Big Data zwischen Utopie und Dystopie

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"Big Data - Bürgerschreck mit Potenzial zum Hoffnungsträger" so lautete der Titel des Goslar Diskurs, der Ende Januar 2019 stattfand. Auf der Veranstaltung wurden die Ergebnisse einer gleichnamigen Studie im Auftrag des Goslar Instituts diskutiert. Das Fazit der Studienmacher Professor Susanne Knorre von der Hochschule Osnabrück, Professor Horst Müller-Peters von der Technischen Hochschule Köln sowie Professor Fred Wagner vom Institut für Versicherungslehre (IVL) der Universität Leipzig, lautet: Ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Massendaten ist nötig, ohne den Datenschutz zu vernachlässigen.

Die Erhebung und Auswertung großer Datenmengen biete Bürgen und Unternehmen große Chancen, werde aber in Deutschland häufig negativ unter dem Schlagwort "Big Brother" gesehen, konstatierte Müller-Peters. Und dabei gerieten die Chancen durch die Auswertung von Daten völlig aus dem Blick, befürchtet der Wissenschaftler. Paradox sei, dass sich viele Menschen zwar vor Überwachung fürchteten, sich aber gleichzeitig 'Alexa' ins Wohnzimmer stellen oder eine Smart-Watch nutzten.

Bürger über Mehrwerte ansprechen

In der Expertenrunde listete Wagner einige Vorteile auf, die mit Big Data verbunden seien: etwa Fortschritte und bessere Dienstleistungen in den Bereichen Mobilität, Wohnen und Gesundheit. In diesen Lebenswelten könne sich ein Großteil der Bürger Mehrwert durch Big Data in Form von Smart Services, also nutzenstiftenden Anwendungen, vorstellen. Dieser Mehrwert werde von den Konsumenten geschätzt, berichtete der Wissenschaftler, besonders wenn es um die Abwehr von Gefahren gehe. Wenn der Bürger solchen Mehrwert erkenne, kippe auch seine Grundskepsis gegenüber Big Data, erklärte Wagner.

Datenschutz und die Nutzung von Big Data gehörten zusammen, sagte Thilo Weichert, Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. Er plädierte dafür, dass das Entwicklungspotenzial von Big Data im Gesundheitsbereich unbedingt ausgeschöpft werden solle. Doch dies basiere auf hochsensiblen Daten, die niemand einem Unternehmen für die Vermarktung einfach zur Verfügung stellen würde. Daher müsse man ausschließen, dass solche Daten für weitergehende Analysen genutzt werden, durch die sogar eine ganze Gesellschaft beeinflusst werden kann.

Nicht zu restriktiv regulieren

Eine akzeptable Auswertung von Massendaten stellen für ihn die Telematiktarife der Kfz-Versicherer dar. Diese förderten verkehrskonformes Verhalten der Autofahrer. Würden die Daten zusätzlich für Cross Selling genutzt, sei dies allerdings problematisch, warnte er. Der Experte zweifelt daran, dass sich mündige Verbraucher künftig auf gleicher Höhe mit den Unternehmen, die Daten sammeln und verwerten, bewegen werden. "Ich habe sehr große Bedenken, ob der eigentlich sehr schwache Konsument irgendwann einmal in der Lage sein wird, seine Daten selbst zu verwalten und auch zu vermarkten", sagte Weichert.

Auch Christoph Keese, geschäftsführender Gesellschafter der Axel Springer hy GmbH, beklagte eine Marktasymmetrie: Auf der einen Seite stünden Milliarden von Konsumenten und auf der Anbieterseite wenige stark monopolistisch orientierte Unternehmen. Aus seiner Sicht sei es daher an der Zeit, dass sich die Masse der Konsumenten organisiere. Denn in dem Wahrnehmen kollektiver Interessen stecke sehr viel Potenzial. Keese forderte zudem den Gesetzgeber auf, das Recht im Bereich Big Data zu schärfen. In dem Bereich hinke Deutschland der Entwicklung der Märkte um rund 15 Jahre hinterher.

Bei der Regulierung dürfe man jedoch nicht zu restriktiv vorgehen, da man sich sonst von der Entwicklung abkoppele, warnte Wagner. Datenschutz sei zweifellos sehr wichtig, aber übertrieben angewendet, hemme er den Zugriff auf die Entwicklungspotenziale der Künstlichen Intelligenz.

Autor(en): Versicherungsmagazin.de

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