Beschäftigte wollen Recht auf Homeoffice

740px 535px

Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) hat Beschäftigte von Versicherungsunternehmen und großen Vermittlerunternehmen zu ihren Erfahrungen mit der Arbeit unter Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen befragt.

Homeoffice funktioniert - das ist kurz gesagt die Erkenntnis der knapp 1.300 Umfrageteilnehmer, die von der NAG aufgefordert worden waren, ihre Erfahrungen und Haltungen zum Thema Arbeiten zuhause zu teilen (https://www.versicherungsmagazin.de/rubriken/branche/homeoffice-spaltet-die-belegschaften-2623336.html). Dabei kann durchaus eine Rolle gespielt haben, dass Homeoffice keine Erfindung der Corona-Pandemie ist. Schon vor dem Lockdown wurde ein beachtlicher Anteil der Arbeitszeit bei den Befragten zuhause erbracht.

Schon vor Corona arbeiteten viele zuhause

Die Befragten setzen sich zu 85 Prozent aus Versicherungsbeschäftigten, zwölf Prozent Beschäftigten bei großen Vermittlern und einem kleinen Anteil Mitarbeitende von der Assekuranz eng verbundenen Unternehmen wie beispielsweise Asset Management- oder IT zusammen. Knapp 90 Prozent ordneten sich dem Innendienst zu, gut vier Prozent dem Außendienst. Der Rest wies entweder gemischte Innen- und Außendienst- oder andersartige Tätigkeiten oder Ausbildungsverhältnisse auf.

In der Hochphase der Kontaktbeschränkungen stieg der Anteil der zuhause erbrachten Arbeitsleistung von 31 auf 84 Prozent an. Dafür waren in gut 50 Prozent der Fälle Weisungen des Arbeitgebers verantwortlich, gut ein Drittel hingegen wählte freiwillig das Zuhause als Arbeitsort. Der Rest war entweder ohnehin schon zuhause beschäftigt oder auf ärztliche Anordnung gezwungen, das Büro des Arbeitgebers zu meiden.

Großexperiment gelungen

Die Pandemie hat die Haltung der Beschäftigten zur Homeoffice-Tätigkeit überaus positiv beeinflusst. 58 Prozent sehen die Erfahrungen als sehr positiv, weitere 25 Prozent als positiv und noch einmal 13 Prozent teils/teils. Ausgesprochen negativ hat sich die Haltung nur bei knapp unter fünf Prozent verändert.

Dementsprechend wenig verwunderlich ist, dass rund 88 Prozent der Befragten sich auch künftig ein Arbeiten von zuhause vorstellen können, nur knapp über fünf Prozent wollen das auf keinen Fall, knapp sieben Prozent sind unentschlossen.

Keine soziale Isolierung bemerkt

Entscheidend für die positive Haltung sind die guten Erfahrungen, die mit der Umsetzung der überwiegend unerwarteten Verlagerung der Tätigkeit einhergehen. Offensichtlich haben sich die zahlreichen Befürchtungen, die früher gegen eine Homeoffice-Wahl sowohl von Arbeitgebern als auch durchaus von Arbeitnehmern ins Feld geführt worden waren, nicht bewahrheitet. So hatte man unter anderem eine Minderung der Produktivität und eine soziale Isolierung der Angestellten befürchtet. Führungskräfte könnten die Kontrolle verlieren, und die Beschäftigten dies ausnutzen.

Jedenfalls aus Sicht der Befragten, unter denen sich durchaus auch Führungskräfte befanden, ist es so nicht gekommen. Insbesondere die Produktivität hat bei fast sechs von zehn Beschäftigten eindeutig zugenommen und umgekehrt nur bei knapp unter zehn Prozent klar abgenommen. Über 85 Prozent berichteten, dass die Interaktion mit Kunden und anderen externen Partnern problemlos auch von zuhause möglich war. Fast ebenso stark ist die Zustimmung, dass die Teamarbeit auch im virtuellen Raum funktioniert hat.

