Versicherungsmakler sollen selbständig beraten dürfen. Bisher ist es ihnen nur im Rahmen einer Vertragsvermittlung erlaubt. Wird nur beraten, können die Versicherungsmakler bald gegen Honorar tätig werden. Dies soll aber nicht gelten, wenn Bund, Länder oder Gemeinden Versicherungsschutz kaufen.

Schon gegen die allgemeine Kompetenzerweiterung für Makler läuft der Bundesverband der Versicherungsberater (BVVB) derzeit Sturm. "Versicherungsmakler können niemals unabhängig sein, da sie überwiegend, nämlich bei jeder Vertragsvermittlung, von den Assekuranzen bezahlt werden", sagt BVVB-Präsident Oskar Durstin. Während im normalen Vermittlungsgeschäft wohl die Honorarberatung für Makler trotzdem bald Einzug halten dürfte, ist das bei staatlichen Aufträgen anders. Denn schon eine vermutete Parteilichkeit reicht bei der Vergabe von Versicherungsschutz der öffentlichen Hand aus, um die Makler außen vor zu halten.

Beratungshonorar über 100 Millionen

"'Wird Versicherungsschutz für Schulen, Krankenhäuser oder sonstige kommunale Einrichtungen ausgeschrieben, dann sollten Makler nur auf der Seite der Assekuranzen tätig werden", fordert Rainer Noch von der Berliner Anwaltkanzlei Böck, Oppler, Hering. Nach Einschätzung des Experten werden vor allem Sachversicherungen durch die öffentliche Hand ausgeschrieben. Das Beitragsvolumen ist enorm. "Wir haben 750 Millionen Euro pro Jahr ermittelt", sagt Klaus P. Obereigner, der gemeinsam mit Aston University in Birmingham eine Studie erstellt hat, aus der sich auch das mögliche Honorarvolumen für die Versicherungsberatung bei Aufträgen der öffentlichen Hand ableiten lässt. So schätzt der gerichtlich zugelassene Versicherungsberater das Beratungsentgelt auf rund 113 Millionen Euro.

Makler unter Generalverdacht

Die Beratung bei der öffentlichen Vergabe von Versicherungsschutz - ab einem Volumen von 200.0000 Euro müssen die Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden - dürfte künftig in der Hand der rund 100 deutschen gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater liegen. Der Grund: Zahlreiche Oberlandesgerichte und Landesrechnungshöfe haben die Beauftragung von Versicherungsmaklern bei kommunalen Ausschreibungen gerügt. Daher werden in letzter Zeit verstärkt gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater als Sachverständige hinzugezogen. Nach Ansicht der Gerichte besteht bei Makler ein Neutralitätsproblem. Noch nannte dies "einen nicht auszuräumenden Generalverdacht". "Schon der böse Schein", so der Jurist, "reicht aus, um den öffentlichen Auftraggeber in Misskredit zu bringen und zu riskieren, dass das gesamte Vergabeverfahren gestoppt wird." Nach dem Vergaberecht können interessierte Dritte bei mit begründeten Vorwürfen eine Überprüfung der Ausschreibung fordern.

Makler-Lobby: Wettbewerbsverzerrung

Die Entscheidungen, die den Versicherungsmakler die Neutralität bei der Beratung absprechen, widersprechen eindeutig dem Sachwalterurteil des Bundesgerichtshofes. Schon vor Jahren hatte der BGH festgestellt, dass der Versicherungsmakler "der Sachwalter des Kunden ist" und somit auf dessen Seite stehen muss. Daher kritisiert der Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) den eingeschränkten Zugang bei zu staatlichen Aufträgen als Wettbewerbsbeschränkung. Auch Hans-Ludger Sandkühler vom Institut der Versicherungsmakler (ivm) wehrt sich gegen die generelle Unterstellung, dass Makler nicht in der Lage seien Bund, Land oder Kommune objektiv zu beraten. Trotzdem dürfte die Maklergilde es schwer haben, in den lukrativen Beratungsmarkt einzudringen. Grund ist die Angst der Kommunen vor kostspieligen Nachprüfungsverfahren und möglichen Schadensersatzprozessen. Daher gingen, so Anwalt Noch, die Behörden lieber auf Nummer sicher und wählten einen Versicherungsberater.

Hintergrund: Das Vergaberecht für öffentliche Aufträge ist in Deutschland ein zweigeteiltes Recht. Unterhalb des europäischen Schwellenwerts von 200.000 Euro gelten nationale Regeln. Bei ausgeschriebenem unbegrenzt laufendem Versicherungsschutz ist die Schwelle überschritten, wenn vier Jahresprämien eine Summe über 200.000 Euro ergeben. Nach Einschätzung des Juristen Rainer Noch ist das immer öfter der Fall, weil die Kommunen ihre Ausschreibungen zusammenlegen. Im Jahr gibt es rund 1,5 Millionen nationale Ausschreibungen, aber nur 1.000 EU-weite. Viele Aufträge werden fälschlicherweise nicht richtig oder gar nicht ausgeschrieben, schätzt Noch. Bei der öffentlichen Ausschreibung wird das Beschaffungsvorhaben öffentlich bekannt gemacht. Durch möglichst viele Angebote soll bei uneingeschränktem Wettbewerb das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden. Weiter Informationen geben die regionalen IHK.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek