Eine wissenschaftlichen Analyse, kann Erstaunliches über die Motive von Mitarbeitern im Versicherungsaußendienst an den Tag bringen. Versicherungsmagazin führte ein Interview mit Markus Brand und Frauke Ion vom Institut für Lebensmotive, Köln, die eine Motivanalyse nach der „Reiss Profile-Methode“ bei einem großen Versicherer erstellt haben.
Können Sie kurz das so genannte Reiss Profile skizzieren?
Das "Reiss Profile" ist ein Erhebungsinstrument und dient der Bestandsaufnahme der persönlichen Motivstruktur nach Prof. Steven Reiss. Dargestellt werden die 16 Lebensmotive und ihre Ausprägungen, die so individuell sind wie der Fingerabdruck eines Menschen. Sie bilden als Grundbedürfnisse den Kern unserer Identität ab. Das Reiss Profile gibt Auskunft über die intrinsischen (vom Innersten des Menschen kommend) "Endzwecke", nach denen man im Leben strebt. Es verdeutlicht also das, was man will und die Stärke des Verlangens danach. Das Verfahren ist wissenschaftlich fundiert und weist hohe Zuverlässigkeitswerte auf. Wenn der Mensch seine innere Motivation kennt und diese mit seinen gesetzten Zielen übereinstimmen, kann er Ziele leichter erreichen, Herausforderungen besser meistern und zu einer höheren Zufriedenheit in der Lebensgestaltung gelangen.
Wie lauten die 16 Lebensmotive?
Sie lauten: Macht, Unabhängigkeit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sammeln/Sparen, Ehre, Idealismus, Beziehung, Familie, Status, Rache/Kampf, Eros, Essen, Körperliche Aktivität, Emotionale Ruhe. Zu jedem dieser Motive tendieren Menschen in unterschiedlicher Intensität zu einem schwach oder stark ausgeprägten Pol.
Warum haben Sie sich für Ihre Untersuchung ausgerechnet den Vertrieb eines großen Versicherers ausgesucht?
Interessanterweise haben - unabhängig von der Krise und den wieder wachsenden Arbeitslosenzahlen - die meisten großen Versicherer eine Fluktuation von weit über 50 Prozent bei den Kundenberatern im Außendienst. Obwohl das Thema "Kompetenz" sehr gut über die Auswahlverfahren, wie etwa das Assessment Center erfasst werden, mangelt es offensichtlich an der richtigen Motivation der Bewerber bzw. den dann neuen Mitarbeitern. Und genau hier setzt das Reiss Profile zur Erkennung der individuellen Motivstruktur an.
Welches war das überraschendste Ergebnis ihrer Analyse?
Überraschend war erst einmal, dass es tatsächlich aussagekräftige Ergebnisse gibt. Offensichtlich ist neben dem Können auch das Wollen sehr maßgeblich. Vielleicht sogar noch wichtiger, da man sich Kompetenzen aneignen kann, intrinsische Motive hingegen sind zeitlich stabil und unveränderbar. Auf der Ergebnisseite gab es einige Überraschungen. Nehmen wir im Falle der Kundenberater im Außendienst die erhöhte Ängstlichkeit, sprich hohe Ausprägung nach Emotionaler Ruhe. Der hohe variable Gehaltsanteil spricht eher gegen die Motivausprägung dieser Menschen und doch sind diese besonders erfolgreich. Zum einen vermutlich, weil sie sich schon zu Beginn des Jahres anstrengen, die Ziele zu erreichen und zum anderen auch, weil sie in der Versicherungswelt die Ängste ihres Kunden (die sie ja auch überdurchschnittlich in sich tragen) empathisch aufnehmen, verstehen und absichern können.
Auch das hohe Streben nach Familie, sprich einem fürsorglichen Umgang mit Frau und Kind(ern), ist deutlich. Einerseits dient es als guter Ausgleich zu den beruflichen Anforderungen, andererseits macht es den Kundenberater erneut empfänglich für die gewünschte Absicherung des Kunden und seiner Familie. Weniger überraschend sind sicherlich die Ergebnisse, dass der erfolgreiche Kundenberater ein Streben nach Status, Ordnung, Geselligkeit, Ziel- und Zweckorientierung sowie nach Wettbewerb hat. Sein hohes Machtmotiv mag dem Anspruch einer überdurchschnittlichen Kunden- und Serviceorientierung vielleicht entgegenwirken, gleichzeitig sind sie dadurch aber in der Lage, klare Empfehlungen auszusprechen, Verantwortung zu übernehmen und den Kunden zu leiten.
