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Kapitaldeckungsverfahren

Kapitaldeckung.

1. Begriff:
Grundlegendes Finanzierungsverfahren in der Privatversicherung, insbesondere in der privaten Personenversicherung. Im Gegensatz zum Umlageverfahren wird beim Kapitaldeckungsverfahren ein Kapitalstock aufgebaut, aus dem später die Ansprüche der Versicherten bedient werden. Statt aus zeitgleich laufenden Beiträgen werden Leistungen also durch Aufzehren des früher gebildeten Kapitalstocks sowie aus den Erträgen, die durch die Anlage des Kapitalstocks gebildet werden, finanziert. Anwendung findet das Kapitaldeckungsverfahren insbesondere in der Privatversicherung, konkret in der Lebensversicherung, der privaten Rentenversicherung, der privaten Krankenversicherung (PKV) und der privaten Pflegeversicherung, bei denen eine besondere Form des Kapitaldeckungsverfahrens eingesetzt wird (das sog. Anwartschaftsdeckungsverfahren, das dem individuellen versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip folgt), teilweise auch bei kollektiven Systemen (z.B. Staatsfonds).

2. Kapitaldeckungsverfahren in der PKV: Das Kapitaldeckungsverfahren gehört zu den Grundmerkmalen der PKV. Gemäß § 146 VAG i.V.m. der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) muss die substitutive PKV nach Art der Lebensversicherung kalkuliert werden. Demnach hat die Beitragskalkulation nach dem Äquivalenzprinzip sowie unter Bildung von Alterungsrückstellungen zu erfolgen (§ 146 I und II VAG). Die Alterungsrückstellungen sollen gewährleisten, dass die Beiträge unter ansonsten gleichen Voraussetzungen (u.a. Gültigkeit der aktuellen rechnerischen Sterbe- und Stornotafel; Fortbestand der aktuellen Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen; unbegrenzter Fortbestand des aktuellen Preisniveaus für Leistungen im Gesundheitswesen) grundsätzlich über die gesamte Vertragslaufzeit konstant bleiben. Das heißt: Der Versicherte erwirbt in jüngeren Jahren eine Anwartschaft darauf, dass sein Beitrag im Grundsatz über die gesamte Vertragslaufzeit unverändert bleibt.

3. Details: Um die Beitragskonstanz sicherzustellen, wird in den Anfangsjahren der Laufzeit eines Krankenversicherungsvertrags ein tatsächlicher Beitrag erhoben, der höher als der augenblickliche Bedarfsbeitrag der betreffenden Person vor dem Hintergrund des aktuellen Krankheitsrisikos ist. Die Differenz (Sparprämie) wird in der Alterungsrückstellung verzinslich angesammelt. Später, wenn der zu entrichtende Beitrag aufgrund des gestiegenen Lebensalters – und damit i.d.R. auch einer verstärkten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen – nicht mehr für die benötigten Versicherungsleistungen ausreicht, werden die in der Alterungsrückstellung angesammelten Mittel (für den Versicherten unbemerkt) zur Abdeckung dieser Finanzierungslücke eingesetzt. Damit werden Beitragssteigerungen allein aufgrund des Älterwerdens grundsätzlich ausgeschlossen. Dem Kapitaldeckungsverfahren ist darüber hinaus der sog. gesetzliche Zuschlag (10 %-Zuschlag) zuzuordnen. Seit dem 1.1.2000 wird der 10-prozentige Zuschlag auf den Versicherungsbeitrag erhoben. Die aus dem gesetzlichen Zuschlag resultierenden Mittel werden verzinslich angelegt und – ohne Abzug etwaiger Kosten – dafür verwendet, Beitragserhöhungen im Alter insbesondere infolge des medizinisch-technischen Fortschritts aufzufangen.

4. Hintergrund: Mit dem demografischen Wandel, der einen immer höheren Anteil alter Menschen in der Bevölkerung mit sich bringt, und damit verbunden einer steigenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen erhöhen sich auch die Ausgaben im Gesundheitswesen. Weil jeder PKV-Versicherte im Versicherungskollektiv für sich selbst vorsorgt, ist die PKV auf diese Entwicklung mit dem Kapitaldeckungsverfahren und der Bildung von Alterungsrückstellungen relativ gut vorbereitet. Dabei gibt es allerdings Einschränkungen: Auch das Kapitaldeckungsverfahren kann unvorhersehbare Entwicklungen, wie z.B. überdurchschnittliche Kostensteigerungen im Gesundheitswesen oder einen Anstieg der Lebenserwartung, nicht auffangen.

5. Abgrenzung zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): In der GKV gilt statt des Kapitaldeckungsverfahrens das Umlageverfahren als finanzielles Strukturprinzip der Krankenkassen, bei dem keine Rückstellungen gebildet werden. Die von der Gesamtheit der Versicherten (und ihrer Arbeitgeber) eingezahlten Versicherungsbeiträge werden in derselben Periode an die Leistungsbezieher ausgezahlt.

Autor(en): Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Prof. Dr. Christian Hagist, Dr. Arne Leifels, Dr. Frank Schulze Ehring

 

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