Warum die Verdachtsfälle auf eine Berufskrankheit gestiegen sind

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Wie aus den veröffentlichten Statistiken der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) hervorgeht, wurden den Trägern der Gesetzlichen Unfallversicherung für 2020 106.491 neue Verdachtsfälle auf eine Berufskrankheit gemeldet - das sind 32,9 Prozent mehr als 2019 und zudem der bisher höchste Wert seit der Wiedervereinigung.

Insgesamt prüften die Unfallversicherungsträger, also die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen letztes Jahr 101.206 Fälle, inwieweit tatsächlich eine Berufskrankheit vorliegt und die notwendigen versicherungsrechtlichen Kriterien erfüllt sind, um einen Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung zu haben. Das Ergebnis: Nur bei rund jedem zweiten Fall, handelte es sich um eine Berufskrankheit.

Berufskrankheit

Eine beruflich bedingte Krankheit gilt nur dann als Berufskrankheit, wenn sie in der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung verzeichnet ist oder die dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Diese Berufskrankheitenliste umfasst derzeit rund 80 Krankheitstatbestände.

In Einzelfällen kann eine berufsbedingte Erkrankung aber auch "wie eine Berufskrankheit" anerkannt werden, wenn laut DGUV "neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen, die belegen, dass für eine bestimmte Personengruppe arbeitsbedingt ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer bestimmten Gesundheitsstörung zu erkranken, besteht".

Es reicht also nicht aus, dass ein Zusammenhang der Erkrankung mit der Berufstätigkeit bestehen könnte. Daher können gemäß DGUV auch zahlreiche Volksleiden wie Muskel-, Gelenks- oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, "nur unter besonderen Voraussetzungen Berufskrankheiten sein".

Rekordwert bei den "anerkannten Berufskrankheiten"

Doch auch wer eine Berufskrankheit hat, muss zudem gesetzlich unfallversichert sein, wie dies bei Arbeitnehmern meist der Fall ist, damit es sich um eine so genannte anerkannte Berufskrankheit handelt, anderenfalls hat er keinen Anspruch auf Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung.

Von den 52.956 Verdachtsfällen, bei denen zwar eine Berufskrankheit bestätigt wurde, erfüllten 15.775 Betroffene die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Damit wurde von allen 101.206 geprüften Verdachtsfällen nur bei 37.181 eine anerkannte Berufskrankheit mit einem Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung festgestellt. Allerdings hat sich damit die Anzahl der anerkannten Berufskrankheit gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt, nämlich um 104,8 Prozent, und erreichte einen neuen Rekordwert. Im Vergleich zu 1996, dem Jahr mit den bisher meisten anerkannten Berufskrankheitsfällen (23.212 Fälle), hat sich die Anzahl in 2020 um 60,2 Prozent erhöht. 

BK-Fälle Zwick 

Corona sorgt für mehr Verdachtsfälle

Fast jeder dritte Verdachtsfall, nämlich 33.614 Fälle, war vergangenes Jahr auf Infektionskrankheiten zurückzuführen. In den beiden Vorjahren 2018 und 2019 gab es jeweils nicht einmal 2.000 Verdachtsfälle zu dieser Krankheitsart. Als Hauptursache für den enormen Anstieg nennt die DGUV die Covid-19-Erkrankungen, denn 30.329 Verdachtsanzeigen entfielen letztes Jahr allein auf diese Corona-bedingte Infektionskrankheit.

Auch 2021 wird Corona das Berufskrankheitsgeschehen massiv beeinflussen. Allein für Januar und Februar dieses Jahres gingen laut DGUV bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und den Unfallkassen insgesamt 47.578 Verdachtsanzeigen auf eine beruflich bedingte Erkrankung an Covid-19 ein. Seit Beginn der Pandemie bis Ende Februar dieses Jahres wurden insgesamt 49.295 Verdachtsfälle, die auf Covid-19 beruhen, entschieden und davon 42.753 Fälle als anerkannte Berufskrankheit gewertet.

Die DGUV betont: "Die Mehrheit der Fälle entfällt auf die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst (BGW) und Wohlfahrtspflege sowie auf die Unfallkassen. Dies hat folgenden Grund: Die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit ist vor allem für Beschäftigte im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege und in Laboratorien möglich. Darüber hinaus kann eine Berufskrankheit auch bei Beschäftigten anerkannt werden, die bei ihrer Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße wie die genannten Berufsgruppen ausgesetzt sind."

Gesetzlicher Schutz mit Lücken

Wichtig für die Verbraucher: Der gesetzliche Unfallschutz ersetzt nicht die private Einkommensabsicherung. Zum einen sind bei weitem nicht alle Unfälle und Krankheiten, auch wenn diese in einem beruflichen Zusammenhang stehen, durch die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Zum anderen muss trotz möglicher Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, auch zusammen mit eventuell anderen Sozialversicherungen wie der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, wegen einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalles mit Einkommenseinbußen gerechnet werden.

So beträgt bei einer 100-prozentigen Erwerbsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit die Vollrente von der gesetzlichen Unfallversicherung beispielsweise höchstens zwei Drittel des letzten Jahresarbeitsverdienstes.

Zudem kann der Bezug einer Rente der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 93 SGB VI auch zu einer Einkommensanrechnung beziehungsweise Rentenkürzung einer gleichzeitig bezogenen gesetzlichen Erwerbsminderungsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung führen, so dass es zu keiner 100-prozentigen Absicherung des bisherigen Nettoeinkommens kommt.

Autor(en): Marion Zwick

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