Was macht Ihrer Untersuchung zufolge einen guten Makler aus?
Laut unserer Analyse müssen Makler nicht stressresistent sein. Im Gegenteil: Die erfolgreichsten sind eher stresssensibel, sehnen sich nach Stabilität und Planbarkeit. Sie sind ängstlich und versuchen, Unwägbarkeiten zu vermeiden. Aufgrund der Befürchtung, ihre Ziele nicht zu erreichen, beginnen sie bereits frühzeitig, hart zu arbeiten und nicht erst dann, wenn es eng wird mit der Zielerreichung.
Außerdem sind die erfolgreichsten Vertriebler an einer emotionalen Verbundenheit mit Ihren Kollegen wenig interessiert. Sie suchen eher Unabhängigkeit, Freiheit und Autonomie. Hierbei ist zu beachten, dass ihnen nicht „psychische“, dafür aber umso mehr „physische“ Nähe wichtig ist. Die Spitzenverkäufer sind ungern alleine und fühlen sich eher wohl in Kontakt mit Menschen. Die hohen Ausprägungen des Macht- und Statusmotivs zeigen, dass die guten Makler gerne ihre eigenen Entscheidungen treffen und Menschen oder Situationen dominieren.
Die Zugehörigkeit zu einer besonders erfolgreichen Elite und der Besitz von Dingen oder Fähigkeiten, die andere nicht haben, geben ihnen den Kick. Dies kann sich in materiellem Status (PKW, Kleidung, Vermögen) oder auch in immateriellen Statusattributen wie Titel oder sozialem Ansehen ausdrücken. Zu guter Letzt werden die Spitzenmitarbeiter im Versicherungsaußendienst durch ein hohes Wettkampf- und Ordnungsmotiv angetrieben. Der gute Makler will dauerhaft im Vergleich zu den Kollegen besser dastehen. Auch die Durchsetzung gegenüber dem Kunden - gemäß des Leitsatzes „Bei einem "Nein" fängt der Verkauf erst an" - scheint dort zu passen. Zu diesem Motiv passt auch der hohe Ordnungssinn, den ein guter Vertriebler inne haben sollte. Er braucht klare Prozesse, Routinen und "saubere Abläufe". Im eher chaotischen und unstrukturierten, stark kundenorientierten Umfeld eines Maklers hilft dieses Motiv sicherlich, eine Struktur (Tages- und Wochenstruktur) zu realisieren und auch hierdurch besondere verkäuferische Erfolge zu untermauern.
Welche konkreten Maßnahmen lassen sich für die Personalauswahl aus Ihrer Analyse ziehen?
Durch die Berücksichtigung der Motivstruktur lässt sich die Personalauswahl besser gestalten und nur so lassen sich viele tausend Euro durch eine Reduktion der Fluktuation einsparen. Unnötige Kosten der Einarbeitung und der Verlust von Kundenkontakten könnten vermieden werden. Die Frage ist also nicht, ob man sich eine bessere Personalauswahl leisten kann, sondern ob man es sich noch leisten kann, darauf zu verzichten! Neben der Personalauswahl ist auch eine verbesserte und funktionierende Führung der Mitarbeiter möglich. Noch weiter gedacht könnte auch das Gehaltsmodell den Bedürfnissen der Kundenberater angepasst werden, denn die Risikoneigung bei Menschen ist extrem unterschiedlich. Provisionsmodelle können einige Menschen extrem motivieren, andere im gleichen Maße verängstigen, demotivieren und bremsen.
Buchtipp:
FRAUKE ION / MARKUS BRAND
30 Minuten für mehr Work-Life-Balance durch die 16 Lebensmotive
ISBN 978-3-89749-870-9
6,50 Euro, GABAL Verlag
Frauke Ion und Markus Brand betreiben seit 2006 das . Neben der wissenschaftlichen Auswertung des Reiss Profiles bieten sie auch Einzel-Coachings, Vorträge sowie offene und firmeninterne Seminare zum Thema an. Außerdem bildet das Institut für Lebensmotive auch Personalentwickler und Recruiter zum Reiss Profile-Master aus.
