreiten. 2020 will das Portal ein Bankenprodukt auf den Markt bringen. Mit der Expertise des chinesischen Versicherers Ping An, der zu den Investoren von Finleap gehört, soll die Vergleichstechnik und auch die künftige Schadenabwicklung deutlich verbessert werden. Das chinesische Unternehmen habe pro Tag 10.000 Schadenfälle und könne seine künstliche Intelligenz ganz anders trainieren. "Die chinesischen Kunden laden das Foto eines beschädigten Fahrzeuges hoch und das System kann auf Basis der Fahrgestellnummer feststellen, was kaputt ist", erläuterte Schroeter.

Kfz-Schaden in wenigen Minuten entschädigt

Solche Technik gibt es aber längst auch schon in Deutschland. Entwickelt hat sie der Schadendienstleister Controlexpert. Er kommt angeblich oft mit einem Foto aus, um automatisch einen Schaden zu kalkulieren. "So können rund 60 Prozent der Schäden ohne oder mit geringem menschlichem Aufwand reguliert werden", sagte Geschäftsführer Nicolas Witte. Nach der - meist telefonischen - Schadenmeldung, erhält der Geschädigte einen Link. Hier kann er seinen Schaden melden und mit Fotos dokumentieren. Damit sei es möglich, in wenigen Minuten einen Kfz-Schaden zu regulieren.

Derzeit dauert es in der Branche im Schnitt noch 28 Tage einen Unfallschaden zu regulieren. Künftig will Controlexpert es erreichen, dass die Schäden an gleichen Tag bezahlt werden, wenn der Kunde fiktive Regulierung akzeptiert. Derzeit arbeitet der Dienstleister daran, Telematik-Daten zur Schadenregulierung zu nutzen. Das Unternehmen wickelt weltweit pro Jahr rund 9,1 Millionen Schäden ab. Durch die automatische Regulierung dürften klassische Sachverständige bald überflüssig werden - zumindest, wenn es um kleinere Schäden geht.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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