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Treuhänder

1. Begriff: Personen, die aufsichtrechtliche Befugnisse im Interesse der Versicherten wahrnehmen, die entweder von der Aufsichtsbehörde wegen der Deregulierung nicht mehr wahrgenommen werden dürfen, oder die vom Gesetzgeber an außen stehende Personen übertragen wurden, die schneller und besser an Ort und Stelle für eine wirksame Überwachung bestimmter Handlungen des Unternehmens sorgen können.

2. Prämientreuhänder: Prämienänderungen für bestehende Verträge in der Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung sowie der Berufsunfähigkeitsversicherung bedürfen der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders (§§ 142, 155, 157, 161 I VAG, §§ 163, 176, 203 VVG), vgl. auch Bedingungsanpassung und Beitragsanpassung. Zum Treuhänder darf nur bestellt werden, wer zuverlässig, fachlich geeignet und von dem Versicherer unabhängig ist, insbesondere keinen Anstellungs- oder sonstigen Dienstvertrag mit dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen hat oder aus einem solchen Vertrag noch Ansprüche besitzt. Die fachliche Eignung setzt ausreichende Kenntnisse auf dem Sektor der Prämienkalkulation voraus. Zum Treuhänder kann nicht bestellt werden, wer bereits bei zehn Versicherern oder Pensionsfonds als Treuhänder oder verantwortlicher Aktuar tätig ist. Der in Aussicht genommene Treuhänder muss der Aufsichtsbehörde vor der Bestellung durch das Unternehmen benannt werden. Erfüllt der Kandidat die gesetzlichen Anforderungen nicht, kann die Aufsichtsbehörde die Benennung einer anderen Person verlangen. Dasselbe gilt, wenn sich später Umstände herausstellen, die einer Bestellung entgegenstehen, oder wenn der Treuhänder seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt. Im Notfall kann die Aufsichtsbehörde den Treuhänder selbst bestellen.

3. Bedingungstreuhänder: Die Mitwirkung eines Bedingungstreuhänders ist nur in der Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung vorgesehen, und zwar auch nur dann,wenn eine nicht nur als vorübergehend anzusehende Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens den Versicherer berechtigt, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und die Tarifbestimmungen den veränderten Verhältnissen anzupassen (Bedingungs- und Beitragsanpassung). Wenn die Änderungen zur Wahrung der Belange der Versicherten notwendig sind, fehlt nur noch die Zustimmung des unabhängigen Treuhänders, und die Änderung ist wirksam (§ 203 III VVG). Für eine Bedingungsanpassung wegen Unwirksamkeit einer AVB-Bestimmung durch höchstrichterliches Urteil oder bestandskräftigen Verwaltungsakt ist eine Zustimmung nicht erforderlich. Dasselbe gilt für Bedingungsänderungen in der Lebensversicherung (§ 164 VVG). Für den Bedingungstreuhänder gelten im Übrigen hinsichtlich der Qualifikation und Bestellung die Bestimmungen über den Prämientreuhänder entsprechend; die fachliche Eignung setzt hier allerdings ausreichende Rechtskenntnisse insbesondere auf dem Krankenversicherungssektor voraus (§ 157 III VAG).

4. Treuhänder für das Sicherungsvermögen: Zur Überwachung des Sicherungsvermögens für die Lebensversicherung, die substitutive Krankenversicherung, die private Pflegepflichtversicherung und die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung ist ebenfalls ein Treuhänder und ist zudem ein Stellvertreter für ihn zubestellen (§§ 128 f. VAG). Der Treuhänder wird vom Aufsichtsrat bestellt. Wie beim Prämien- und Bedingungstreuhänder muss der Kandidat vor seiner Bestellung der Aufsichtsbehörde benannt werden. Auch hier kann die Aufsichtsbehörde verlangen, dass ein anderer Kandidat vorgeschlagen wird. Dasselbe gilt, wenn der Treuhänder seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt. Unterbleibt die Benennung eines anderen Kandidaten oder hat die Behörde auch gegen den neuen Kandidaten Bedenken, kann sie den Treuhänder selbst bestellen. Über das Sicherungsvermögen kann nur mit Zustimmung des Treuhänders verfügt werden. Er hat das Sicherungsvermögen unter Mitverschluss zu verwahren. Gegenstände des Sicherungsvermögens darf er nur herausgeben, wenn das Gesetz es gestattet. Er kann der Verfügung nur schriftlich zustimmen. Der Treuhänder hat unter der Bilanz zu bestätigen, dass das Sicherungsvermögen vorschriftsmäßig angelegt und aufbewahrt ist. Er kann jederzeit die Bücher und Akten des Versicherers einsehen, soweit sie sich auf das Sicherungsvermögen beziehen. Über etwaige Streitpunkte zwischen dem Treuhänder und dem Unternehmen entscheidet die Aufsichtsbehörde. Wegen der Entnahmen aus dem Sicherungsvermögen siehe unter dem gleichnamigen Stichwort, wegen der Funktion des Sicherungsvermögens im Insolvenzverfahren siehe unter Insolvenz des Versicherers.

5. Treuhänder im Rahmen der Anteilseignerkontrolle: Die Aufsichtsbehörde kann einem Treuhänder die Ausübung der Stimmrechte übertragen, wenn Tatsachen Anlass zu Zweifeln geben, a) dass Inhaber bedeutender Beteiligungen den gesetzlichen Anforderungen genügen, oder
b) dass wegen der Struktur des Beteiligungsgeflechts oder mangelhafter wirtschaftlicher Transparenz eine wirksame Aufsicht möglich ist. Die Aufsichtsbehörde kann dem Inhaber bedeutender Beteiligungen in diesem Fall die Ausübung seiner Stimmrechte untersagen (§ 19 II VAG). Sie kann ferner einen Treuhänder u.U. mit der Veräußerung der Anteile beauftragen. Der Treuhänder wird auf Antrag des Versicherers, eines an ihm Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde vom Gericht am Sitz des Versicherungsunternehmens bestellt. Siehe auch Anteilseignerkontrolle.

6. Treuhänder im Rahmen des Sicherungsfonds: Ein unabhängiger Treuhänder wird eingeschaltet, wenn der Sicherungsfonds die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) oder die Tarifbestimmungen von insolventen Lebens- oder Krankenversicherern an die Verhältnisse des Zessionars anpassen will (§ 222 VI S. 3 u. 4 VAG).

Autor(en): Dr. Helmut Müller

 

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