Können Sie kurz das so genannte Reiss Profile skizzieren?
Das "Reiss Profile" ist ein Erhebungsinstrument und dient der Bestandsaufnahme der persönlichen Motivstruktur nach Prof. Steven Reiss. Dargestellt werden die 16 Lebensmotive und ihre Ausprägungen, die so individuell sind wie der Fingerabdruck eines Menschen. Sie bilden als Grundbedürfnisse den Kern unserer Identität ab. Das Reiss Profile gibt Auskunft über die intrinsischen (vom Innersten des Menschen kommend) "Endzwecke", nach denen man im Leben strebt. Es verdeutlicht also das, was man will und die Stärke des Verlangens danach. Das Verfahren ist wissenschaftlich fundiert und weist hohe Zuverlässigkeitswerte auf. Wenn der Mensch seine innere Motivation kennt und diese mit seinen gesetzten Zielen übereinstimmen, kann er Ziele leichter erreichen, Herausforderungen besser meistern und zu einer höheren Zufriedenheit in der Lebensgestaltung gelangen.
Wie lauten die 16 Lebensmotive?
Sie lauten: Macht, Unabhängigkeit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sammeln/Sparen, Ehre, Idealismus, Beziehung, Familie, Status, Rache/Kampf, Eros, Essen, Körperliche Aktivität, Emotionale Ruhe. Zu jedem dieser Motive tendieren Menschen in unterschiedlicher Intensität zu einem schwach oder stark ausgeprägten Pol.
Warum haben Sie sich für Ihre Untersuchung ausgerechnet den Vertrieb eines großen Versicherers ausgesucht?
Interessanterweise haben - unabhängig von der Krise und den wieder wachsenden Arbeitslosenzahlen - die meisten großen Versicherer eine Fluktuation von weit über 50 Prozent bei den Kundenberatern im Außendienst. Obwohl das Thema "Kompetenz" sehr gut über die Auswahlverfahren, wie etwa das Assessment Center erfasst werden, mangelt es offensichtlich an der richtigen Motivation der Bewerber bzw. den dann neuen Mitarbeitern. Und genau hier setzt das Reiss Profile zur Erkennung der individuellen Motivstruktur an.
Welches war das überraschendste Ergebnis ihrer Analyse?
Überraschend war erst einmal, dass es tatsächlich aussagekräftige Ergebnisse gibt. Offensichtlich ist neben dem Können auch das Wollen sehr maßgeblich. Vielleicht sogar noch wichtiger, da man sich Kompetenzen aneignen kann, intrinsische Motive hingegen sind zeitlich stabil und unveränderbar. Auf der Ergebnisseite gab es einige Überraschungen. Nehmen wir im Falle der Kundenberater im Außendienst die erhöhte Ängstlichkeit, sprich hohe Ausprägung nach Emotionaler Ruhe. Der hohe variable Gehaltsanteil spricht eher gegen die Motivausprägung dieser Menschen und doch sind diese besonders erfolgreich. Zum einen vermutlich, weil sie sich schon zu Beginn des Jahres anstrengen, die Ziele zu erreichen und zum anderen auch, weil sie in der Versicherungswelt die Ängste ihres Kunden (die sie ja auch überdurchschnittlich in sich tragen) empathisch aufnehmen, verstehen und absichern können.
Auch das hohe Streben nach Familie, sprich einem fürsorglichen Umgang mit Frau und Kind(ern), ist deutlich. Einerseits dient es als guter Ausgleich zu den beruflichen Anforderungen, andererseits macht es den Kundenberater erneut empfänglich für die gewünschte Absicherung des Kunden und seiner Familie. Weniger überraschend sind sicherlich die Ergebnisse, dass der erfolgreiche Kundenberater ein Streben nach Status, Ordnung, Geselligkeit, Ziel- und Zweckorientierung sowie nach Wettbewerb hat. Sein hohes Machtmotiv mag dem Anspruch einer überdurchschnittlichen Kunden- und Serviceorientierung vielleicht entgegenwirken, gleichzeitig sind sie dadurch aber in der Lage, klare Empfehlungen auszusprechen, Verantwortung zu übernehmen und den Kunden zu leiten.
