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Wegfall des versicherten Interesses

1. Begriff: Wegfall der Gefahr oder der Sache, auf die sich der Versicherungsschutz richtet.

2. Rechtsfolgen: Bei endgültigem, dauerhaftem Wegfall des versicherten Interesses nach Versicherungsbeginn droht dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherten (letzteres im Fall der Versicherung für fremde Rechnung) kein Schaden, d.h. kein Vermögensnachteil mehr; eine Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens kommt deshalb nicht mehr in Betracht. Der Versicherungsvertrag endet (erlischt) dann automatisch. Das Prämienschicksal regelt § 80 II VVG.

3. Anwendungsbereiche: Der Wegfall des versicherten Interesses kann ohne oder durch den Versicherungsfall eintreten. a) Sachversicherung: Vollständige Zerstörung des versicherten Gebäudes oder des versicherten Kraftfahrzeugs (Kfz), nicht schon bei wirtschaftlichem Totalschaden. Bei Diebstahl des Kfz liegt ein Wegfall des versicherten Interesses erst bei Aussichtslosigkeit der Wiederbeschaffung vor. Der Wegfall des versicherten Interesses ist bei Inbegriffsversicherungen nicht gegeben, wenn noch Sachen des versicherten Inbegriffs vorhanden sind oder wiederbeschafft werden können. Eine Betriebseinstellung nach einem Teilschaden führt hinsichtlich des versicherten Inventars und/oder der versicherten Warenvorräte nicht zum Wegfall des versicherten Interesses, allenfalls zur Überversicherung. Die Veräußerung der versicherten Sache führt generell zum Wegfall des versicherten Interesses.
b) Personenversicherung: Tod des Versicherungsnehmers.
c) Haftpflichtversicherung: Der Wegfall des versicherten Interesses gilt beim Wegfall jeglicher Möglichkeit der Haftung. In der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt der Wegfall des versicherten Interesses erst bei vollständiger Zerstörung des Kfz, nicht schon bei wirtschaftlichem Totalschaden oder im Fall der Abmeldung. Der Tod des Versicherungsnehmers in sachbezogenen Haftpflichtversicherungen ist kein Wegfall des versicherten Interesses, der Versicherungsvertrag geht dann auf den oder die Erben über (Eigentumswechsel). Dagegen gilt der Tod des Versicherungsnehmers bei berufs- bzw. tätigkeitsbezogenen Haftpflichtversicherungen (Rechtsanwalts- oder Arzthaftpflichtversicherung) als Wegfall des versicherten Interesses. In der Grundstückshaftpflichtversicherung tritt bei vollständiger Zerstörung des Gebäudes kein Wegfall des versicherten Interesses ein, sondern nur eine Gefahrminderung; ein Wegfall des versicherten Interesses gilt dagegen bei Veräußerung des Grundstücks mangels Übergangs der Grundstückshaftpflichtversicherung auf den Erwerber (Eigentumswechsel).

4. Prämienschicksal: Die Unterscheidung nach altem Recht je nachdem, ob ein Versicherungsfall den Wegfall des versicherten Interesses herbeigeführt hat oder nicht (§ 68 IV VVG a.F.), ist entfallen. Das Versicherungsunternehmen kann die Prämie verlangen, so als wäre die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden, zu dem es vom Wegfall des versicherten Interesses Kenntnis erlangt. Beim Wegfall des versicherten Interesses im ersten Vertragsjahr gilt dann für die Prämienbemessung – falls vorhanden – der Kurztarif, ansonsten die zeitanteilige Prämie bis zur Kenntniserlangung. Die zeitanteilige Abrechnung gilt auch bei Wegfall des versicherten Interesses in späteren Versicherungsjahren. Siehe auch versichertes Interesse, Unteilbarkeit der Prämien.

Autor(en): Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, Professor Dr. Helmut Schirmer

 

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