Zwischen Energieeinsparung und Modetrend

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Die freien Vermittler tun sich schwer mit dem Thema Nachhaltigkeit im Vertrieb. Das Thema polarisiert.

Im Rahmen der Asscompact Trends-Studien hat die Zeitschrift Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter neben der üblichen Abfrage der Vertriebsstimmung und der Makler-Favoriten unter den Versicherern nach den Erfahrungen und Einstellungen zur Nachhaltigkeit gefragt. 460 Teilnehmer weist die Studie insgesamt aus, wobei die Detailfragen teilweise von deutlich weniger Personen beantwortet wurden.

Erste Vermittlungserfahrungen liegen mehrheitlich vor

83 Prozent der Teilnehmer waren Versicherungsmakler, 24 Prozent auch oder nur Finanzanlagenvermittler. Das Durchschnittsalter hat mittlerweile 57 Jahre erreicht. In den freien Kommentaren kann man erkennen, dass manche Teilnehmer altersbedingt gar nicht mehr aktiv im Verkauf unterwegs sind, sondern nur noch Kundenbestände betreuen.

Knapp 70 Prozent der 220 Teilnehmer, die diese Frage beantwortet hatten, verfügen über Vermittlungserfahrung nachhaltiger Versicherungsprodukte, gut 30 Prozent nicht. Mit 77 Prozent sticht die Altersvorsorge bei den tatsächlich vermittelten, nachhaltigen Produkten deutlich hervor. Dahinter kommen mit 32 Prozent Kapitalanlagen und Finanzierungen, mit 27 Prozent private Schaden-/Unfallversicherungen, zehn Prozent Risikovorsorge-Geschäft und sieben Prozent gewerbliche Schaden-/Unfallversicherungen.

Viele empfinden das Thema als Zwang

Die Grundeinstellung der Vermittler zur Nachhaltigkeit ist eher selten von tiefer Überzeugung geprägt. Das geben jedenfalls nur 37 Prozent der Teilnehmer an. Ähnlich viele (36 Prozent) nähern sich dem Thema „mit Neugierde“, aber 28 Prozent fühlen sich umgekehrt „gezwungen“, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Gut jeder Vierte sagt auch, er müsse sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, „weil es alle tun“. Begeisterung klingt anders.

Dazu passt, dass eine aktive Ansprache beim Kunden eher die Ausnahme ist (28 Prozent Nennungen), wohingegen 32 Prozent abwarten, ob der Kunde es von sich aus anspricht. 28 Prozent stimmen sogar der Aussage zu, Nachhaltigkeit sei für ihre eigene Strategie „überflüssig“.

Fast jeder Zweite nicht im Internet

Auch die Relevanz für den eigenen Betrieb und für den Maklermarkt allgemein wird nur selten als hoch bewertet. Die Zustimmungswerte lauten hier 20 beziehungsweise 24 Prozent.

Vermittler, die Versicherungsanlageprodukte und Anlagen anbieten, müssen auf ihrer Homepage darlegen, wie sie strategisch mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen. Das setzt allerdings das Vorhandensein einer Homepage voraus. Erstaunliche 45 Prozent der Teilnehmer haben allerdings keine.

15 Prozent haben eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und auf der Webseite veröffentlicht. Der Rest nutzt entweder von Pools oder anderen Dienstleistern gestaltete Webseiten mit solchen Informationen (33 Prozent) oder als Versicherungsvertreter eine vom Vertragspartner zur Verfügung gestellte Seite (sieben Prozent).

Ökologie und Einsparung geht gut zusammen

Allerdings beschäftigen sich Vermittler mehrheitlich mit Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb. Im Vordergrund stehen dabei ökologische Maßnahmen, die zugleich auch Einsparungen bedeuten wie bei Energie, Mobilität und Abfall (42 Prozent).

