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Prävention

lat. praevenire = zuvorkommen, verhüten.

1. Begriff:
a) Allgemein: Maßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Ereignisse und Entwicklungen. Öffentlich geforderte oder geförderte Maßnahmen der Prävention sollen Betroffene auch in ihrer Eigenverantwortung stärken und zur Selbsthilfe anregen. Prävention ist damit auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
b) Im Gesundheitswesen: Maßnahmen zur Vorbeugung des erstmaligen Auftretens von Krankheiten (Primärprävention), zur Früherkennung von symptomlosen Frühstadien von Krankheiten (Sekundärprävention), zur Verhütung der Verschlimmerung von manifesten Erkrankungen und Behinderungen sowie ihrer Folgen (Tertiärprävention).

2. Einzelheiten: a) Die Primärprävention hat zum Ziel, die Gesundheit zu fördern (Gesundheitsförderung) und zu erhalten, z.B. durch Schutzimpfungen und bestimmte Prophylaxe-Maßnahmen (Vitamin D-Prophylaxe). Auch Maßnahmen zur Reduzierung von Risikofaktoren (Rauchen, Adipositas) dienen der Primärprävention.
b) Die Sekundärprävention soll im Anfangsstadium einer Erkrankung durch frühzeitige Diagnose und Therapie das Fortschreiten und die Krankheitsentwicklung verhindern bzw. eindämmen. Hierzu zählen die sog. Screening-Programme (z.B. Mammografie-Screening), die der Früherkennung von zunächst symptomlos verlaufenden Krankheiten dienen.
c) Die Tertiärprävention soll bei bereits bestehenden, manifesten Erkrankungen die Wahrscheinlichkeit von akuten Rückfällen oder Folgeschäden (wie Schlaganfällen, Herzinfarkten, Erblindungen, Fußamputationen bei Diabetes) reduzieren. Die Tertiärprävention beinhaltet hauptsächlich Leistungen der Rehabilitation. Die drei Präventionskomponenten können sich in manchen Fällen überschneiden.

3. Weitere Ansätze: Im Sinne von Maßnahmen sind zu unterscheiden: a) die Verhaltensprävention, die eine Veränderung individueller gesundheitsgefährdender Gewohnheiten verfolgt (z.B. Aufgeben des Rauchens) und
b) die Verhältnisprävention, die Gesundheitsrisiken in den Umwelt- und Lebensbedingungen kontrollieren und vermindern soll (z.B. Rauchverbot in Gaststätten).

4. Prävention in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Präventionsleistungen sind Soll-Leistungen aller gesetzlichen Krankenkassen. Beispiele sind: a) Primärprävention und Gesundheitsförderung sowohl in Lebenswelten als auch in Form individueller Kurs- und Beratungsangebote (§§ 20, 20a SGB V),
b) Früherkennungsprogramme für Kinder und Erwachsene (§§ 25, 26 SGB V),
c) Impfungen im Rahmen der Empfehlungen der im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eingerichteten Ständigen Impfkommission (§ 20d SGB V).
d) medizinische Vorsorgeleistungen (§§ 23 I–V, 24 SGB V),
e) zahnmedizinische Gruppen- und Individualprophylaxe einschl. Fissurenversiegelungen (§§ 21, 22 SGB V),
f) Patientenschulungen im Sinne der Tertiärprävention (§ 43 I Nr. 2 SGB V),
g) Selbsthilfeförderung (§ 20c SGB V).

