Du bist eigentlich Berater, Begleiter, Problemlöser – doch in der Praxis sitzt du mehr im Paragraphen-Dschungel als beim Kunden. Willkommen in der Welt der Vermittler 2025, wo Regulierung und Bürokratie längst zur größten Konkurrenz geworden sind. 

Was früher ein kurzer Beratungstermin war, ist heute ein stundenlanger Prozess: Erst die Bedarfsanalyse, dann das Pflichtprotokoll, dann Nachweise, Risikoeinstufung, ESG-Abfrage, Einwilligung zur Datenschutzerklärung, Produktinformationsblatt, IDD-konformer Beratungsbericht – und am Ende fragst du dich, ob der Kunde überhaupt noch weiß, worum es ging. Oder schlimmer: ob du es selbst noch weißt.

Gute Absicht, schlechte Umsetzung

Es begann einst mit einer guten Absicht: Mehr Transparenz, mehr Verbraucherschutz, mehr Qualität. Heute ist die Bürokratie zu einen System geworden, das viele schlicht überfordert. Die IDD, ESG-Vorgaben, Geldwäscheprüfungen, Datenschutzverordnungen, Nachhaltigkeitspräferenzen, 34f, 34d, 34i… Allein die Aufzählung wirkt wie die 125.000 Euro-Frage bei "Wer wird Millionär".

Kaum eine neue Regelung kommt mit verständlichen Anleitungen. Stattdessen flattert ein Wust an PDFs, Webinaren und Update-Mails ins Postfach. Lies dich mal durch 150 Seiten BaFin-Hinweise – und erkläre sie danach auch noch deinem Kunden. Kein Wunder, dass niemand Bock auf Versicherungen hat.

Kein Platz für Kleinbetriebe

Besonders kleine und mittelgroße Maklerbetriebe spüren die Last. Kein eigener Jurist, kein Compliance-Team. Dafür lange Abende mit Excel-Listen, Maklerverwaltungsprogrammen und Checklisten. Und während du dich mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beschäftigst, machen Vergleichsportale munter weiter – oft ohne jede Beratung. Wer noch echten Vertrieb machen will, muss das oft nach Feierabend tun – oder gleich ganz aufgeben. Dass sich immer mehr Vermittler aus der Branche verabschieden, ist kein Betriebsunfall. Es ist eine Folge politischer und regulatorischer Ignoranz. 

Verbraucherschutz mit Scheuklappen 

Und währenddessen ich das hier schreibe, werden sicherlich schon wieder neue Ideen diskutiert, wie man den Vermittlern das Leben schwerer machen kann. Pardon. Ich meinte natürlich neue Ideen, wie man den Verbraucherschutz stärken kann. Der Staat hat immer nur den "Verbraucherschutz-Tunnelblick". Was er nicht sieht: Dass du und viele Kolleginnen und Kollegen längst im Grenzbereich der Belastbarkeit angekommen seid. 

Ein schlechter Witz: Die Aufsicht erwartet regelmäßig "mehr Qualität in der Beratung" – schafft aber gleichzeitig Bedingungen, unter denen qualifizierte Beratung kaum noch möglich ist. Was zählt, ist irgendein Haken im Formular, nicht das Gespräch. 

Aber jammern bringt nichts. Also was tun?

Drei Schritte zurück zur Praxis

Erstens: Digitale Helfer konsequenter nutzen. Ja, Tools kosten Geld – aber sie sparen auch Nerven. Wer seine Prozesse automatisiert, gewinnt Zeit zurück. Beratungssoftware, automatisierte Protokollierung, elektronische Unterschrift – alles kein Hexenwerk.

Zweitens: Netzwerke bilden. Viele Makler kämpfen allein. Dabei gäbe es in regionalen Verbünden, Pools oder Genossenschaften echte Chancen, Aufgaben auszulagern oder gemeinsam zu stemmen. Synergien schaffen statt Einzelkämpfer-Dasein.

Drittens – und das ist vielleicht der wichtigste Punkt: Lauter werden. Die Politik ändert nichts, wenn niemand widerspricht. Die Stimme der Vermittlerschaft ist zu leise – dabei gäbe es genug zu sagen. Die Zeiten der stillen Anpassung müssen vorbei sein. Engagiere dich zum Beispiel in Branchenverbänden und wenn es erstmal nur durch eine reine Mitgliedschaft ist.

Fazit: Bürokratie darf keine Existenzfrage sein

Denn am Ende geht es nicht nur um Paragrafen. Es geht um Vertrauen, um persönliche Beratung, um Existenzen. Und um die Frage: Wollen wir wirklich eine Branche, in der nur noch große Vertriebe überleben – weil die Kleinen an der Bürokratie scheitern? 

Ich finde: Nein.

Bastian Kunkel ist Makler und Gründer von "Versicherungen mit Kopf". Er schreibt in seiner Kolumne "Hinterfragt" über wichtige Branchenthemen.

Verfasst von: Bastian Kunkel