Deutschland hat sich wegen einer von der Vertriebsrichtlinie IDD abweichenden Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren eingehandelt. Das soll demnächst repariert werden.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung erstellt. Darin heißt es, die Europäische Kommission habe am 3. Oktober 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Falschumsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 – die als Versicherungsvertriebsrichtlinie oder IDD bezeichnet wird – gegen Deutschland eingeleitet. Das BMWE will mit einer Änderung der Gewerbeordnung erreichen, dass dieses Verfahren beendet und Strafkosten vermieden werden.

Eigenmächtige Ausnahme schon seit 2007

Ein zentraler Punkt ist die Ausnahme bestimmter Versicherungsvermittler von den Pflichten zur Registrierung im Vermittlerregister nach § 34d Absatz 8 Nr. 2 und 3 GewO. Dabei handelt es sich zum einen um Bausparkassen und Bausparvermittler, die Restschuldversicherungen in Zusammenhang mit Bausparverträgen und im Rahmen von Kollektivverträgen vermitteln.

Zum anderen geht es um Vermittler, die Restschuldversicherungen „als Zusatzleistung zur Lieferung einer Ware oder der Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit Darlehens- und Leasingverträgen“ vermitteln und deren Prämie 500 Euro nicht übersteigt. Solche Verträge werden beispielsweise im Handel angeboten, wenn Kunden die Ware finanziert kaufen wollen und die finanzierende Bank eine Restschuldversicherung als Sicherheit verlangt. Eine wichtige Branche ist der Autohandel, wo die Restschuldversicherung zur Absicherung von Autokrediten angeboten wird.

Diese Ausnahmen waren noch nie von der Europäischen Union vorgesehen, schon nicht in der alten EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie („IMD“), die Deutschland stark verspätet im Mai 2007 umgesetzt hatte. Die Europäischen Richtlinien haben immer nur bestimmte Vermittler von Reise- und Garantieversicherungen aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert, das bleibt auch im deutschen Recht so bestehen.

Man kann gleichzeitig Versicherungsnehmer und Vermittler sein

Bezogen auf die Bausparkredite wird erläutert, dass nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2022 im Fall „TC Medical Air Ambulance Agency, C-633/20“ klar sei, dass man auch dann als Versicherungsvermittler gelten kann, wenn man unter bestimmten Voraussetzungen als Versicherungsnehmer versicherte Personen in einen Kollektivvertrag aufnimmt.

Die vom EUGH entschiedene Konstellation liege auch beim Vertrieb von Restschuldversicherungen für Bausparkredite vor. Anders liegt der Sachverhalt beim Handel als Vermittler von Restschuldversicherungen zur Warenfinanzierung.

Hier hat Deutschland wohl die Ausnahmen von der Anwendung der IDD falsch interpretiert. Erstaunlicherweise wurde diese eigenmächtige Privilegierung nicht einmal in Zusammenhang mit der seit Jahren anhaltenden Kritik an den Gepflogenheiten bei der Vermittlung von durch Banken vermittelten Restschuldversicherungen (siehe Studien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und den gesetzgeberischen Aktivitäten wie der Einführung und mittlerweile weitere Verschärfung einer „Cooling-off-Period“ bei diesen Verträgen (siehe § 7a Absatz 5 VVG) hinterfragt.

Gewerbeerlaubnis oder Eintragung durch Versicherer

Die Konsequenzen können unterschiedlich sein. Alle Betroffenen können eine Gewerbeerlaubnis nach § 34d Absatz 1 GewO als Vertreter oder als Makler beantragen. Der Aufwand dürfte aber im Anbetracht der kleinteiligen Vermittlungsvorgänge in der Regel sehr hoch sein.

Im Bausparbereich glaubt das BMWE, dass die große Mehrheit der Betroffenen von der Privilegierung nach § 34d Absatz 7 S. 1 Nr. 1 GewO als sogenannte gebundene Vertreter Gebrauch machen wird, die von einem Versicherer eingetragen werden. Denn hier handele es sich meist um Vermittlungsvorgänge an nur einen einzigen Versicherer.

Restschuldversicherung nicht produktakzessorisch

Anders dagegen könnte es nach Meinung des BMWE, auch nach Gesprächen mit verschiedenen Verbänden und einem großen Kfz-Hersteller-verbundenen Finanzdienstleister, im Kfz-Handel aussehen. Hier komme keine mögliche Privilegierung nach § 34d Absatz 6 GewO als produktakzessorischer Vermittler in Frage, weil die Restschuldversicherung zum Kredit, aber nicht zum Auto akzessorisch sei. Auch auf Nachfrage geht das BMWE wohl davon aus, dass der jeweilige Autohändler als eigenständiger Vermittler der Restschuldversicherung tätig werde und nicht etwa die das Auto finanzierende Bank. Ob auch eine Tippgeber-Tätigkeit für die finanzierende Bank denkbar sei, die ihrerseits die Restschuldversicherung verantwortlich vermittelt, diese Möglichkeit wurde in den bisherigen Beratungen nicht erwogen.

Damit bliebe nur eine „Vollerlaubnis“ als Variante für den Autohandel übrig. Andere Handelsbereiche – beispielsweise der Handel mit Haushaltsgeräten und -elektronik – dürften genauso betroffen sein.

Einige Millionen Euro Aufwand

Der Aufwand wird als hoch eingeschätzt. Das BMWE geht von 39.230 Betrieben des Kfz-Handels aus. Wenn in jedem dieser Betriebe eine Person die vorgeschriebene Aus- und Weiterbildung im Rahmen der Delegationsmöglichkeit bei juristischen Personen nutze, rechnet das Ministerium zusammen mit einigen weiteren Annahmen einen einmaligen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft von gut neun Millionen Euro und einen laufenden, jährlichen Aufwand von gut 15 Millionen Euro vor. Der Hauptaufwand entsteht dabei durch die Aus- und Weiterbildungspflichten. Hinzu kommen noch gut 600.000 Euro Verwaltungskosten, die bei den Industrie- und Handelskammern anfallen würden.

Eine weitere Änderung in der Gewerbeordnung betrifft die Erlaubnisvoraussetzungen nach § 34d Absatz 5 GewO. Hier möchte die EU-Kommission erreichen, dass eine Gewerbeerlaubnis auch dann versagt werden muss, wenn „der Antragsteller enge Verbindungen zu einer oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen hat, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Drittlandes unterliegen, und die gewerberechtliche Aufsicht durch die zuständige Industrie- und Handelskammer durch die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften dieses Drittlandes oder durch Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieser Rechts- und Verwaltungsvorschriften in der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion behindert wird.“ Hinzu kommen einige weitere, eher redaktionelle Anpassungen in der Gewerbeordnung.

Die Pressesprecherin des BMWE wies auf Nachfrage darauf hin, dass sich der Gesetzgebungsprozess noch am Anfang befinde. Sie rechne mit einem Inkrafttreten frühestens Mitte 2026. Danach soll es zusätzlich eine einjährige Übergangsregelung geben, damit die betroffenen Vermittler ihre Registrierung und die dafür nötigen Voraussetzungen nachholen können.

Autor(en): Matthias Beenken