Betriebsschließungsversicherung: Probleme mit Kulanzleistung

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Der Streit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) geht munter weiter. Weil die Branche in der Corona-Krise unter Druck geraten ist, wollen immer mehr Versicherer, die eine Leistung auf Basis ihrer Bedingungen ablehnen, freiwillig zahlen. Dabei sollen staatliche Leistungen aber nicht angerechnet werden. Für Unsicherheit hatten hier verschiedene lokale Arbeitsagenturen gesorgt.

In ihren Bescheiden an Unternehmer, die von einer Betriebsschließung betroffen sind, weisen sie darauf hin, dass beim Vorliegen einer BSV keine Gewährung von Kurzarbeitergeld möglich ist. Kurzarbeitergeld spielt im so genannten bayerischen Kompromiss aber eine zentrale Rolle. So haben die Versicherer ermittelt, dass inklusive Kurzarbeitergeld die Unternehmen durch spezielle Corona-Hilfen rund 70 Prozent ihrer Kosten ersetzt bekommen. Daher sieht die bayerische Empfehlung vor, freiwillig 15 Prozent des versicherten Tagessatzes zu zahlen. Gedeckelt ist die Leistung auf 30 Tage.

Bundesagentur für Arbeit sorgt für Klarheit

Für Klarheit hinsichtlich der Verrechnung von Kurzarbeitergeld hat nun die Bundesagentur für Arbeit gesorgt. Eine Sprecherin der Bundesbehörde sagte: "Nur wenn die Betriebsschließung versichert ist, werden Leistungen aus dem Kurzarbeitergeld verrechnet. Freiwillige Leistungen sind nicht betroffen."

Auch die Allianz Versicherung, die Versicherungskammer Bayern sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verweisen in Statements darauf, dass es keine "Kollision" zwischen freiwilligen Zahlungen und staatlichen Leistungen geben könne. "Eine freiwillige Zahlung bedeutet, dass gerade nicht aus dem Versicherungsvertrag gezahlt wird", erläutert die Versicherungskammer Bayern.

Sind Hilfszahlungen eigentlich ein Vergleich?

Experten sind skeptisch. So verweist der Versicherungsaktuar und PKV-Gutachter Peter Schramm darauf, dass das Kulanzangebot der Versicherer alle Merkmale eines Vergleichs hätte. "Die Möglichkeit, dass Gerichte im Streitfall 100 Prozent zuerkennen würden, räumt der BSV-Versicherer ja mit der Leistung von 15 Prozent bei 'strittigen" Fällen ein", so Schramm.

Es handele sich also in Wirklichkeit um einen Vergleich zur Vermeidung eines Rechtsstreites mit dem Versicherer. "Wer die freiwillige Leistung annimmt, muss in allen Fällen eine Abgeltungsvereinbarung unterschreiben", bestätigt Tobis Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtanwälte aus Berlin. Diese Unterschrift bewertet Schramm als weiteres Indiz für einen Vergleich. "Bei einer wirklich freiwilligen Leistung ist keine Unterschrift notwendig", meint der Aktuar.

Viele Anwälte prüfen kostenfrei

Laut Strübing sollte man die Kunden darüber informieren, dass nach Meinung vieler Juristen eine ganze Reihe von Bedingungswerken eigentlich eine volle Zahlung erlauben. Rechtsanwaltkanzleien, wie Wirth, Wilhelm und MZS aus Düsseldorf, Michaelis aus Hamburg oder Pilz Wesser aus Berlin prüfen meist kostenfrei, ob ein Anspruch besteht. Wer dann gegen einen Versicherer streiten will, muss sich aber unter Umständen durch mehrere Instanzen klagen.

Nachmeldung zur Kulanz möglich

Nach Aussage der Allianz gibt es auf das Angebot der freiwilligen Hilfeleistungen eine große Resonanz. Unternehmen, die eine BSV-Police haben, die nach Meinung der Assekuranzen aufgrund der speziellen Bedingungen für Corona-Betriebsschließungen nicht leisten muss, können sich auch jetzt noch bei den Versicherern für eine Kulanzzahlung melden. "Wir werden bei den Hilfszahlungen für unsere Kunden keine Obliegenheitsverletzung wegen verspäteter Meldung gelten machen", bestätigt die Allianz Versicherung. Vermittler sollten daher ihre Kunden auch auf die Möglichkeiten einer Kulanzleistung aufmerksam machen. Allianz, Axa, Gothaer, Haftpflichtkasse, Nürnberger, R+V, Sparkassenversicherung, Versicherungskammer Bayern, VGH und Zurich haben sich bereits zu einer freiwilligen Leistung bekannt.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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