5. Prävention in der
privaten Krankenversicherung (PKV): Grundsätzlich trägt die PKV Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen, soweit sie auch von der GKV übernommen werden. Seit 2005 finanziert die PKV zudem spezielle Projekte der Primärprävention. Die PKV-Unternehmen engagieren sich freiwillig über den Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) bei der HIV-Prävention mit jeweils 3,5 Mio. Euro jährlich. 3,4 Mio. Euro gehen dabei pro Jahr an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und 0,1 Mio. Euro an die Deutsche AIDS-Stiftung. Für die Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen werden jährlich 8 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Ferner leistet die PKV als Maßnahme der Primärprävention für Impfungen, die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut empfohlen werden. Weitere Leistungsbeispiele im Bereich der Sekundär- und Tertiärprävention sind: a) Umfangreiche Früherkennungsprogramme für Kinder und Erwachsene, wobei GKV-Leistungen (§§ 25, 26 SGB V) der Mindeststandard sind (§ 1 IIb MB/KK 2009); i.d.R. gehen die Leistungen darüber hinaus,
b)Finanzierung der Infrastruktur (= fallunabhängige Kosten) beim Mammografie-Screening,
c) medizinisch notwendige Rehabilitationsmaßnahmen.

6.
Prävention in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV): Unfallprävention, Unfallverhütung, Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. Maßnahmen und Tätigkeiten, die Menschen davor bewahren sollen, dass ihr Leben und ihre Gesundheit durch Gefahren aus den in der GUV versicherten Bereichen geschädigt werden. Nicht nur die Versicherungsfälle Arbeitsunfall und Berufskrankheit sollen verhütet werden, sondern alle arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Element der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) und damit Teil des Systems der sozialen Sicherung in Deutschland (SGB VII). Staatlicher Arbeitsschutz und Prävention in der GUV ergänzen einander und werden im Rahmen der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie“ koordiniert. Die verantwortlichen Instanzen sollen die in den Betrieben primär verantwortlichen Unternehmer, aber auch die Beschäftigten beraten und die Durchführung überwachen. Ziele sind die Aufklärung über Risiken und Gefahren sowie die Implementierung geeigneter Schutzmaßnahmen, um Verletzungen, Berufskrankheiten und andere arbeitsbedingte Erkrankungen zu vermeiden und so die arbeitsbedingten Gesundheitsschäden dauerhaft zu senken. Die Aufgabe der GUV im Bereich der Prävention lässt sich mithin als Steuerungsaufgabe charakterisieren. Auch die Stärkung des Sicherheitsbewusstseins und die Motivation zu vorbildlichem Verhalten sind wichtige Bestandteile der Präventionsarbeit. Zu den Maßnahmen der Unfallprävention zählen die Veranlassung technischer Verbesserungen an Bauten, Fahrzeugen, Arbeitsmitteln usw., die Ersetzung gesundheitsgefährlicher durch ungefährliche Arbeitsstoffe, die „Erste Hilfe“ nach Arbeitsunfällen, eine arbeitsmedizinische Vorsorge bei gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen sowie (arbeits‑)organisatorische und personenbezogene Maßnahmen, wie z.B. das Tragen persönlicher Schutzausrüstungen. Eine zeitgemäße Prävention folgt einem ganzheitlichen Ansatz, der sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Maßnahmen genauso einschließt wie den Gesundheitsschutz, d.h. persönliche Bedürfnisse sowie anatomische und physiologische Möglichkeiten der Menschen. Daneben sind Umgebungsbedingungen, Verhaltensfehler wie Selbstüberschätzung oder Leichtsinn sowie die individuellen Eigenschaften von Personen relevante Parameter für Präventionsmaßnahmen.

7. Sonstige Aufgabenträger der Prävention:
Krankheitsverhütung ist auch eine Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Prävention im Rahmen arbeitsbedingter Gesundheitsschäden obliegt den Betrieben und der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV).

8. Weiterentwicklungen:
Die Zusammenfassung der zerstreuten Kompetenzen und Regelungen zur Prävention wurde 2015 in einem neu geschaffenen Präventionsgesetz vorgenommen.

9. Abgrenzung:
Von der Prävention ist die Gesundheitsförderung abzugrenzen, die auf die Stärkung individueller Gesundheitskompetenzen und den Aufbau gesundheitsförderlicher Strukturen zielt.

Autor(en): Prof. Dr. Jürgen Wasem

 

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