Mitwachsende Risiken sprengen VSH-Deckungssummen

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Ihren Kunden verkaufen Versicherungsmakler gern einen möglichst hohen Versicherungsschutz, selbst neigen sie jedoch oft dazu, ihre eigene VSH-Absicherung eher zu niedrig anzusetzen. Beispiele aus der Praxis zeigen, welch gravierenden Folgen das haben kann.

Der Betreiber eines Fitnessstudios hatte mächtig in neue Geräte investiert. Sein Versicherungsmakler ordnete auch deshalb die Versicherungen komplett neu. Er kündigte die alten Verträge -reichte jedoch versehentlich die neuen Anträge niemals ein.

Nicht nur Schäden im Fitnessstudio

Ein Plastikbecher, am Ende einer kleinen Feier zur Wiedereröffnung abgestellt auf einer vermutlich versehentlich auf Stufe 1 eingestellten Herdplatte, kokelte nach dem Umtrunk unbemerkt so lange vor sich hin, bis die Rauchentwicklung die Sprinkleranlage auslöste. Damit wurde auch die Feuerwehr alarmiert, die als einzige in der Lage war die Sprinkleranlage zu deaktivieren. Allerdings benötigte die Feuerwehr im Berufsverkehr knapp 35 Minuten, bis sie vor Ort sein konnte.

Der Gesamtschaden durch das ausgetretene Wasser begrenzte sich jedoch nicht nur auf das komplette Fitnessstudio und alle dort nagelneuen, überwiegend elektronischen Trainingsgeräte. Das Wasser gelangte zudem in das darunterliegende Stockwerk, in dem es eine Bilderausstellung mit über 1.000 Exponaten stark beschädigte.

Das Ende vom Lied: Die bei dem Makler vorhandene Mindestdeckungssumme der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (VSH) von 1,3 Millionen Euro reichte bei dem Schaden von über 2,3 Millionen Euro insgesamt nicht aus: Sportstudio pleite, Atelier pleite und natürlich auch der Versicherungsmakler mit seiner gesetzlichen Mindestdeckungssumme pleite.

Am Ende einer Schadenskette steht die Haftungsfrage

Fehler unterlaufen jedem. Gerade auch bei Dienstleistungen wie im Versicherungsgewerbe. Und jeder Versicherungsmakler weiß:  Manchmal ist es einfach nur ein kleiner Vorfall, der eine Verkettung von Folgeschäden auslöst. Und am Ende steht die Haftungs- und Entschädigungsfrage.

Der Fall im Fitnessstudio ist ein realer Fall aus der Vergangenheit. Er zeigt Versicherungsmaklern deutlich die Notwendigkeit auf, immer wieder ihre Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung auf ausreichende Deckungssummen überprüfen zu lassen. Im Glauben, eigentlich keine Fehler zu machen, begnügen sie sich in aller Regel mit der Mindesthaftungssumme. Und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten natürlich, um an der Prämie zu sparen. Das dürfte auch jetzt wieder vermehrt vor dem Stichtag 30. September auftreten.

Makler reden ihr eigenes Haftungsrisiko gerne klein

Womöglich hat die Mindesthaftungssumme vor längerer Zeit gerade ausgereicht. Aber mit dem Bestandswachstum der versicherten Gegenstände steigen auch die potenziellen Haftungssummen. Bei der überschlägigen Kalkulation ihrer zu versichernden VSH-Risiken erliegen immer mehr Makler der Versuchung, neben dem Unterschätzen des eigenen Fehlerpotenzials und der Missachtung des Bestandswachstums auch die Risiken selbst gerne klein zu reden. So liegt die Vermutung nahe, dass sie sich über die Langzeitwirkungen ihrer Beratung oft nicht im Klaren sind.

Wieder ein echtes Beispiel, diesmal aus dem Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Versicherungskundin wusste, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt bringen würde und bat ihren Makler um Beratung. Dieser erkannte nicht rechtzeitig, wie ein geeigneter und ausreichender Versicherungsschutz für das Neugeborene im Rahmen der bestehenden Konstellationen möglich wäre. Es hätte sich aber ein verpflichtender Versicherungsschutz über die gegebene Elternsituation darstellen lassen. Diese Erkenntnis kam aber erst, als sich das erhebliche, tatsächliche Ausmaß der Pflegebedürftigkeit zeigte - leider deutlich zu spät. Aus der lebenslangen Pflegesituation ergab sich für die Eltern sodann eine Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung: Über zwei Millionen Euro Schadenssumme werden für die zu erwarteten 40 bis 60 Pflegejahre des Kindes kalkuliert.

VSH-Spezialmakler empfehlen für Gewerbemakler mindestens fünf Millionen Euro VSH-Deckung

Was für Privatkunden gilt, ist für gewerbliche Kunden von noch größerer Bedeutung. Da das Schadenspotenzial hier noch weit höher ist, sollte auch die Mindestdeckung in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung eine höhere sein. Sie liegt derzeit bei 1.300.380 Euro. Je digitaler die Antrags- und Abwicklungsprocedere im Hintergrund gestaltet sind, desto eher können Anträge für Kunden mit einer deutlich höheren Deckungssumme als bisher umgesetzt werden - ohne dass dem Vermittler bewusst wird, dass die eigene Vermögensschadenshaftpflicht-Deckung damit deutlich überschritten wird. VSH-Spezialmakler empfehlen daher eine Mindestdeckung von wenigstens fünf Millionen Euro, besser mehr. Oder ein Excedent (eine Art Zusatz-VSH-Versicherung) für ein Großkunden-Einzelmandat.