In den freien Nennungen tauchen besonders oft Elektrofahrzeuge, Photovoltaikanlagen und Onlineberatungen als Beispiele auf. Immerhin 23 Prozent befassen sich mit ökonomischer Nachhaltigkeit durch Ergänzung ihres Angebots um nachhaltige Versicherungen sowie 18 Prozent mit sozialer Nachhaltigkeit. Bei zwölf Prozent stehen auch Maßnahmen im Bereich guter Unternehmensführung im Fokus. Nichts von alledem berücksichtigen 41 Prozent der Teilnehmer in ihren Betrieben.

Pragmatische Empfehlungen der Aufsicht mehr nutzen

Bei der Vorgehensweise in der Beratung berücksichtigen viele freie Vermittler noch nicht die pragmatischen Empfehlungen, die die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA veröffentlicht und die deutsche BaFin übersetzt hat . Dort wird beispielsweise geraten, den Kunden eine Erstinformation zu bieten, damit sie verstehen, was Nachhaltigkeit ist und welche Nachhaltigkeitspräferenzen sie äußern können. Das machen aber nur vier von zehn Vermittlern.

Um die Komplexität der Produktauswahl besser zu beherrschen, lautet die EIOPA-Empfehlung, zweistufig vorzugehen und zunächst in der Eignungsprüfung nach den Kriterien Rendite und Risiko dem Kunden geeignete Anlagen aufzuzeigen und diese erst im zweiten Schritt nach den Wünschen zur Nachhaltigkeit einzugrenzen. Das berücksichtigen lediglich 55 Prozent der Teilnehmer.

Kritisch ist dagegen, dass 15 Prozent sagen, sie würden interessierte Kunden vom Thema Nachhaltigkeit mit dem Argument abbringen, dass es dazu noch zu wenig Informationen gebe und sie deshalb besser keine Nachhaltigkeitspräferenzen angeben sollten. Und elf Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Kunden ganz generell besser keine nachhaltigen Anlagen und Versicherungsanlagen wählen sollten, weil „das Risiko des Greenwashings viel zu groß ist“. Diese Vermittler sollten sich allerdings nicht wundern, wenn spätestens in der nächsten Börsenkrise ihre Kunden die Beratungsdokumentationen nachlesen und ihre Anwälte bitten, darin nach Anhaltspunkten für eine Falschberatung zu suchen.

Es fehlt noch an Hilfsmitteln – und an Bildungsbereitschaft

Die Unterstützung in der Produktauswahl und Beratung ist allerdings ausbaufähig. 46 Prozent haben Software für die Auswahl nachhaltiger Versicherungen zur Verfügung. 42 Prozent prüfen, ob es Nachhaltigkeitsratings für die Anlagen und Versicherungsprodukte gibt, 40 Prozent tun dasselbe für Nachhaltigkeitsratings der Anlagegesellschaften und Versicherer.

Im Schaden-/Unfallversicherungsgeschäft prüfen bisher nur zwölf Prozent, ob es dort nachhaltige Tarife gibt. Noch weniger sind es in der Krankenversicherung.

Schließlich könnten die Vermittler mehr in Sachen Weiterbildung tun. Knapp jeder Vierte hat nach eigenen Angaben noch nie eine Bildungsmaßnahme zum Thema Nachhaltigkeit belegt. 58 Prozent geben nur eine „vereinzelte“ Teilnahme an. Es bleiben 16 Prozent mit regelmäßiger Teilnahme und sogar drei Prozent, die speziell für das Thema zertifiziert wurden.

Hintergrundinformationen

Die Asscompact-Studie Trends I/2024 mit dem Sonderthema „Nachhaltige Versicherungsberatung und Vermittlerbetriebe“ umfasst 191 Folien und zahlreiche weitere Informationen. Sie kann kostenpflichtig bei der BBG Betriebsberatungs GmbH (kaiser@bbg-gruppe.de) bestellt werden.

Autor(en): Matthias Beenken

Zum Themenspecial "Nachhaltigkeit"

 

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