Gewinn an Lebensqualität

Daneben sind es aber persönliche Vorteile, die die Arbeitnehmer überzeugen. 94 Prozent erlebten eine Zeitersparnis durch den Wegfall der Fahrten zum Arbeitsplatz. Diese ist bei vielen Betroffenen beträchtlich: Allein rund 73 Prozent der Befragten fahren in normalen Zeiten mindestens eine Stunde, rund 43 Prozent mindestens anderthalb Stunden am Tag hin und zurück. Erstaunlich: Für sechs Prozent der Befragten sind es sogar mindestens drei Stunden am Tag. Dass der Wegfall als Gewinn an Lebensqualität bewertet wird, überrascht nun wirklich nicht.

Besser als vielleicht zu erwarten waren die häuslichen Rahmenbedingungen für die Verlagerung der Arbeit. So gab es eher selten Probleme, störungsfreie Räume oder eine Unterstützung der Familie vorzufinden. Wenn, dann wurde vor allem eine fehlende Ergonomie der Möbel beklagt. Manche Arbeitgeber hatten während des Lockdowns darauf reagiert und ihren Beschäftigten angeboten, die Bürostühle abzuholen und zuhause zu nutzen.

Möglicherweise naiv ist eine andere Einschätzung: "Mehr als neun von zehn Befragten meinten, dass der Datenschutz zuhause "sichergestellt" sei. Das werden Hacker möglicherweise anders sehen. Allerdings dürften die Befragten auch eher an die Vertrauenswürdigkeit ihrer Mitbewohner als an IT-technische Probleme wie der Sicherung von Schnittstellen und dezentralen Endgeräten gedacht haben, für die sie wohl verständlicherweise den Arbeitgeber für verantwortlich halten.

Künftiges Wahlrecht gefordert

Ein Thema für die Beschäftigten ist die Kostenbeteiligung des Arbeitgebers. Bisher gibt es nur selten Vereinbarungen über einen Ausgleich der zuhause entstehenden Kosten, und wenn, dann eher in Gestalt einer Pauschalzahlung mit enormer Bandbreite an beobachtbaren Beträgen von einigen wenigen bis zu weit über 100 Euro im Monat.

Für die NAG jedenfalls steht fest, dass sich Homeoffice grundsätzlich bewährt hat und weiter auf breiter Front angeboten werden sollte - nicht allerdings als Zwang, sondern freiwillig. So äußerten viele Befragte, dass sie nicht durchgängig zuhause arbeiten möchten, sondern auf Wunsch und gerne auch kurzfristig tageweise. Die unter Arbeitgebern bereits diskutierte, mögliche Ersparnis an Büroflächen und entsprechenden Kosten dürfte damit eher nicht zum Tragen kommen.

Eingriff des Gesetzgebers wird von 15 Prozent abgelehnt

Die Beschäftigten wünschen sich mehrheitlich einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice, wie ihn der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor einer absehbaren Corona-Pandemie ins Gespräch gebracht hatte. Auffällig ist, dass mit 15 Prozent ein beachtlicher Anteil der Umfrageteilnehmer diesen Vorstoß ablehnt. Aus freien Kommentaren kann man ablesen, dass sich viele Versicherungsbeschäftigte wünschen, die Wahl des Arbeitsortes innerbetrieblich durch Betriebsvereinbarungen oder tarifvertraglich zu regeln. Der Gesetzgeber solle sich hier zurückhalten. Es wird nun auf die betriebliche Praxis bei weitem nicht nur in der Versicherungsbranche ankommen, ob sie die positiven Erfahrungen mit der Homeoffice-Tätigkeit über entsprechende Vereinbarungen zwischen den Tarifparteien würdigt, sodass ein erneuter Eingriff des Gesetzgebers in die Tarifautonomie überflüssig wird.

Die Studie „Homeoffice - Ergebnisse der NAG Homeoffice-Umfrage 2020 unter Beschäftigten der Versicherungswirtschaft“ wird von der Fachhochschule Dortmund und der NAG gemeinsam herausgegeben und kann kostenfrei von der Seite www.fh-dortmund.de/homeoffice-studie heruntergeladen werden.

Autor(en): Matthias Beenken

Alle Branche News