Was macht Ihrer Untersuchung zufolge einen guten Makler aus?
Laut unserer Analyse müssen Makler nicht stressresistent sein. Im Gegenteil: Die erfolgreichsten sind eher stresssensibel, sehnen sich nach Stabilität und Planbarkeit. Sie sind ängstlich und versuchen, Unwägbarkeiten zu vermeiden. Aufgrund der Befürchtung, ihre Ziele nicht zu erreichen, beginnen sie bereits frühzeitig, hart zu arbeiten und nicht erst dann, wenn es eng wird mit der Zielerreichung.
Außerdem sind die erfolgreichsten Vertriebler an einer emotionalen Verbundenheit mit Ihren Kollegen wenig interessiert. Sie suchen eher Unabhängigkeit, Freiheit und Autonomie. Hierbei ist zu beachten, dass ihnen nicht „psychische“, dafür aber umso mehr „physische“ Nähe wichtig ist. Die Spitzenverkäufer sind ungern alleine und fühlen sich eher wohl in Kontakt mit Menschen. Die hohen Ausprägungen des Macht- und Statusmotivs zeigen, dass die guten Makler gerne ihre eigenen Entscheidungen treffen und Menschen oder Situationen dominieren.
Die Zugehörigkeit zu einer besonders erfolgreichen Elite und der Besitz von Dingen oder Fähigkeiten, die andere nicht haben, geben ihnen den Kick. Dies kann sich in materiellem Status (PKW, Kleidung, Vermögen) oder auch in immateriellen Statusattributen wie Titel oder sozialem Ansehen ausdrücken. Zu guter Letzt werden die Spitzenmitarbeiter im Versicherungsaußendienst durch ein hohes Wettkampf- und Ordnungsmotiv angetrieben. Der gute Makler will dauerhaft im Vergleich zu den Kollegen besser dastehen. Auch die Durchsetzung gegenüber dem Kunden - gemäß des Leitsatzes „Bei einem "Nein" fängt der Verkauf erst an" - scheint dort zu passen. Zu diesem Motiv passt auch der hohe Ordnungssinn, den ein guter Vertriebler inne haben sollte. Er braucht klare Prozesse, Routinen und "saubere Abläufe". Im eher chaotischen und unstrukturierten, stark kundenorientierten Umfeld eines Maklers hilft dieses Motiv sicherlich, eine Struktur (Tages- und Wochenstruktur) zu realisieren und auch hierdurch besondere verkäuferische Erfolge zu untermauern.
Welche konkreten Maßnahmen lassen sich für die Personalauswahl aus Ihrer Analyse ziehen?
Durch die Berücksichtigung der Motivstruktur lässt sich die Personalauswahl besser gestalten und nur so lassen sich viele tausend Euro durch eine Reduktion der Fluktuation einsparen. Unnötige Kosten der Einarbeitung und der Verlust von Kundenkontakten könnten vermieden werden. Die Frage ist also nicht, ob man sich eine bessere Personalauswahl leisten kann, sondern ob man es sich noch leisten kann, darauf zu verzichten! Neben der Personalauswahl ist auch eine verbesserte und funktionierende Führung der Mitarbeiter möglich. Noch weiter gedacht könnte auch das Gehaltsmodell den Bedürfnissen der Kundenberater angepasst werden, denn die Risikoneigung bei Menschen ist extrem unterschiedlich. Provisionsmodelle können einige Menschen extrem motivieren, andere im gleichen Maße verängstigen, demotivieren und bremsen.
Buchtipp:
FRAUKE ION / MARKUS BRAND
30 Minuten für mehr Work-Life-Balance durch die 16 Lebensmotive
ISBN 978-3-89749-870-9
6,50 Euro, GABAL Verlag
Frauke Ion und Markus Brand betreiben seit 2006 das . Neben der wissenschaftlichen Auswertung des Reiss Profiles bieten sie auch Einzel-Coachings, Vorträge sowie offene und firmeninterne Seminare zum Thema an. Außerdem bildet das Institut für Lebensmotive auch Personalentwickler und Recruiter zum Reiss Profile-Master aus.
Autor(en): Versicherungsmagazin