Denn gerade bei  Kunden mit einem breit gefächerten Vermögensbestand bleiben immer wieder Einzelwerte versehentlich unbeachtet. Das kann beispielsweise passieren, wenn ein Gewerbebetrieb seinen Makler wechselt und der neue Makler nicht den Versicherungsbestand ausreichend prüft. Oder weil der Makler seinen Versicherungsbestand kleinrechnet, um bei der VSH ein paar hundert Euro zu sparen.

"Bei Immobilien liegt die Unterversicherungsquote bei 25 bis 30 Prozent", weiß Konrad Krug, geschäftsführender Gesellschafter  der Kanzlei für Versicherungsberatung Krug GmbH in Deidesheim zu berichten, und bei der Betriebs- und Geschäftsausstattung läge sie sogar bei über 50 Prozent. Er mahnt: "Es ist ein weit verbreiteter Fehler, nur den ursprünglichen Anschaffungswert gemäß AfA-Tabelle  für die Bemessung anzusetzen." Im Schadensfall hinsichtlich der Unterdeckung in der VSH ein verhängnisvoller obendrein. Denn wesentlich ist der Wiederbeschaffungsneuwert.

Gerichte nehmen Makler in die Pflicht

Einschlägige Gerichtsurteile nehmen den Makler daher in die Pflicht. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 30. April 2012 (AZ I-18U 141/06) oder des OLG Stuttgart vom 30. März 2011 (AZ 3-U 192 10) muss ein Makler den gesamten Versicherungsumfang bei Gebäudeversicherungen prüfen, zum Beispiel nach Umbauten. Gleiches gilt auch für die Betriebs- und Geschäftsausstattung. Die Selbstkontrolle sollte der Makler einmal im Jahr durchführen.

Übrigens ist das verbreitete Phänomen, ausgerechnet bei der VSH-Prämie zu sparen, nicht nur bei Versicherungsmaklern zunehmend zu beobachten. Das trifft auch bei Steuerberatern und Rechtsanwälten vermehrt zu. Obwohl dort die Mindestdeckungssummen mit 250.000 Euro (im Einzelfall vierfach maximiert) sowieso noch vergleichsweise niedrig sind.

Wenn Fachkentnisse fehlen, kann es teuer werden

Auch dazu ein Beispiel: Die vor Jahren getroffene Entscheidung über ein Grundstück im Betriebsvermögen eines Unternehmens, wurde nach dem Wechsel des Mandanten zu einem anderen Steuerberater als ein steuerliches Problem mit falscher Zuordnung zum Betriebsvermögen identifiziert: Der Grundstückswert hat sich im Laufe der wenigen Jahre mehr als versechsfacht. Da kann vermutlich schon alleine die Steuernachforderung des Finanzamtes an den Mandanten die vorhandene Deckungssumme in der Steuerberater-VSH sprengen.

Und dies wiederum kann auch dem Versicherungsmakler auf die Füße fallen, der dem Steuerberater die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung so nebenbei und ohne besondere Fachkenntnisse vermittelt hatte. Hat er in einem solchen oder ähnlichen Fall seinen Kunden nicht auf das potenzielle Unterdeckungsrisiko hingewiesen, steht er am Ende einer Verkettung unglücklicher Umstände. Mithin in der Haftung.

Die VSH soll die Existenz des Vermittlers oder Beraters sichern

Letztlich ist jeder Schadensfall ein Einzelfall, von denen manche seltener und andere häufiger vorkommen. Aber im Kern ähneln sie einander. Irgendwo im Analyse-, Beratungs- oder Umsetzungsprozess hat der Makler oder jemand aus seinem Team einen Fehler gemacht, etwas unterlassen oder ein Risiko massiv unterschätzt. Die Vermögensschadenhaftpflicht hat nicht nur den Sinn, den betroffenen Kunden zu entschädigen, sondern auch die Existenz des Vermittlers und Beraters zu sichern. Wenn dieser Schutz durch die Mindestdeckungssummen nicht zu 100 Prozent gewährleistet wird, so sind dafür allein die Betroffenen beziehungsweise ihre VSH-Makler verantwortlich.

Auch der immer wieder geäußerte Glaube so manches GmbH-Geschäftsführers, dass er mit der GmbH das Risiko für sich auf 25.000 Euro begrenzt hätte, ist ein großer Irrglaube. Denn als Geschäftsführer ist er zu 100 Prozent verantwortlich dafür, zur Absicherung des Unternehmens für ausreichend Deckungsschutz zu sorgen. Auch für die Risiken, zu denen er berät und die in Summe auch auf das eigene Unternehmen zurückfallen könnten. Liegt diese Deckung nicht ausreichend vor, steht er mit seinem gesamten Privatvermögen persönlich in der Haftung. Dann gute Nacht!

Ralf Werner Barth ist Vorstandsvorsitzender der Vereinigung zum Schutz für Anlage- und Versicherungsvermittler e.V. (VSAV).

Autor(en): Ralf Werner Barth

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