Kein Provisionsverbot

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Die EU-Finanzkommissarin McGuinness hat vor wenigen Tagen zu den Plänen Stellung bezogen, schädliche Fehlanreize bei Anlagen und Versicherungsanlagen zu bekämpfen. Ganz ungeschoren soll die Branche dennoch nicht davonkommen.

Das Thema eines drohenden Provisionsverbots durch europäische Rechtsetzung im Rahmen der sogenannten Kleinanlegerstrategie beschäftigt den deutschen Versicherungsvertrieb massiv. Gerade erst hat der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) einen Brandbrief an die EU-Kommissionspräsidentin geschickt, um das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhüten und es nicht zu einer Beratungslücke gerade für kleine Anleger kommen zu lassen

Risiken in der Banken-Union

Auch die europäische EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness, die mit ihren Absichtserklärungen zu einem Verbot schädlicher Anreize schon Ende letzten Jahres diese Unruhe ausgelöst hatte, berichtete in einer Rede gestern in Stockholm, sie sei auf erbitterten Widerstand und ebenso unerbittlicher Befürworter zur Idee eines Verbots der von den Anlage- und Versicherungsgesellschaften zu zahlenden Vergütung für Vermittlung und Beratung gestoßen.

In ihrer Rede bei einem Kongress des Thinktanks Eurofi betonte die Kommissarin, dass der Weg zu einer besseren Kapitalmarkt-Union noch weit ist, in der ein konsequenter Verbraucherschutz umgesetzt ist. Vor allem sorge sie sich um die Resilienz des Bankensystems, nachdem man zuletzt Banken in den USA und in der Schweiz scheitern sah. Das gebe es dank einer sehr guten Bankenregulierung in der Europäischen Union nicht. Aber sie warnte vor Selbstzufriedenheit. Man müsse weiter sehr wachsam sein, denn die Zinswende führe zu weiteren, großen Risiken für das Bankensystem.

Nachhaltige Transformation finanzieren

Die übergroße Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland sei eine weitere Mahnung gewesen, schnellstmöglich nachhaltig zu werden. Europa solle eine Führungsrolle bei der Transformation der Wirtschaft und ihres Energieverbrauchs einnehmen. Das erfordere sehr konsequente, aber auch mit Ruhe und überlegt gewählte Schritte. Davon hänge die künftige Wettbewerbsfähigkeit Europas ab.

In diesem Zusammenhang betonte McGuiness die Rolle privater Investoren zur Finanzierung der grünen Transformation. Europäer seien ein Volk von Sparern, allerdings mit einer im Vergleich zum Beispiel zu den USA unterentwickelten Anlagekultur, was Dynamik und Risikobereitschaft, aber auch Vertrauen in die Anlagen angehe. Vom Chef der amerikanischen Anleger-Verbraucherschutzbehörde habe sie erfahren, was man in den USA besser mache.

Objektive Informationen und Beratung entscheidend

Dazu gehörten objektive Informationsquellen, die den Anlegern hilfreich zur Seite stehen. Und genau da liege ein Problem in Europa. „Ohne vertrauenswürdigen Rat werden Kleinanleger nicht mehr im Kapitalmarkt investieren“, betonte McGuiness. Das sei der Grund, warum sie die Beratung zu einem zentralen Thema gemacht habe.

Aktuell sei es üblich, dass Finanzberater Provisionen und andere Anreize von Dritten – typischerweise den Produktgebern – erhalten und dadurch Interessenkonflikten unterliegen. Erneut behauptete McGuiness, es gebe Forschungsergebnisse, Kunden bekämen dadurch teurere oder ungeeignete Anlageprodukte empfohlen. Dabei gibt es an den von der EU-Kommission herangezogenen Studien erhebliche Kritik. So tauchten Berechnungsfehler auf, und auch die Prämissen erscheinen fragwürdig, wie beispielsweise aktuell eine Studie des Ifa-Instituts Ulm zeigt.

Kunden würden laut der Kommissarin oft nicht erfahren, wie viel sie tatsächlich für die Beratung bezahlen. Auch das ist erstaunlich, wenn man die Vielzahl und Detailverliebtheit an europäischen Rechtsvorgaben zur Offenlegung von Kosten verschiedenartiger Anlage- und Versicherungsanlageprodukte bedenkt.

„Verbraucher verdienen eine anständige Beratung, der sie vertrauen können, zu einem anständigen Preis“, so McGuiness. Ein von fremden Einflüssen verzerrter Rat sei da nicht hilfreich.

Harte Debatten waren notwendig

Die Kommissarin bedankte sich für die zahlreichen Stellungnahmen in der Debatte um ein mögliches Provisionsverbot. In der ideologisierten Auseinandersetzung könne man zwar kaum neutral bleiben, aber alle Diskussionen seien sehr hilfreich gewesen. Harte Debatten würden helfen, gute Lösungen zu finden.

Und dann kam sie zum Kern: McGuiness räumte ein, dass es unterschiedliche Wege zum gewünschten Erfolg eines Angebots an objektiver Beratung gebe und die derzeit bestehenden Probleme nicht „über Nacht“ gelöst werden könnten. Man habe deshalb auf diejenigen gehört, die ein umfassendes Provisionsverbot als zu tiefen Eingriff in den gegenwärtigen Markt ansehen. Aber ebenso höre man denjenigen zu, die Schäden für die Verbraucher sehen.

Mehr Transparenz, mehr Aufsichtsdruck

Im Ergebnis sei damit ein allgemeines Provisionsverbot erst einmal vom Tisch. Das ist aber nur eine teilweise Entwarnung. Denn McGuiness kündigte alternative Maßnahmen an, insbesondere weiter verschärfte Transparenzvorschriften. Eigentlich kann damit nur noch ein obligatorischer Kostenausweis gemeint sein.

Das allein reiche jedoch nicht. Sie kündigte schärfere Vorgaben für die Gewährung von Anreizen an. Ein Ansatzpunkt ist die „Value for Money“-Diskussion über eine Mindestrendite von Anlagen, die auch in Deutschland geführt wird, veranlasst durch einen Merkblattentwurf der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Eine verschärfte Aufsicht gehöre ebenfalls zum Paket neuer Maßnahmen.

Provisionsverbot nur für beratungsfreien Verkauf

Ein Provisionsverbot soll es doch geben, aber nur für beratungsfreie Verkäufe, die unter dem Label „Execution only“ laufen. In Deutschland ist diese Vertriebsform nur im Anlagevertrieb relevant, im Versicherungsvertrieb ist stets Beratung vorgeschrieben.

McGuiness betonte, der Verzicht auf ein umfassendes Provisionsverbot dürfe nicht als Freifahrschein für den Provisionsvertrieb missverstanden werden. Sie kündigte die Gründung eines „runden Tischs“ mit verschiedenen Stakeholdern wie unter anderem den Branchen- und den Verbraucherschutzverbänden an, um mit ihnen über Wege zur Lösung der Anreizprobleme und eine Zeitplanung zu diskutieren. Der Gesetzesakt zur Kleinanlegerstrategie wird zudem eine Revisionsklausel bekommen, um die Wirksamkeit der Regeln künftig zu überprüfen und gegebenenfalls doch noch härtere Maßnahmen zu ergreifen. „Und das wird es uns ermöglichen, bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt ein vollständiges Anreizverbot einzuführen“, warnte die Kommissarin.

Autor(en): Matthias Beenken

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