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Rücktrittsrecht

1. Begriff: Einseitige Befugnis, einen bestehenden (Versicherungs-)Vertrag zu beenden. Die Rücktrittserklärung führt zum Erlöschen bestehender, noch nicht erfüllter Ansprüche bzw. Verpflichtungen; erbrachte Leistungen werden rückabgewickelt (§§ 346 ff. BGB). Für Versicherungsverträge gelten abweichende Sonderregelungen.

2. Anwendungsbereiche: Versicherungsunternehmen haben bei vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung oder im Fall des Erstprämienverzugs des Versicherungsnehmers (Erstprämie, Prämienverzug) ein Rücktrittsrecht. In der Lebensversicherung ist das Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers nach § 8 V VVG a.F. entfallen. a) Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung: Das Rücktrittsrecht des Versicherungsunternehmens gilt bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers (§ 19 II, III S. 1 VVG). Bei einfacher Fahrlässigkeit oder fehlendem Verschulden hat das Versicherungsunternehmen nur ein Kündigungsrecht (§ 19 III S. 2 VVG). Nach einem Rücktritt besteht keine Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens für bereits eingetretene Versicherungsfälle. Die Leistungspflicht bleibt nur dann bestehen, wenn der verschwiegene Umstand für den Versicherungsfall nicht kausal war. Bei Arglist des Versicherungsnehmers besteht ohne Rücksicht auf die Kausalität keine Leistungspflicht (§ 21 II VVG). Die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers besteht bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung. Bei lediglich grob fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung wird das Rücktrittsrecht durch eine Vertragsanpassung ersetzt, wenn das Versicherungsunternehmen den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte (§ 19 IV S. 1 VVG). Die anderen Bedingungen – Prämienerhöhung oder Risikoausschluss – werden auf Verlangen des Versicherungsunternehmens rückwirkend zum Vertragsinhalt.
b) Zahlungsverzug bei der Erstprämie (§ 37 I VVG): Das Rücktrittsrecht setzt nunmehr (im Gegensatz zu § 38 II S. 1 VVG a.F.) Verschulden („Vertreten müssen“) des Versicherungsnehmers voraus. Eine Zahlungsunfähigkeit wirkt jedoch niemals entlastend, so dass nur sonstige, vielfach persönliche Gründe (Abwesenheit, Krankheit etc.) in Betracht kommen. Die Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens für eingetretene Versicherungsfälle besteht auch ohne Ausübung des Rücktrittsrechts. Die Rücktrittsfiktion mangels Klageerhebung auf Zahlung der Erstprämie binnen drei Monaten nach Fälligkeit (§ 38 I S. 2 VVG) ist entfallen. Tritt das Versicherungsunternehmen zurück, schuldet der Versicherungsnehmer eine angemessene Geschäftsgebühr (§ 39 I S. 3 VVG).

Autor(en): Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, Professor Dr. Helmut Schirmer

 

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